Sportwettkonzessionen: Auch VG Hamburg hält Auswahlentscheidung für rechtswidrig

Ein Artikel von Rechtsanwalt Dr. Thomas Bartholmes

Die ursprünglich für den 18. September 2014 geplante Vergabe von Konzessionen an zwanzig ausgewählte Bewerber durch das Hessische Ministerium des Innern und für Sport ist nunmehr auch durch das Verwaltungsgericht Hamburg untersagt worden, nachdem bereits zuvor die hessischen Verwaltungsgerichte Wiesbaden und Frankfurt/M. entsprechende Beschlüsse erlassen hatten.

In einem vom Verfasser dieses Artikels für die Bewerbergemeinschaft ISIK & Top Goal Sports geführten Eilverfahren wurde dem Ministerium mit Beschluß vom 29.6.2015 (4 E 4214/14) antragsgemäß im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung des Gerichts über die Hauptsacheklage 4 K 4197/14 untersagt, ausschließlich an Mitbewerber Konzessionen nach §§ 10a, 4a GlüStV zu erteilen. Das VG Hamburg hält es für hinreichend wahrscheinlich, daß die Auswahlentscheidung des Ministeriums die Vorgaben des GlüStV verletzt, und nicht ausgeschlossen werden könne, daß der Bewerbergemeinschaft im Falle einer fehlerfreien Wiederholung des Konzessionsverfahrens (die es für notwendig hält) eine Konzession erteilt werden müßte.

Das VG Hamburg stützt sich dabei auf Umstände, die in den Beschlüssen der hessischen Gerichte bislang noch keine bzw. nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatten: nämlich die Gewichtung der verschiedenen Auswahlkriterien in der Bewertungsmatrix und sodann den Umgang mit dem Antrag eines bestimmten Bewerbers, dessen Name in den vorgelegten Akten geschwärzt ist (mutmaßlich die staatlich beherrschte ODS Oddset Deutschland Sportwetten GmbH). Beanstandet wird zum einen, daß die fünf staatsvertraglichen Ziele mit völlig unterschiedlichen Gewichtungen in die Auswahlentscheidung eingegangen sind, wobei der Gesichtspunkt der Schwarzmarktbekämpfung die 2,25fache Gewichtung hat wie der Gesichtspunkt des Schutzes der Integrität des sportlichen Wettbewerbs (Bekämpfung von Spielmanipulationen). Zum anderen wird, insoweit im Einklang mit dem VG Wiesbaden, beanstandet, daß die Beschlußfassung des Glücksspielkollegiums zu wesentlichen Fragen der Auswahlentscheidung nicht den Vorgaben des GlüStV entsprochen habe. Insbesondere fehle es an einer Begründung für den ablehnenden Beschluß des Glücksspielkollegiums über den Antrag, einen der 20 bestplazierten Bewerber wegen Verstoßes gegen § 21 Abs. 3 GlüStV von der Konzessionserteilung auszuschließen. Der Niederschrift ließen sich weder die Gründe für den ablehnenden Beschluß noch diejenigen für den Antrag entnehmen. Mangels Begründung des Beschlusses sei das Gericht außer Stande, auch nur im Ansatz nachzuvollziehen, welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen für bzw. gegen die Annahme eines Verstoßes gegen das Trennungsgebot gemäß § 21 Abs. 3 S. 1 GlüStV gesprochen haben könnten. Es sei noch nicht einmal nachvollziehbar, ob und inwiefern überhaupt rechtliche Überlegungen angestellt worden seien. Aus den dem Gericht vorgelegten geschwärzten Unterlagen sei noch nicht einmal ersichtlich, um welchen Bewerber es sich handele.

Das Land Hessen und die 20 bestplazierten Bewerber haben die Möglichkeit, gegen den Beschluß Beschwerde einzulegen. Die Konzessionsvergabe kann in der vorgesehenen Form erst erfolgen, wenn sowohl diese Beschwerde als auch die Beschwerden gegen entsprechende Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Wiesbaden und Frankfurt/M. Erfolg haben sollten. Der Beschluß des VG Hamburg schließt, anders als die hessischen Beschlüsse, eine Konzessionsvergabe unter Einschluß der Bewerbergemeinschaft ISIK & TGS Top Goal Sports nicht aus.

