VG Gelsenkirchen erteilt Absage an eine unmittelbare Geltung von EU-Erlaubnissen!

Das festgeschriebene Staatsmonopol ist in NRW gegenwärtig weiterhin anwendbar.

Bereits unter dem 26.10.2006 wurde an dieser Stelle über das Urteil des VG Gelsenkirchen vom 25.10.2006 (Az. 7 K 5569/97) berichtet. Nunmehr liegen auch die Gründe dieser ersten Hauptsacheentscheidung in Nord-rhein Westfalen vor (veröffentlicht in ZfWG 06/2006), mit der ein gewerblicher Spielvermittler die Erteilung einer Erlaubnis zur eigenen Veranstaltung von Sportwetten begehrte, hilfsweise die Erlaubnis, Sportwetten an ein in Gibraltar bzw. im sonstigen EU-Ausland lizenziertes Wettunternehmen zu vermitteln. Von großer Bedeutung ist der auch in diesem Verfahren gestellte Hilfsantrag, die Sache dem EuGH vorzulegen um die Europarechtskon-formität des deutschen Monopolsystems zu beurteilen. Bekanntlich ist das VG Köln einem entsprechenden Aussetzungsbegehren mit Beschluss vom 21.09.2006 (1 K 5910/05) gefolgt und hat den EuGH um Vorabentschei-dung über die Europarechtskonformität der Interimsregelung gebeten.

Dem hat das VG Gelsenkirchen mit dem vorliegenden Urteil eine umfas-sende Abfuhr erteilt und die Klage vollumfänglich abgewiesen. Insbesonde-re hinsichtlich des Vorlageantrages an den EuGH stellt das VG fest, dass die „vom Bundesverfassungsgericht geschaffene Rechtslage und die oben beschriebene Umsetzung der für die Übergangszeit geforderten Maßgaben zugleich bewirkt, dass das in Deutschland bestehende staatliche Wettmo-nopol nicht mehr gegen Gemeinschaftsrecht verstößt“.

Im Einzelnen führt das VG Gelsenkirchen zur verfassungs- und europa-rechtlichen Rechtslage folgendes aus:

„Das festgeschriebene Staatsmonopol ist entgegen der Rechtsansicht der Klägerin gegenwärtig auch anwendbar, obwohl es verfassungswidrig ist“. Nach Auffassung des Gerichts hat das Land NRW – ebenso wie der Freistaat Bayern – unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft sowie der Bekämpfung der Wett-sucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Wettmo-nopols andererseits hergestellt. Insbesondere macht es deutlich, „dass ge-rade nicht verlangt [wird], dass der vom Bundesverfassungsgericht in sei-nem Urteil vom 28.03.2006 formulierte Gesetzgebungsauftrag sofort umge-setzt wird.“

Demnach habe auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 19.10.2006 (Az.: 2 BvR 2023/06) eindeutig bestätigt, dass die bundesverfassungsgerichtlich gemachten Vorgaben erst am Ende der bis zum 31.12.2007 laufenden Übergangsfrist durch die gesetzlichen Neu-regelung erfüllt sein müssen.

Damit ist klar, dass die Umsetzungen keineswegs unmittelbar erfolgen müssen, sondern dass in der Übergangszeit lediglich „damit begonnen werden muss“, das bestehende Wettmonopol konsequent an einer Be-kämpfung der Wettsucht und einer Begrenzung der Wettleidenschaft aus-zurichten.

In Anwendung der bundesverfassungsgerichtlichen Grundsätze stellt das VG Gelsenkirchen weiter fest, „dass das Land NRW in hinreichender Weise damit begonnen hat, die Maßgaben umzusetzen. (…) Das erforderliche Mindestmaß an Konsistenz ist vorliegend in NRW erreicht. (…) Die Werbe-aktivitäten des staatlichen Wettanbieters Oddset wurden in erkennbarer und spürbarer Weise reduziert. In Anbetracht der seit dem Urteil des Bun-desverfassungsgerichts verstrichenen Zeit von ca. sieben Monaten sind die angeordneten Maßnahmen einschließlich der Überwachung ihrer Befol-gung ausreichend, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die zulässige Beschränkung der Berufsfreiheit während der Übergangszeit zu genügen.“

Das VG Gelsenkirchen stellt in seinem Urteil zudem klar, dass auch das europäische Gemeinschaftsrecht es nicht gebietet, das nordrhein-westfälische Sportwettmonopol als unanwendbar anzusehen. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Beschränkungen der Dienst- und Niederlas-sungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerecht-fertigt sind sowie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätig-keit beitragen. So kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die vom Bun-desverfassungsgericht geschaffene Rechtslage und die Umsetzung der für die Übergangszeit geforderten Maßnahmen bewirkt, dass das in Deutsch-land bestehende staatliche Wettmonopol nicht mehr gegen Gemeinschafts-recht verstößt. Dabei berücksichtigt das Gericht aus europarechtlicher Sicht auch die Tatsache, dass nicht nur das Land NRW die Maßgaben des Bun-desverfassungsgerichts korrekt umsetzt, sondern dass dies grundsätzlich auch bundesweit der Fall ist. Anders als vereinzelt von Verwaltungsgerich-ten vertreten, kommt es aber nach Ansicht des VG Gelsenkirchen auf eine bundesweite Umsetzung der Maßgaben wohl nicht entscheidend an.

