Nur Schnurlos oder wirklich mobil?

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Auf Umwegen zum Mobile Gaming – Entwicklungen in Nevada/USA, Großbritannien und Deutschland

RA Dr. Wulf Hambach und RA Dr. Hendrik Schöttle, Hambach & Hambach

Dass der M-Commerce ein ziemlich großes Entwicklungspotenzial besitzt, hat sich inzwischen herumgesprochen (wir berichteten in BLN 09|2005); gerade dem Mobile Gaming werden erhebliche Wachstumschancen eingeräumt. Sieht man sich einmal näher an, was inzwischen alles „Mobile Gaming“ genannt wird, drängt sich der Eindruck auf, dass der Begriff inzwischen ebenso schillernd, bunt und konturlos ist, wie das Schlagwort „Multimedia“ in den 90er Jahren.

Telefon? Nicht wirklich neu

Das Geschäftsmodell, Wetten telefonisch anzunehmen, ist nicht wirklich neu. Doch gleich von Mobile Gaming zu sprechen, nur weil dem Kunden inzwischen der Griff zum Handy möglich ist, geht wohl etwas an der Sache vorbei. Zwar ist zuzugeben, dass der Rechtsrahmen, in dem sich die telefonischen Anbieter bewegen, in großen Teilen mit dem übereinstimmt, was für Anwendungen auf Handy, PDA und Smartphone gilt. Allerdings unterscheidet das telefonische Konzept eben gerade nicht zwischen Festnetz- und Mobiltelefonie. Ob der Spieler Zuhause vorm Fernseher oder in der Westkurve im Stadion eine Wette auf das Spiel seines Vereins abgeben will, macht keinen Unterschied – außer vielleicht, was das bessere Verständnis im ruhigen Wohnzimmer angeht.

Mobile Gaming einmal anders verstanden…

Doch auch wenn die üblichen High-Tech-Komponenten wie PDA oder Pocket-PC zum Einsatz kommen, muss nicht unbedingt das dabei herauskommen, was man sich unter Mobile Gaming vorstellt. Im US-Bundesstaat Nevada wurde im letzten Jahr die Assembly Bill No. 471 erlassen, die auch als „Mobile Gaming Bill“ bekannt geworden ist (siehe dazu auch den Artikel „Nevada Takes On Mobile Gaming“ von Anthony Cabot im Casino Lawyer, Winter 2005). Was der dortige Gesetzgeber unter Mobile Gaming versteht, lässt er im zweiten Abschnitt der Vorschrift durchblicken:

„Mobile gaming“ ist die Veranstaltung von Glücksspielen auf Kommunikationsgeräten, die ausschließlich in öffentlichen Bereichen von Betrieben durchgeführt werden, welche eine unbeschränkte Glücksspiellizenz innehaben und mindestens 100 Slot Machines betreiben […].

Dass das so beschriebene Mobile Gaming nur wenig mit echter Mobilität zu tun hat, liegt auf der Hand. Durch die örtliche Beschränkung auf öffentliche Bereiche von Casinos, in denen ohnehin schon genug Spielautomaten zur Verfügung stehen (Hotelzimmer in demselben Casino sind bereits von der Regelung ausgenommen), ist das realisierbare Konzept weder besonders innovativ, noch erschließt es neue Märkte. Hinzu kommt, was allerdings zu begrüßen ist, dass eine wirksame Altersverifikation durchzuführen ist, die Minderjährigen den Zugang verwehrt. Wie die räumliche Beschränkung und die Altersverifikation technisch umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Sollte die beim Spieler vorhandene „Hardware“ – sein Mobiltelefon etwa – nicht ausreichen, sind eigene Entwicklungen erforderlich. Möglicherweise ist am Ende nur ein nettes Gadget realisierbar, welches das Casino seinen Gästen in die Hand drücken kann, um es am Ende des Besuchs wieder einzusammeln. Ein solches Gerät ist dann genauso mobil wie ein schnurloses Festnetztelefon und so universell einsetzbar, wie ein tragbarer Audio-Guide aus dem Museum. Vom Mobile Gaming ist es, zumindest was den Aktionsradius angeht, weit entfernt.

Der „progressiv-britische“ Ansatz

Anders sieht es – demnächst – in Großbritannien aus. Die dortige Gambling Bill 2005 definiert in Abschnitt 3 das Remote Gambling. Nach Unterabschnitt 2 fallen unter die dabei verwendeten Fernkommunikationsmittel Internet, Telefon, Fernsehen, Radio und jedes andere elektronische oder technologische Mittel zur Ermöglichung von Kommunikation.

