Nach dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Alle hatten gehofft, dass die rechtliche Unsicherheit auf dem deutschen Sportwettenmarkt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) beendet würde. Sieht man sich die Rechtslage vor und nach der März-Entscheidung des BVerfG zum Sportwettenmonopol an, möchte man fast meinen, dass sich die Situation mit der Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts noch weiter verschlechtert hat.

Selbst Bundesjustizministerin Brigitte Zypries erklärte nach einem Bericht der Berliner Zeitung Monate nach der Entscheidung des BVerfG, es gebe viele Unsicherheiten hinsichtlich der Legalität privater Buchmacher. Deshalb sei „eine gefestigte Rechtspraxis bislang nicht ersichtlich“.

Bis zur Entscheidung des BVerfG sorgte dessen Bitte, zunächst keine Schließungsverfügungen zu vollstrecken, zumindest vorübergehend für eine gefestigte Rechtspraxis. Jetzt allerdings, wo jeder Beteiligte in Überzeugung seiner individuellen Auslegung des Urteils handelt, ist die Rechtslage für staatliche wie private Anbieter unüberschaubarer als zuvor. Allerdings zeichnet sich inzwischen eine Tendenz in Richtung Liberalisierung ab.

Zwar haben jüngst die Ministerpräsidenten der Länder beschlossen, am Monopol festzuhalten und bis zum 13. Dezember 2006 einen von allen Ministerpräsidenten zu unterzeichnenden neuen Staatsvertrag ins Leben zu rufen. Der Schein des einheitlichen und konsequenten Vorgehens trügt indes gewaltig: Vieles spricht nämlich dafür, dass es gar nicht erst zur wirksamen Verabschiedung eines Lotterie- und Sportwettenstaatsvertrages kommen wird. So haben Vertreter der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein bereits bekundet, dass sie das Monopol nicht für die geeignete Antwort auf die derzeit bestehende Situation halten. Auch in der Presse mehren sich die Stimmen, die sich für eine Liberalisierung aussprechen. Die eher konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) schrieb am 4. Juli zur Entscheidung der Innenministerkonferenz für das Monopol:

„Diese Entscheidung ist nicht nur falsch, sondern geradezu fatal. Statt an dem Monopol festzuhalten, wäre es endlich Zeit, auch private Anbieter – maßvoll und mit klaren Vorgaben etwa zum Jugendschutz oder zur finanziellen Absicherung – zum milliardenschweren Geschäft mit den Sportwetten zuzulassen. Denn die Wirklichkeit ist längst weiter als die Ministerpräsidenten: Das Monopol ist tot.“

Zu Recht wehrt sich daher auch die deutsche Medienwelt vehement und mutig gegen ein staatliches Sportwettenmonopol.

Die Medienhäuser Bild.T-Online, DSF Deutsches SportFernsehen, EM.TV, ProSiebenSat.1 Media AG, Premiere, RTL sowie bestwetten.de, ein Unternehmen der Burda-Gruppe, haben einen Arbeitskreis Wetten geformt und herausgestellt, dass der Beschluss der Ministerpräsidenten der Länder vom 22. Juni 2006 wichtige Sachverhalte nicht berücksichtigt:

1. Ein staatliches Wettmonopol ist nicht die einzige Möglichkeit, die Eindämmung und Kanalisierung der Wett- und Spielsucht sowie die Bekämpfung von Folge- und Begleitkriminalität zu erreichen. Diese Ziele lassen sich ebenso gut durch ein geordnetes Konzessionierungsmodell verwirklichen. Dies zeigt das Beispiel England.

2. Nur durch eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung von staatlichen und privaten Veranstaltern können sowohl die inhaltlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts als auch die fiskalischen Interessen der Länder erfüllt werden.

3. Ausländische Wettangebote sind im Internet vorhanden und können trotz eines staatlichen Wettmonopols ihre Dienste auch in Deutschland uneingeschränkt anbieten.

4. Eine rigide Einschränkung der Werbung für Sportwetten auf allen Ebenen wird dazu führen, dass die Umsätze für inländische staatliche Sportwettenanbieter drastisch sinken. Gleichzeitig profitieren ausländische Angebote von erheblichem Zuwachs.

5. Die Zunahme der Umsätze von ausländischen Wettanbietern führt zu sinkenden Einnahmen der Länder. Dadurch reduzieren sich automatisch die Mittel, die zur Förderung des Breitensports zur Verfügung stehen.

Aber nicht nur die Medienanbieter, sondern auch die Medienaufsichtbehörden rebellieren gegen ein voreiliges (rechtliches) Verbot der Werbung für private Sportwetten. So trafen sich am 03. Juli 2006 in Berlin Vertreter von ARD, ZDF, Landesmedienanstalten und privaten Rundfunkveranstaltern (VPRT) zu einem Gespräch über den Umgang mit der Fernsehwerbung für private Sportwetten. Hierbei verwiesen die Landesmedienanstalten darauf, dass ein Einschreiten gegenüber den privaten Rundfunkveranstaltern eine aufsichtliche Maßnahme und damit einen Eingriff in die Rundfunkfreiheit des jeweiligen Veranstalters darstelle, der einer eindeutigen Rechtslage bedürfe. Eine solche liege jedoch zur Zeit nicht vor. Der Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, Norbert Schneider, hat die Entscheidung, Werbung für Sportwetten nicht zu verbieten auch gegenüber der offensichtlich vom Gegenteil überzeugten Regierung in NRW verteidigt. In einem Brief an Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wehrte sich Schneider gegen den Vorwurf, nur wirtschaftliche Interessen der Privatsender zu schützen: «Dieser Vorwurf erreicht uns – was ich für besonders unanständig halte – ausgerechnet von Einrichtungen, die seit Jahrzehnten von Sportwetten gelebt und für sie geworben haben.» Aus rechtlicher Sicht warnte Schneider für den Fall eines Verbots vor Schadensersatzansprüchen der Fernsehanbieter.

