Wer kämpft gegen Windmühlen – die Monopolisten oder die privaten Sportwettenanbieter?

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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„Kampf der Windmühlen“ titelte am 19. 10. 2006 das Manager-Magazin in einem Bericht von Rita Syre über den Dow Jones Medien-Workshop zum Thema „Sportwetten am Wendepunkt?“. Syre vergleicht die Situation der Auflehnung des Staates gegen die Marktöffnung mit dem Kampf Don Quijotes gegen seine imaginären Feinde – die Windmühlen. Nicht zufällig wählt die Autorin diese literarische Metapher, denn es war der Präsident des TSV 1860 München, Stefan Ziffzer, der sich im Rahmen der Frankfurter Veranstaltung dieses Bildes bediente und wohl auch den meisten Beifall für seine treffende Wortwahl erntete. „Wenn wir am Staatsmonopol festhalten, wird das Geld über die Grenzen ablaufen“, sagt der gelernte Volkswirt, denn längst sei der Wettmarkt ein globaler Markt: „Der Staat führt wieder einmal einen Kampf gegen Windmühlen.“

Glaubt man den Monopolisten, so kämpfen weniger diese, sondern vielmehr die privaten Wettanbieter gegen Windmühlen. Denn die Sach- und Rechtslage stellt sich laut Ministerialrat Heinrich Sievers recht einfach dar. Dazu Syre: „Sievers, der beim hessischen Innenministerium für das Glücksspielwesen zuständig ist, heizt die Stimmung mit seinem Thesenpapier an. So stellt der Ministerialrat kompromisslos fest, dass nach dem Bundesverfassungsgerichtsentscheid die in Deutschland angebotenen privaten Sportwettangebote nicht nur „illegal“ sind, sondern diese privaten Angebote ein „beschönigendes Synonym“ für „kriminelle Sportwettangebote“ sind.“

In dem anderthalbseitigen Papier von Sievers heißt es weiter: „Nur unsolide Glücksritter aus Deutschland und dem EU-Ausland betätigen sich illegal in Deutschland.“ In die gleiche Kerbe schlug nur einen Tag später Erwin Horak (Präsident von Lotto Bayern) im Rahmen der Anhörung im Bayerischen Landtag zum Thema Sportwetten: So seien die Aufklärungs- und Werbebeschränkungen, die das Bundesverfassungsgericht dem staatlichen Monopolisten auferlegt habe, bereits jetzt erfüllt worden. Der mächtige ehemalige Pressesprecher des Bayerischen Finanzministeriums Horak, der nicht nur der Chef von Lotto Bayern und federführend für das staatliche Sportwettenangebot Oddset ist, sondern der auch für neun Spielbanken verantwortlich zeichnet, hält das Monopol vor dem Hintergrund der von seiner Lotto-Behörde umgesetzten Maßnahmen bereits jetzt für europarechtskonform. Die Rechtslage sei für alle neuen Fälle geklärt, also jene, die nach der Sportwetten-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 anhängig wurden (vgl. http://www.csu-landtag.de/binaer/statement_horak.pdf; das von RA Dr. Wulf Hambach in der Anhörung im Bayerischen Landtag eingebrachte Positionspapier zu Suchtgefahren bei Sportwetten und Glücksspielen, das in Kooperation mit der Londoner Remote Gambling Association erstellt wurde, kann hier heruntergeladen werden: http://www.csu-landtag.de/binaer/CSU.pdf).

Diese Ansicht vertrat auch der für Westlotto tätige Anwalt Dr. Manfred Hecker. Nachzulesen ist Heckers Auffassung in der Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht, in der er ausführt, dass mit der Entscheidung des BVerfG vom März 2006 der § 284 StGB nunmehr konsequent angewendet werden könne und dass Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit Europarecht ausgeräumt seien. In der Sportwetten-Entscheidung des BVerfG sei insbesondere eine Abkehr von der Entscheidung des BVerfG vom 27.04.2005 (1 BvR 223/05) zu sehen. Damals hatte das BVerfG festgestellt, dass die Frage der Vereinbarkeit des § 284 StGB mit Europarecht aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Zweifel im Zusammenhang mit EU-Buchmachern kaum ohne Vorlage an den EuGH geklärt werden könne. Diese Entscheidung könne, so Hecker, inzwischen „getrost als Makulatur bezeichnet werden“ (vgl. ZfWG 2006, S. 38).

Damit steht augenscheinlich Folgendes fest: Das Sportwettenmonopol ist bereits jetzt europarechtskonform und die Strafrechtsnorm des § 284 StGB kann angeblich zweifellos von allen Gerichten auf alle privaten Sportwettenveranstalter und -vermittler angewandt werden.