Auch aus den Vorgaben des EuGH in Sachen „Lindman“ ergeben sich nach Auffassung des VG Gelsenkirchen keine Bedenken gegen die Ge-meinschaftsrechtskonformität. Entgegen der klägerischen Ansicht verlange der EuGH nicht, dass dem nationalen Gesetzgeber vor Erlass eines die Dienstleistungsfreiheit beschränkenden Gesetzes eine Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der beschränkenden Maßnahme vorgelegen haben muss. Es sei vielmehr „ausreichend, dass sich das Bun-desverfassungsgericht bei seiner Entscheidung auf eine wissenschaftliche Untersuchung zu dem Gefahrenpotential einer Ausweitung der Sportwetten für suchtgefährdete Spieler gestützt“ habe.

Die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EGV ge-gen die Bundesrepublik Deutschland und andere Mitgliedsstaaten spiele ebenso wenig eine Rolle für das Verfahren. „Für die Frage, ob durch die vom Bundesverfassungsgericht geschaffene Rechtslage und deren Umset-zung in NRW und den übrigen Bundesländern eine gemeinschaftskonforme Regulierung des Wettspielmarktes erfolgt ist, gibt die Einleitung des Ver-tragsverletzungsverfahrens demnach nichts her“.

Auch die Schlussanträge des Generalanwalts Colomer in den verbundenen Rechtssachen „Placanica“ beziehen sich ausschließlich auf die spezifische Rechtslage in Italien und erlauben „keine Rückschlüsse für die vorliegende Frage einer verhältnismäßigen Begrenzung der Wettleidenschaft und Spielsucht“.

Insgesamt sieht das VG Gelsenkirchen auch aus diesen Gesichtspunkten keinen Anlass für die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EGV.

Schließlich bezweifelt das VG Gelsenkirchen, dass sich die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Wettvermittlerin überhaupt auf die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 49 EGV berufen kann. Insoweit folgt es dem OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss v. 28.09.2006, Az.: 6 B 10895/06), indem es feststellt, dass ein grenzüberschreitender Bezug der Vermittlungstätigkeit fraglich ist: „In dem Dreiecksverhältnis zwischen EG-ausländischem Buchmacher, dem deut-schen Wettvermittler und dem Wettkunden stellt die Wette eine grenzüberschreitende Korrespondenzdienstleistung des EG-ausländischen Buchma-chers dar, die dementsprechend auch von dessen Dienst- (und Niederlas-sungs-)freiheit umfasst wird. Was dagegen die Vermittlungstätigkeit im Verhältnis Vermittler und Kunde anbelangt, so besteht das einzig grenz-überschreitende Moment darin, dass der Vermittler die Ergebnisse seiner Tätigkeit in Form von Daten gewissermaßen per Tastendruck dem EG-ausländischen Buchmacher ins Ausland übermittelt.
Gegen den hinreichenden grenzüberschreitenden Bezug könnte ferner sprechen, dass die Gambelli-Entscheidung sich nur mit den Grundfreihei-ten des britischen Buchmachers und nicht mit denen des italienischen Vermittlers befasst und dass als Empfänger der Dienstleistung des Vermitt-lers die Wettkunden und nicht der Buchmacher genannt werden.“

Diese Frage lässt das VG Gelsenkirchen im Ergebnis aber dahinstehen, weil das Glücksspielrecht seiner Auffassung nach auf der Sekundärrechts-ebene nicht harmonisiert und auch aus dem Anwendungsbereich der ge-planten Dienstleistungsrichtlinie ausgeklammert wurde. Demnach ist nur auf die primäre Rechtsebene abzustellen, die den einzelnen Mitgliedstaa-ten einen Ermessensspielraum zur Gestaltung ihrer Glückspielpolitik ein-räumt. Das VG Gelsenkirchen stellt fest, dass sich „daraus […] die Absage an eine unmittelbare Geltung von Erlaubnissen eines Mitgliedstaates in an-deren Mitgliedstaaten im Glücksspielbereich ergibt“.

Insgesamt erteilt das VG Gelsenkirchen eine klare Absage an jedwede Veranstaltung privaten Glücksspiels im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Dieses Urteil ist richtungweisend für alle weiteren Genehmigungs- und/oder Feststellungsverfahren. Erstmalig wird in NRW durch ein Urteil in einem Hauptsacheverfahren klarstellt, dass nach nordrhein-westfälischem Recht die Betätigung eines privaten Glücksspielveranstalters auch in der Über-gangszeit nicht möglich ist und dass hierfür keine Genehmigung erteilt werden kann. Das VG Gelsenkirchen hat allerdings die Berufung an das OVG Münster zugelassen.