Dienstleistungsfreiheit für Glücksspiele: Weitere Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich, Italien und Österreich

Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Arendts Rechtsanwälte
Perlacher Str. 68
D - 82031 Grünwald (bei München)
Glücksspieldienstleistungen stellen einen Milliardenmarkt dar. Dieser ist allerdings angesichts rechtlicher Barrieren immer noch sehr stark national und regional fragmentiert und von einem Binnenmarkt derzeit weit entfernt. Für eine Durchsetzung der Dienstleistungsfreiheit auch in diesem Wirtschaftsbereich setzt sich der Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy ein. Die Europäische Kommission hatte bei dem Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung eine umfangreiche Studie hinsichtlich der einen tatsächlichen Binnenmarkt verhindernden Barrieren in Auftrag gegeben, deren Endfassung nunmehr veröffentlicht worden ist („Study of Gambling Services in the Internal Market of The European Union“).

Bereits am 4. April 2006 hatte die Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Dänemark, Finnland, Deutschland, Ungarn, Italien, die Niederlande und Schweden eingeleitet (IP/06/436) und als ersten formellen Schritt Anhörungsschreiben an die Regierungen geschickt. Diese haben zwischenzeitlich innerhalb der vom EG-Vertrag vorgesehenen Frist von zwei Monaten Stellung genommen, Deutschland etwa durch ein von den Länderregierungen diktiertes Schreiben. Bei einer nicht aufzulösenden unterschiedlichen rechtlichen Beurteilung werden diese Fälle vom Europäischen Gerichtshof geklärt werden müssen. Eine begründete Stellungnahme der Kommission dürfte bald vorliegen.

Am 12. Oktober 2006 hat die Europäische Kommission nunmehr auchVertragsverletzungsverfahren gegen Österreich, Frankreich und Italien eingeleitet (IP/06/1362). Betroffen sind jeweils unterschiedliche Aspekte der Dienstleistungsfreiheit:

Hinsichtlich Österreichs geht es um Werbung für ausländische Spielbanken und um eine ggf. diskriminierende Behandlung ausländischer Spieler, für die die Sorgfaltspflicht der österreichischen Spielbanken nicht gilt.

Bei Frankreich geht es vor allem um die Abschottung des französischen Marktes für Sport- und Pferdewetten trotz deutlicher Expansion des Marktes. Anlass könnte hier die kürzlich erfolgte Verhaftung der beiden bwin-Vorstände gewesen sein.

Bezüglich Italiens geht es ebenfalls um grenzüberschreitend angebotene Glücksspieldienstleistungen von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Anbietern. Die Kommission geht dem Vorwurf nach, dass der Sportwettenmarkt unzulässig inländischen Veranstaltern vorbehalten bleibt. Besonderheit bei Italien sind neue Rechtsvorschriften, mit denen der Zugang zu Webseiten ausländischer Veranstalter unterbunden werden soll.

Die Existenz von Monopolen an sich ist (noch) kein Gegenstand der im April 2006 und jetzt eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren. Der EFTA-Gerichtshof wird allerdings bald grundsätzlich über dieBerechtigung von Monopolen im Glückspielbereich entscheiden dürfen (vgl. Sportwettenrecht aktuell Nr. 44). Monopole haben allerdings dasgrundsätzliche Problem, dass sie meist per se gegenüber allen anderen (potentiellen) Anbietern diskriminierend sind. Auch ist ein Monopol häufig nicht verhältnismäßig, da zulässige Schutzzwecke wie Verbraucher-und Jugendschutz ohne Probleme auch mit milderen Mitteln (Wirtschaftsverwaltungsrecht) gewährleistet werden können und fiskalische Gründe nicht im Vordergrund stehen dürfen.

Mit weiteren Vertragsverletzungsverfahren ist nach Auswertung der eingangs erwähnten Studie zu Glücksspieldienstleistungen aus meiner Sicht zu rechnen. Der Europäische Gerichtshof wird sich in den nächsten Jahren noch mit vielen Sportwetten- und Glücksspiel-Verfahren beschäftigen dürfen.