Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt weist Beschwerde eines privaten Sportwettanbieters wegen vermeintlicher Erlaubnisfreiheit der Vermittlung von Sportwetten eines DDR-Erlaubnisinhabers zurück

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat durch Beschluss vom 04.05.2006 (1 N 476/05) die Rechtsbeschwerde eines privaten Sportwettenanbieters zurückgewiesen, mit der dieser im Wege der einstweiligen Anordnung die Feststellung begehrte, keiner Erlaubnis für die Vermittlung von Sportwetten mit festen Gewinnquoten an einen in Berlin bzw. in Gibraltar lizenzierten Sportwettenveranstalter zu bedürfen.

In diesem Zusammenhang stellt das OVG Sachsen-Anhalt zunächst klar, dass § 13 Abs. 7 Glücksspielgesetz Sachsen Anhalt (GlüG LSA) einen Dispens von der Erlaubnispflicht für die Vermittlung im Auftrag eines Wettunternehmens (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GlüG LSA) nur vorsehe, wenn das Unternehmen, durch das die Sportwetten vermittelt werden, durch die Landesregierung zugelassen ist. Dies folge sowohl aus dem Wortlaut des Gesetzes als auch aus Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Regelung. Bereits das Gesetz über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Land Sachsen-Anhalt vom 16.08.1991 habe das Ziel verfolgt, das Glücksspiel um Geld einzudämmen und nur so viele Veranstaltungen zuzulassen, wie es zur Kanalisierung des Spieltriebs erforderlich war. Mit Hilfe des Glücksspielgesetzes sollte das Landesrecht an die Bestimmungen des Staatsvertrages zum Lotteriewesen angepasst werden, dessen Ziel es u.a. war, eine Ausnutzung des Spieltriebs zu privaten oder gewerblichen Gewinnzwecken auszuschließen (vgl. § 1 Nr. 3 LStV). Die Vermittlung von Glücksspielen, die nicht durch Wettannahmestellen i.S.d. § 5 GlüG LSA erfolgen, sollte mit Regelung des § 13 GlüG LSA unter einen Erlaubnisvorbehalt gestellt werden.

Dabei ging der Gesetzgeber des Landes Sachsen-Anhalt davon aus, dass eine solche Vermittlung nach bisherigem Recht grundsätzlich verboten war (vgl. LT-Drucks. 4/1836 vom 01.11.2004). Ausdrücklich weist das OVG auf die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt im Beschluss vom 28.03.2006 (LVG 2/02) hin, mit welcher ein Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden war. Die Antragstellerin hatte dort die Feststellung begehrt, dass als Wettunternehmen im Sinne des § 13 Abs. 7 GlüG LSA vorläufig auch eine in Gibraltar ansässige Firma gelten solle.

Schließlich ergibt sich nach Ansicht des OVG Sachsen Anhalt auch nicht aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 (I BvR 1054/01), dass ein gesetzlicher Erlaubnisvorbehalt für die Vermittlungstätigkeit im Auftrage nicht staatlich zugelassener Wettunternehmen gegen Verfassungsrecht verstößt. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei die gesetzliche Errichtung eines staatlichen Wettmonopols grundsätzlich ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht. Wörtlich heißt es in der Entscheidung:

„Auch Gemeinschaftsrecht gebietet es nicht, die Vermittlungstätigkeit der Antragstellerin von dem Erfordernis einer Erlaubnis nach § 13 Abs. 1 GlüG LSA freizustellen. Beschränkungen der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit nach Art. 43 und 49 GEV können nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie Verbraucherschutz, Verbrechensprävention, Schutz der öffentlichen Sittlichkeit und zur Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein. Maßnahmen, die auf derartige Gründe gestützt sind, müssten allerdings geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie „kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten mit beitragen (EuGH, Urteil vom 06.11.2003 – C 243/01 – „Gambelli“). Die Regelung eines Erlaubnisvorbehalts für die Vermittlung von Glücksspielen trägt diesen Anforderungen Rechnung. Sie dient – wie oben ausgeführt – insbesondere der präventiven Kontrolle des Wettvermittlers und der Vermittlungstätigkeit. Zur Wahrung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ist eine (generelle) Freistellung von der Erlaubnispflicht für die hier fragliche Vermittlung von Sportwetten nicht erforderlich.“