Diese Warnung ist nur zu berechtigt, da nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ein Schadensersatzanspruch für entgangenen Gewinn bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht anerkannt ist. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2006 und der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission gegen Deutschland ist es offensichtlich, dass das staatliche Monopol europarechtswidrig ist.

Auch auf Bundesebene sind die Entwicklungen in Richtung einer Liberalisierung unübersehbar. Vor kurzem reichte die FDP-Bundestagsfraktion einen Antrag mit dem Inhalt ein, das Recht der Sportwetten neu zu ordnen um die Finanzierung des Sports und andere Gemeinwohlbelange zu sichern. Diese parallele Behandlung des Themas auf Bundes- und Landesebene mag überraschen; sie erklärt sich allerdings dadurch, dass das Bundesverfassungsgericht neben zahlreichen anderen Fragen auch offen gelassen hat, wer für eine Neuordnung des Sportwettenrechts zuständig ist. Nach den hier maßgeblichen Bestimmungen des Grundgesetzes können die Länder entsprechende Regelungen treffen, solange der Bund nicht von seinem Regelungsrecht Gebrauch macht.

Aktuell fordert nunmehr auch die Grünen-Fraktion im Bundestag die Regierung auf, zu den politischen Konsequenzen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum staatlichen Monopol für Sportwetten Stellung zu beziehen. In einer am 23. Juni 2006 eingereichten Kleinen Anfrage stellt die Fraktion 19 konkrete Fragen, die wir bereits teilweise unter Ziffer ii unserer Betting-Law-News beantworten. In diesem Vorschlagspapier zeigen RA Dr. Wulf Hambach und RA Dr. Michael Hettich auf, wie eine liberale Neuregelung des Sportwettenrechts auf Bundesebene aussehen könnte.

Ein weiterer Verbündeter gegen die Blockadehaltung der Länder sind die Sportverbände, denn auch sie fürchten längerfristig um den Fortfall der Fördermittel. Da wird das Recht scheinbar zum Nebenschauplatz, auf dem sich die privaten Anbieter zu Recht mit dem Hinweis auf Europarecht und Verfassungsrecht verteidigen. Doch auch auf diesem Feld haben die privaten Anbieter in letzter Zeit einige Erfolge erzielt: Neben zahlreichen erfolgreichen Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz und im Strafrecht hat das Verwaltungsgericht München – unter anderem im Fall eines von der Kanzlei Hambach & Hambach vertretenen Mandanten – entschieden, dass ein Anbieter von Sportwetten, der sich auf eine österreichische Lizenz beruft, grundsätzlich die Möglichkeit haben muss, auf dem deutschen Markt tätig zu werden (VG München, Urteil vom 7.06.2006, Az.: 16 K 05.2296). Schließlich hat sich jüngst das Verwaltungsgericht Köln gegen die nächsthöhere Instanz, das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen gestellt und entschieden, dass die Vermittlung von Sportwetten in das EU-Ausland zulässig ist (VG Köln, Urteil vom 6.07.2006, Az.: 1 K 9196/04). Das OLG Stuttgart hat kürzlich in einer Grundsatzentscheidung (Urt. v. 26.06.2006 – 1 Ss 296/05) angeführt, dass ein Wettbürobetreiber, der an einen EU-Buchmacher Wetten vermittelt, angesichts des in Deutschland vorherrschenden Rechtschaos nicht bestraft werden darf. In dem Urteil heißt es dazu:

„das Risiko einer extrem unklaren Rechtslage, wie sie hier von Behörden und Gerichten geschaffen wurde, [dürfe] nicht einseitig dem Normadressaten aufgebürdet werden. […] In einem Rechtsstaat darf nur ein Verhalten bestraft werden, das vorher für die Betroffenen als strafbares Unrecht erkennbar gewesen ist.“

Weiter heißt es in der Entscheidung:

„Der EuGH hatte in zwei Entscheidungen erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Strafbarkeit von Verstößen gegen das staatliche Wettmonopol geäußert, solange statt der Suchtprävention die willkommene Einnahmequelle im Vordergrund stehe.“

Fazit

Statt die Zeit darauf zu verwenden, das unaufhaltsam wegbröckelnde Monopol notdürftig zu zementieren – was wegen der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für keinen Beteiligten wirtschaftlich und ordnungsrechtlich Erfolg versprechend ist – wäre es jetzt vielmehr an der Zeit, sich Gedanken über eine allen Interessen gerecht werdende reglementierte Zulassung privater Anbieter neben den staatlichen zu machen.

Im nachfolgenden Artikel werden Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach und der im Glücksspielrecht promovierte Rechtsanwalt Dr. Michael Hettich einen Neuordnungsvorschlag darlegen.