BayVGH bestätigt erneut Unanwendbarkeit des GlüStV wegen des strukturellen Vollzugsdefizits

Ein Kurzbeitrag von Rechtsanwalt Rolf Karpenstein zum Urteil des BayVGH vom 02.04.2015

Nachdem das Verwaltungsgericht Wiesbaden mit Beschluss vom gestrigen Tage in der Rechtssache 5 L 1453/14. WI die unionsrechtlichen Defizite des auf dem GlüÄndStV beruhenden Konzessionsverfahrens in Bestätigung seines Beschlusses vom 16.4.2015 (5 L 1448/14. WI) erneut dezidiert aufgezeigt hat, wird kein aufrechter Staatsdiener auf den Gedanken kommen, der Erlaubnisvorbehalt des GlüÄndStV oder andere Beschränkungen und darauf beruhende Eingriffe der Exekutive könnten durch zwingende Erfordernisse des Gemeinwohls gerechtfertigt oder gar systematisch und kohärent sowie verhältnismäßig sein. Diese Einsicht haben zahlreiche Amtswalter ebenso wie viele Mitglieder der judizierenden Gewalt ohnehin seit Jahren gewonnen, auch wenn sie es ab und an verheimlichen.

Bundesweit wird deshalb seit Jahren in der Erkenntnis, dass die an den Staat gerichtete Verbotsnorm aus Art. 56 AEUV („Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs sind den Mitgliedstaaten verboten“) höherrangig ist, auf den Vollzug des GlüStV und des GlüÄndStV verzichtet. Die anwaltlichen Vertreter von Nordrhein-Westfalen haben diesen Vollzugsverzicht vor wenigen Monaten vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Nachfrage des Vorsitzenden des 8. Senats bestätigt und im Wesentlichen mit der – berechtigten – Angst der Amtswalter vor Schadensersatzansprüchen begründet.

Nunmehr hat durch Urteil vom 2.4.2015 (7 B 14.1961) auch der 7. Senat des VGH Bayern in dem Verfahren eines Fernsehsenders gegen die Landesmedienanstalt bestätigt, dass schon allein wegen des anhaltenden Vollzugsverzichts die Annahme ausscheidet, eine Verbotsverfügung könne durch zwingende Erfordernisse des Gemeinwohls gerechtfertigt, verhältnismäßig sowie systematisch und kohärent sein. Unter Bezugnahme auf die Kommentierung des Häuptlings aller deutschen Verwaltungsrichter erinnert der BayVGH daran, dass jede Untersagung als dauerhafter – und durch Art. 56 AEUV grundsätzlich verbotener – Eingriff ständig überprüft, also „unter Kontrolle zu halten“ ist (BayVGH, Rn. 29). Weil sich die staatlichen Stellen in der Vergangenheit an der streitgegenständlichen Fernsehwerbung nicht wirklich gestört haben, benachteilige die Aufrechterhaltung der Verbotsverfügung jedenfalls seit dem 30.1.2014 den Fernsehsender in unverhältnismäßiger Weise gegenüber anderen Rundfunkveranstaltern. Die Maßstäbe und Fakten, die das Bundesverwaltungsgericht schon in 8 C 36/12 (Spox) gegenüber dem BayVGH bestätigt hatte, kommen damit – völlig zu Recht – zur Anwendung. Die aufrechte Entscheidung des BayVGH hat daher Nachahmer verdient.

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