Das OVG Sachsen-Anhalt wies außerdem die Beschwerde hinsichtlich eines weiteren (Hilfs-)Antrages zurück, mit dem der Sportwettenvermittler die Verpflichtung der Behörde zur Erteilung einer vorläufigen Erlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss eines noch einzuleitenden Hauptsacheverfahrens begehrte. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass das OVG Sachsen-Anhalt mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 keinen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit durch die Beschränkung der Vermittlung von Sportwetten nach § 13 GlüG LSA sieht. Nach der Entscheidung der Karlsruher Richter führe selbst die – zur Zeit der Entscheidung am 28.03.2006 – festgestellte Unvereinbarkeit des in Bayern bestehenden staatlichen Wettmonopols mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zur Nichtigkeit der angegriffenen Normen. Das Bundesverfassungsgericht habe vielmehr die bisherige Rechtslage in einer Übergangszeit bis zum 31.12.2007 für grundsätzlich anwendbar erklärt und ausdrücklich entschieden, dass die Vermittlung von Wetten, die vom Freistaat Bayern veranstaltet werden, weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden darf.

Ausdrücklich lassen die sachsen-anhaltinischen Richter eine sogenannte DDR-Erlaubnis, die für das Land Berlin als Gewerbeerlaubnis erteilt worden war, nicht im Lande Sachsen-Anhalt gelten. Wörtlich heißt es:

„Selbst wenn man mit der Antragstellerin die bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 28.03.2006 bestehende konkrete Ausgestaltung der Regelung über die Vermittlung von Glücksspielen in Sachsen-Anhalt mit den Anforderungen an die verfassungsgemäße Ausgestaltung eines Wettmonopols für unvereinbar hält, so gebietet dies – ebenfalls in einer entsprechenden Übergangsphase zum 31.12.2007 – nicht, die Vermittlung von Glücksspielen für nicht in Sachsen-Anhalt erlaubte Veranstaltungen zuzulassen. Solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Ausrichtung des Wettmonopols an der Bekämpfung und Begrenzung der Wettleidenschaft in der Übergangszeit gestellt hat, nicht eingehalten werden, bedarf es keiner einstweiligen Anordnung, mit der die Vermittlung von Glücksspielen auch für nicht im Land Sachsen-Anhalt erlaubte Veranstaltungen zugelassen wird.“

Auch das Europarecht gebietet nach Ansicht des OVG Sachsen-Anhalt keine andere Beurteilung, weil unmittelbar nach Verkündung des verfassungsgerichtlichen Urteils umfangreiche Maßnahmen hinsichtlich der Bekämpfung der Wettsucht und Begrenzung der Wettleidenschaft von Seiten der staatlichen Anbieter aufgestellt worden seien. Angesichts der erheblichen Einschränkungen für Oddset-Wetten, insbesondere der Werbung und des Wettangebots, etwa durch den Verzicht auf Fernseh- und Bandenwerbung, der Umstellung auf informative Werbung, der Einstellung von SMS-Wetten und Wetten in Fußballstadien, rechtfertige sich die Prognose, dass die staatliche Ausgestaltung des Wettmonopols auch den Anforderungen gerecht werde, die innerhalb der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 06.11.2003, a.a.O.) zur Rechtfertigung von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs maßgeblich sind. Damit liege ein Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht, der eine (teilweise) Nichtanwendung von Vorschriften des Glücksspielgesetzes – im Wege der einstweiligen Anordnung – erfordern könne, jedenfalls derzeit nicht vor.