Freier Dienstleistungsverkehr: Kommission untersucht Beschränkungen der Veranstaltung bestimmter Glücksspiele in Österreich, Frankreich und Italien

Brüssel, den 12. Oktober 2006

Die Europäische Kommission hat beschlossen, Österreich, Frankreich und Italien offiziell um Auskünfte über ihre nationalen Rechtsvorschriften zur Beschränkung des Angebots bestimmter Glücksspiele zu bitten. Im April 2006 hatte die Kommission ähnliche Auskunftsersuchen an Dänemark, Finnland, Deutschland, Ungarn, Italien, die Niederlande und Schweden gerichtet (IP/06/436). Die Kommission möchte auch in diesen neueren Fällen prüfen, ob die besagten Maßnahmen mit Artikel 49 EG-Vertrag vereinbar sind, der den freien Dienstleistungsverkehr garantiert. Die Untersuchung der Kommission beschränkt sich auf die Vereinbarkeit der fraglichen einzelstaatlichen Maßnahmen mit dem geltenden Gemeinschaftsrecht. Sie betrifft nicht die Existenz von Monopolen als solchen oder die nationalen Lotterien. Noch berührt sie die Liberalisierung der Märkte für Glücksspiele allgemein oder die Befugnis der Mitgliedstaaten, das öffentliche Interesse zu schützen, solange das Gemeinschaftsrecht dabei gewahrt bleibt, d.h. soweit alle Maßnahmen notwendig, angemessen und nicht diskriminierend sind. Die Aufforderungsschreiben stellen die erste Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 226 EG-Vertrag dar. Die betreffenden Mitgliedstaaten verfügen zur Äußerung über eine Frist von zwei Monaten. Die Kommission hofft, dass infolge der Antworten die Angelegenheit rasch in befriedigender Weise beigelegt werden kann. Daneben veröffentlicht die Kommission die Ergebnisse einer groß angelegten Studie, die in ihrem Auftrag vom Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung angefertigt wurde. Diese Studie verschafft erstmals einen Überblick über die rechtliche Regelung des Glücksspielbetriebs in den Mitgliedstaaten der EU. Sie enthält ferner erste Aussagen zur wirtschaftlichen Entwicklung dieses Sektors.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes müssen Beschränkungen des Glücksspiels aus Gründen des Allgemeininteresses (z.B. Verbraucherschutz) so erfolgen, „dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen“. Ein Mitgliedstaat kann sich aber nicht auf die Notwendigkeit zur Beschränkung des Zugangs der Öffentlichkeit zu Glücksspielen berufen, wenn er gleichzeitig die Bürger zur Teilnahme an staatlichen Glücksspielen oder an Wetten, die von einem staatlichen Betreiber oder einem Monopolinhaber veranstaltet werden, anreizt und ermuntert.

Den Beschluss, die Vereinbarkeit der fraglichen Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht zu prüfen, fasste die Kommission aufgrund von Beschwerden einer Reihe von Veranstaltern sowie gestützt auf die von ihren Dienststellen eingeholten Informationen.

Charlie McCreevy, für den Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständiges Mitglied der Europäischen Kommission, erklärte hierzu: „Bereits im April habe ich darauf hingewiesen, dass die Kommission durch den EG-Vertrag dazu verpflichtet ist, die vollständige Vereinbarkeit des einzelstaatlichen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht sicherzustellen. Wir nehmen diese wichtige Aufgabe sehr ernst. Bei der Kommission sind zahlreiche Beschwerden von Glücksspielveranstaltern eingegangen, und ich habe stets meine Absicht bekundet, die Ermittlungen fortzusetzen. Deshalb wurde beschlossen, bei den betreffenden Mitgliedstaaten weitere Erkundigungen einzuholen. Wie ich bereits feststellte, ist der Kommission durchaus bewusst, dass die Glücksspielproblematik in einigen Mitgliedstaaten eine sensible Angelegenheit ist; die Kommissionsdienststellen haben dies gegenüber den sieben Mitgliedstaaten, mit denen das Thema bereits erörtert wurde, auch deutlich gemacht. Aber ich bin andererseits besorgt über die Rechtsunsicherheit, denen die Sportwettenveranstalter der EU und andere Beteiligte ausgesetzt sind. Ich weise erneut darauf hin, dass wir mit den Aufforderungsschreiben keinerlei Liberalisierung des Glücksspielmarktes anstreben. Wir möchten lediglich gewährleisten, dass alle nationalen Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht vollständig vereinbar sind oder damit in Einklang gebracht werden.“