Die Bilanz der bisherigen Rechtsschutzverfahren um die Konzessionsvergabe ist für das Land Hessen verheerend: Die Eilanträge der Bewerber mit geringem Abstand zu Platz 20 (hier: ISIK & Top Goal Sports auf Rang 22) hatten durchweg Erfolg (zuvor bereits VG Wiesbaden, Beschl. v. 5.5.2015, 5 L 1453/14.WI zu Betkick/Rang 21). Dabei ist die eigentliche Punktvergabe bislang noch nicht einmal anhand der Verfahrensakten überprüft worden. Unter den Gerichten umstritten ist lediglich, ob auch Bewerber, die im Ranking weit abgeschlagen liegen, die Mindestanforderungen an eine Konzession nicht nachgewiesen haben oder gar schon auf der ersten Stufe gescheitert sind, gleichwohl verlangen können, daß eine Konzessionsvergabe an die Bestplazierten unterbleibt. Dies wird von einigen Gerichten verneint (VG Berlin, OVG Berlin-Brandenburg, VG München, tendenziell auch VG Gelsenkirchen), wobei (mit Ausnahme des VG München) der Ablauf des Verfahrens in der zweiten Stufe nicht geprüft worden ist und den Gerichten wohl auch unbekannt war (ebenso wie der Öffentlichkeit). Andere Gerichte (VG Frankfurt/M., VG Wiesbaden) bejahen dies. Noch kein Gericht hat bislang angenommen, daß das Verfahren in Gänze, d.h. einschließlich der Prüfung der Mindestanforderungen sowie der Punktvergabe, korrekt abgelaufen wäre.

Besondere Erwähnung verdient der (zu vermutende) Umstand, daß anscheinend gerade der Umgang der Ländervertreter im Glücksspielkollegium mit der Bewerbung der staatlichen ODS nunmehr die Konzessionsvergabe verzögert, wodurch sich perfiderweise zugleich die bisherige Monopolstellung der Anteilseigner der ODS, nämlich der Lottogesellschaften, auf unabsehbare Zeit verlängert. Der Konzessionsvergabe an die ODS haben Vertreter von 13 der 16 Länder im Glücksspielkollegium zugestimmt, obwohl, wie es den Anschein hat, eine größere Anzahl von Ländervertretern diese Bewerberin für nicht konzessionsfähig gehalten hat oder zumindest Bedenken hatte.

Fragt man nun zusammengefaßt nach den Ursachen, wieso nach inzwischen vollen drei Jahren Geltungsdauer des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags immer noch keine Konzessionen für Sportwetten vergeben sind, stellt man fest, daß praktisch alle von den Gerichten gerügten Mängel nicht schon durch die Gesetzeslage bedingt sind, also auf exekutivischer Ebene hätten vermieden werden können, andererseits jedoch eine deutlich detailliertere Regelung der Sportwettkonzessionsvergabe im Staatsvertrag selbst nicht nur für mehr Transparenz gesorgt, sondern auch die nunmehr aufgetretenen Probleme ausgeschlossen hätte. So wäre es den Ländern möglich gewesen, bereits im Staatsvertrag selbst alle Mindestanforderungen sowie sämtliche Wertungskriterien („K-Kriterien“) und deren konkrete Gewichtung festzulegen, wodurch diese auch allen Interessierten im Zeitpunkt der Ausschreibung (und sogar schon vorher) bekannt gewesen wären. Wenn die Länder unbedingt gewollt hätten, daß auch die Lottogesellschaften mit Sportverbänden als Minderheitsgesellschafter sich direkt oder indirekt um Konzessionen bewerben können, hätte es sich angeboten, das Trennungsgebot in § 21 Abs. 3 S. 1 GlüStV anders zu formulieren.

Es muß zudem festgehalten werden, daß bei zügiger Durchführung des Konzessionsvergabeverfahrens, das bis zur eigentlichen Auswahlentscheidung über zwei Jahre dauerte, inzwischen die Eilrechtsschutzverfahren auch in der Beschwerdeinstanz längst abgeschlossen und Konzessionen, gegebenenfalls im Rahmen eines Wiederholungsverfahrens, mutmaßlich längst vergeben worden wären.

Lediglich in einem Punkt haben die Verwaltungsgerichte Wiesbaden und Frankfurt/M. normative Mängel angedeutet: nämlich in Bezug auf die Stellung des Glücksspielkollegiums. Es ist somit nicht auszuschließen, daß auch jeder weitere Versuch eines Konzessionsvergabeverfahrens, ohne vorherige Änderung des Staatsvertrags, an diesem Punkt scheitern würde.

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