Nun die Gretchenfrage: Ist die Sach- und Rechtslage tatsächlich geklärt, kämpfen also die privaten Sportwettenanbieter gegen Windmühlen oder sind die Ausführungen der Monopolisten ein Sinnbild für ihren ausweglosen Kampf gegen die Windmühlen? Eine aktuelle Entscheidung, die der österreichische Wettveranstalter Wettcorner (vertreten durch Hambach & Hambach) am 12. Oktober 2006 vor dem Landgericht München I erstritten hat, spricht indes für Letzteres. Zum Hintergrund des Verfahrens führt das LG München I (Az. 5 Qs 32/06) aus:

„Nachdem das Bayerische Staatsministerium des Innern mit Bescheid vom 20.05.2005 den Antrag der Firma Wettcorner Software auf Feststellung, dass sie (Online-) Sportwetten über in Bayern ansässige Annahmestellen annehmen und an die in Österreich als Buchmacher lizensierte Firma weiter vermitteln darf, ebenso ablehnte, wie den Hilfsantrag auf Erteilung einer Genehmigung zur Vermittlung von Sportwetten an einen im EU-Raum lizenzierten Buchmacher für das Land Bayern, hob das Bayerische Verwaltungsgericht München nach entsprechender Klageerhebung am 07.06.2006 den Bescheid des Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 20.05.2005 auf und verpflichtete den Freistaat Bayern über den Antrag der Firma Wettcorner unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, das den Bescheid vom 20.05.2005 als europarechtswidrig erachtete. Gleichwohl untersagte das Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt München mit Bescheid vom 05.07.2006 der Firma Wettcorner die Annahme, Vermittlung und Veranstaltung von Sportwetten, weil die erforderliche Erlaubnis nicht vorliege.“ In dem (parallel) eingeleiteten Ermittlungsverfahren erließ das Amtsgericht München am 3.08.2006 einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss gegen die Münchner Wettcorner-Annahmestellen.

Zur Rechtswidrigkeit des Amtsgerichtbeschlusses führt das LG München I entgegen der oben zitierten Meinung von Hecker, Horak und Sievers aus, dass der Norm-Adressat des § 284 StGB, also die laut Sievers „unsoliden Glücksritter aus der EU“, auch nach der März-Entscheidung des BVerfG nicht erkennen könnten, ob sie sich trotz einer gültigen EU-Sportwettlizenz strafbar machen oder nicht. Es mache also rechtlich keinen Unterschied, ob eine Sportwettensachverhalt vor oder nach der Sportwetten-Entscheidung des BVerfG im März 2006 anzusiedeln sei. Entgegen der oben dargestellten Auffassung Heckers hält das LG München I die Grundsätze bzw. die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken des BVerfG in seiner Entscheidung vom April 2005 insofern für relevant, als sie gegen eine Anwendbarkeit des § 284 StGB auf lizenzierte Buchmacher aus anderen EU-Mitgliedstaaten sprächen.

Der Kampf des Staates gegen Windmühlen wird also bedauerlicherweise noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Bedauerlich deswegen, weil der Kampf den faden Beigeschmack der Unglaubwürdigkeit hat: Plötzlich, erst nach dem mahnendem Fingerzeig des BVerfG, geht es den Lottogesellschaften nicht mehr um das liebe Geld, sondern – dies allerdings auch nur bei den Sportwetten – um den Kampf gegen einen noch nicht erforschten Feind: die Sportwettsucht. Das es Wettsucht und andere Gefahren im Zusammenhang mit (Online-) Gambling gibt, darf ebenso wenig bestritten werden, wie die Pflicht des Gesetzgebers, den Verbraucher vor den nachzuweisenden Gefahren zu schützen. So hat ein Sprecher der britischen Ministerin für Kultur, Medien und Sport in einem Interview in der International Herald Tribune vom 27. Oktober 2006 betont, dass ein Totalverbot des privaten (Online-) Glücksspiels – wie in den USA – den Verbraucher in den unkontrollierbaren und kriminellen Untergrund treibe:

„We believe that tough regulation is a better approach than a free-for-all or prohibition,“ Anthony Wright, a spokesman for Tessa Jowell, the secretary for culture, media and sport, said Friday. „We will be looking to secure agreement to the principles for international standards of regulation.“ Wright’s comments echo remarks attributed to Jowell that were reported in The Financial Times on Friday. She, too, alluded to the U.S. prohibition of alcohol from 1920 to 1933, saying the move to ban online gambling could lead to the creation of „modern-day speakeasies,“ driving Internet gambling underground and into the control of criminals.

Fazit: Nicht die (kontrollierte) Marktöffnung, sondern ein totales Verbot von privatem (Internet-) Glücksspiel in Deutschland, wäre eine unsolide Lösung. Denn letzteres würde nur die illegalen (nicht-lizenzierten) und die staatlichen Glücksritter bevorteilen. Die Buchmacher aus EU-Mitgliedstaaten und der Verbraucherschutz blieben außen vor.