Österreich

Die Kommission hat die österreichische Regierung um Auskunft zu nationalen Rechtsvorschriften ersucht, die Werbung für in anderen Mitgliedstaaten zugelassene und niedergelassene Spielbanken verbieten. Daneben befürchtet die Kommission, dass die Sorgfaltspflicht der Spielbanken, die zum Schutz österreichischer Glücksspielteilnehmer vor übermäßigen Spielverlusten durch die betreffenden Rechtsvorschriften begründet wird, für ausländische Spieler nicht gilt. Eine derartige Regelung kann daher in Bezug auf den Schutz von Glücksspielteilnehmern als Empfänger von Dienstleistungen diskriminierend sein.

Frankreich

Die Kommission hat Frankreich eine Reihe von Fragen zu bestimmten Beschränkungen von Sportwetten gestellt, die von Veranstaltern mit Zulassung und Niederlassung in anderen Mitgliedstaaten im Fernabsatz angeboten werden. Sie hat Bedenken in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der von Frankreich getroffenen Maßnahmen, wodurch den in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Glücksspielveranstaltern zum Schutz der Verbraucher vor Spielsucht der Zugang zum französischen Markt für Sport- und Pferdewetten verweigert wird, während dieser Markt anscheinden stetig expandiert und das Wettangebot sowie die Möglichkeiten zu dessen Wahrnehmung kontinuierlich zunehmen.

Italien

Die Untersuchung der italienischen Beschränkungsmaßnahmen konzentriert sich wie im Falle Frankreichs auf das im Fernabsatz erbrachte Glücksspielangebot von Veranstaltern, die in anderen Mitgliedstaaten zugelassen sind und deren Reglementierung unterliegen. Die Kommission befürchtet insbesondere, dass neuere italienische Rechtsvorschriften, die den Zugang zu den Webseiten rechtmäßig zugelassener europäischer Veranstalter unterbinden, eine unverhältnismäßige Beschränkung darstellen. Die Kommission hat die italienische Regierung ersucht, die Verhältnismäßigkeit der betreffenden Maßnahmen insbesondere vor dem Hintergrund des expandierenden Sportwettenmarkts, der offenbar inländischen Veranstaltern vorbehalten ist, zu erläutern.

Glücksspiel-Studie

Die Kommission hat das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung damit beauftragt, eine Studie über den Glücksspielsektor zu erstellen, um einen detaillierten Überblick über die rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte des Glücksspiels zu erhalten. Diese Studie ist das Ergebnis nahezu zweijähriger Arbeit; darin werden die einzelstaatlichen rechtlichen Regelungen des Glücksspielbetriebs in den Mitgliedstaaten der EU analysiert. Die Studie bestätigt, dass der Glücksspielsektor in allen Mitgliedstaaten Vorschriften und Regeln unterliegt, die auf die Wahrung des Allgemeininteresses ausgerichtet sind. Die nationalen Regelungen verfolgen zwar im Wesentlichen vergleichbare Ziele, unterscheiden sich aber dennoch erheblich und schaffen Hindernisse für den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit, die nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind.

Die Studie kann unter folgender Adresse abgerufen werden:

Studie

Aktuelle Informationen zu allen anhängigen Vertragsverletzungsverfahren stehen Ihnen auf folgender Website zur Verfügung:

Vertragsverletzungsverfahren