Aufregung um das österreichische Glücksspielmonopol

Von RA Dr. Walter Schwartz, Schwartz und Huber-Medek Rechtsanwälte oeg, Wien

Das österreichische Glücksspielmonopol

Wie in den meisten europäischen Ländern ist auch der österr Glücksspielmarkt durch das Bestehen eines staatlichen Glücksspielmonopols geprägt. Das Glücksspielgesetz 1989 (GSpG) unterwirft grundsätzlich alle entgeltlichen Spiele, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängen, dem Glücksspielmonopol des Bundes. Die Durchführung solcher Spiele ist nur dem gestattet, der über eine – vom Bundesminister für Finanzen mit Bescheid zu erteilende – Konzession verfügt.

Die Möglichkeiten, eine solche Glücksspielkonzession zu erlangen, sind freilich spärlich: Das GSpG sieht nur eine einzige Lotterienkonzession (betreffend Lotto, Toto, Zusatzspiel, Sofortlotterien, Klassenlotterie, Zahlenlotto, Nummernlotterien, Bingo und Keno, elektronische Lotterien) und nur zwölf Konzessionen zum Betrieb jeweils einer Spielbank vor; erstere ist an die Österreichische Lotterien GmbH (ÖLG), letztere sind samt und sonders an die Casinos Austria AG (CASAG) – zwei Unternehmen, die gesellschaftsrechtlich miteinander verflochten sind – vergeben.

Monopolexempte Bereiche

Andere private Unternehmen haben dagegen nur wenig Gelegenheit, am österreichischen Glücksspielmarkt teilzunehmen: Eine Möglichkeit ist das Anbieten von Sportwetten. Diese sind – anders als in Deutschland – grundsätzlich nicht Teil des Glücksspielmonopols des Bundes und dürfen mithin aufgrund der Buchmachergesetze der einzelnen Bundesländer veranstaltet werden. Eine andere Möglichkeit ist das Aufstellen von Glücksspielautomaten. Soweit dabei pro Spiel nicht mehr als EUR 0,50 gesetzt und nicht mehr als EUR 20,00 gewonnen werden kann, ist dieses „kleine Glücksspiel“ vom Bundesmonopol ausdrücklich ausgenommen und der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer überantwortet. Während die meisten Bundesländer dieses „kleine Glücksspiel“ ausdrücklich verboten haben, ist das Aufstellen solcher (einsatz- und gewinnbeschränkter) Glücksspielautomaten in Wien, Kärnten und die Steiermark zulässig.

Öffnung in Niederösterreich

In diesen beschaulich monopolisierten Markt ist jetzt jedoch plötzlich Bewegung gekommen: Im Jänner 2006 hat sich die NOVOMATIC AG – einer der weltweit führenden Hersteller von Glücksspielautomaten mit Sitz im niederösterreichischen Gumpoldskirchen – vor dem Verwaltungsgerichtshof das Recht erstritten, in Niederösterreich bis zu 2500 Glücksspielautomaten aufstellen zu dürfen. Das Land Niederösterreich hat auf diese neue Judikatur reagiert und sein landesgesetzliches Verbot des „kleinen Glücksspiels“ aufgehoben; innerhalb bestimmter Grenzen und unter strengen Auflagen (Jugend- und Spielerschutz, finanzielle Leistungsfähigkeit) sollen Private Konzessionen zum Betrieb von Automatencasinos erhalten können.

Für den Platzhirschen CASAG, deren insgesamt 1810 – weder einsatz- noch gewinnbeschränkter – Glücksspielautomaten 69% des Gesamteinspielergebnisses der zwölf Spielbanken erlösen, bedeutete der Fall des „Bollwerks Niederösterreich“ eine mittlere Katastrophe. Mehr noch als der zu befürchtende wirtschaftliche Nachteil musste es dabei geschmerzt haben, dass es der – traditionell gut lobbyierenden und perfekt vernetzten – Führungsebene der CASAG nicht gelungen ist, die Öffnung des großen niederösterreichischen Markts zu hintertreiben.

Die weitere Entwicklung

Das „Revanchefoul“ hat nicht lange auf sich warten lassen: Im Frühsommer 2006 wurde plötzlich ein Entschließungsantrag für eine Novellierung des GSpG lanciert, der das kleine Glücksspiel „aus Spielerschutzgründen“ gänzlichen verbieten wollte; das – weder einsatz- noch gewinnbeschränkte – „große Glücksspiel“ mit Spielautomaten in den Spielbanken der CASAG sollte davon freilich nicht betroffen sein.

Mit dieser Novellierung wäre nicht nur die Öffnung des niederösterreichischen Glücksspielmarkts konterkariert gewesen; mit einem Federstrich wären auch die – hinsichtlich des kleinen Glücksspiels: bereits liberalisierten – Märkte in Wien, Steiermark und Kärnten geschlossen worden. Allein für die Bundeshauptstadt Wien hätte dies den Verlust von Glücksspielabgaben in einem Ausmaß von mehr als EUR 50 Mio bedeutet. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die betroffenen Bundesländer eine solche Beschränkung des kleinen Glücksspiels in einer konzertierten politischen Aktion zu verhindern wussten.

Letzte Woche schließlich hat es erneut Aufregung ums österr Glücksspielmonopol gegeben: Kurz vor der letzten Plenarsitzung des Nationalrats wurde am 13.07.2006 bekannt, dass sich die Regierungsparteien auf eine Öffnung des Glücksspielmonopols verständigt hätten: Durch eine Novelle des GSpG solle es ermöglicht werden, eine zweite Internet-Konzession für Lotto, Roulette und Kartenspiele zu vergeben. Als aussichtsreichster Kandidat für diese neue Konzession wurde ein joint venture aus Telekom Austria AG und NOVOMATIC AG genannt. Diesmal waren es ÖLG und CASAG, die erfolgreich intervenierten und eine solche Öffnung ihres monopolistisch bewirtschafteten Markts im letzten Moment verhindern konnten.

Ergebnis und Ausblick

Die Ereignisse der letzten Wochen haben gezeigt: Die Nerven liegen blank! Die
legistischen Unzulänglichkeiten des GSpG verbunden mit den Veränderungen auf
gemeinschaftsrechtlicher Ebene („Gambelli“) und dem Erkenntnis über die
Verfassungswidrigkeit des deutschen Glücksspielmonopols haben deutlich gemacht, dass eine Totalrevision des – mit der deutschen Rechtslage durchaus vergleichbaren – österr Glücksspielmonopols unumgänglich ist. Es wird wohl auch das letzte Mal gewesen sein, dass die Lobbyisten von ÖLG und CASAG mit dem Schreckgespenst eines befürchteten Steuerausfalls die Deregulierung des österr Glücksspielmarkts verhindern konnten. Ein Blick auf den – nahezu vollständig freigegebenen – Sportwettenmarkt in Österreich zeigt nämlich, dass in den vergangenen Jahren mit der Entwicklung des Markts nicht nur die Umsätze, sondern auch die damit verbundenen Steuereinnahmen gleichsam explodiert sind. Der Sportwettenmarkt hat weiter gezeigt, dass ein ausgewogen liberalisierter und kontrollierter Markt die beste Gewähr dafür bietet, dass sich nationale Anbieter (die für die nötigen Steuereinnahmen sorgen) durchsetzen; man wettet halt doch lieber bei dem Anbieter, dessen Marke (und dessen Lokal ums Eck) man kennt.

Gezeigt hat sich aber auch noch etwas anderes: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wird im österr. Nationalrat und in der österr. Politik allen Ernstes über eine Öffnung des nationalen Glücksspielmarkts diskutiert. Diese Diskussion ist so plötzlich und so heftig gekommen und die diskutierte Liberalisierung war so nah an einer parlamentarischen Mehrheit, dass sie als Fanal für die bevorstehende Umgestaltung des österr. Glücksspielmonopols stehen mag. Sofern die EU dem österr. Gesetzgeber nicht zuvor kommt, wird sich dieser in der nächsten Legislaturperiode mit einer Totalrevision des GSpG auseinander setzen müssen. Meiner Einschätzung nach kann diese Totalrevision nur in die Richtung einer „Liberalisierung mit Augenmaß“ gehen.