Nach den Erläuterungen des britischen Ministeriums für Kultus, Medien und Sport wurde diese Regelung bewusst weit gefasst, nicht nur, um vorhandene Technologien wie Mobiltelefonie oder interaktives Fernsehen zu erfassen, sondern auch, um zukunftsoffen für neue Entwicklungen zu sein. Eine örtliche Beschränkung für Remote Gambling findet sich in der Gambling Bill nicht – lediglich die Einrichtungen des Lizenznehmers müssen sich
in Großbritannien befinden (Abschnitt 70, Unterabschnitt 2 der Gambling Bill).

Und Deutschland?

Der Glücksspielmarkt in Deutschland befindet sich im Umbruch, das ist keine Neuigkeit. Entsprechende Regelungen zu mobilen Glücksspielangeboten gibt es noch nicht. Allerdings gibt es, wie schon im letzten Betting Law Newsletter 09|2005 beschrieben, zahlreiche Regelungen zum E-Commerce, die auch für den M-Commerce und damit für Mobile Gaming gelten – auch, wenn sie nicht darauf zugeschnitten sind (was im übrigen zahlreiche Umsetzungsprobleme mit sich bringt).

Auch Deutschlands staatliche Glücksspielanbieter befinden sich mit Ihrem Glücksspielangebot am Puls der Zeit. So wirbt der staatliche Sportwettenanbieter ODDSET auf der Homepage des Fußball-Rekordmeisters FC Bayern München (offizieller ODDSETSportwetten-Vermittler, vgl. www.fcbayern.t-com.de/de/partner/oddset/index.php) damit, wie leicht die Technik zu bedienen ist:

„Ganz gleich, ob Sie zu Hause vor dem Fernseher mit den Bayern fiebern, den Live-Ticker auf der Homepage verfolgen oder im Stadion die Mannschaft anfeuern: Beim mobilen Wetten mit ODDSET können Sie mit einem richtigen SMS-Tipp auf die Bayern nicht nur bares Geld gewinnen, sondern Sie unterstützen auch mit jeder Wette die Nachwuchsarbeit des FCB. Noch nie war Wetten und Gewinnen so einfach!“

Sieht man sich jedoch die Spielanleitung von Oddset an, wird klar, dass von einer einfachen Benutzeroberfläche nicht die Rede sein kann. Will der Spieler eine Wette per SMS abgeben, muss er eine Zeichenkette zusammenstellen, die den Informatiker vielleicht noch an einen Ping an eine bestimmte IP-Adresse erinnert, jemand anderem jedoch gar nichts sagt. Beispiel für eine Kombiwette:

xxxx_3aus4_110_202_221_381_20
(Quelle: www.oddset.de/anleitung/odd_top_frame_anleitung.html).

Es ist äußerst fraglich, wie ein solches Angebot dem Transparenzgebot des Fernabsatzrechts genügen will, ganz zu schweigen von den noch detaillierteren Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr. Diese – wohl doch nicht ganz so einfache – Möglichkeit zu wetten dürfte beispielsweise mit der Pflicht des § 312e Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) unvereinbar sein, dem Kunden „angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe der Kunde Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und berichtigen kann.“

Ein Zahlendreher kann den Spieler bis zu 50 Euro kosten. Vor diesem Hintergrund kann kaum davon ausgegangen werden, dass es ausreicht, den Kunden auf die Korrekturmöglichkeiten seines Mobiltelefons bei der Eingabe der SMS zu verweisen.

Österreich: identische Regelung, bessere Umsetzung

Dass es auch anders geht, zeigt wieder einmal die Konkurrenz: Auch der private Anbieter Betandwin bietet Sportwetten per SMS an . Dort wird allerdings vom Spieler nicht verlangt, eine 30-stellige Zeichenkette anhand eines (unterwegs meist ohnehin nicht vorhandenen) Spielplans zusammenzustellen, sondern der Spieler wird mit mehren SMS in einem interaktiven Frage-und-Antwort-Verfahren an die
gewünschte Wette herangeführt. Um Eingabefehler auszuschließen, werden dem Spieler seine Angaben noch einmal im Klartext per SMS zugeschickt hat. Erst wenn diese SMS bestätigt wurde, gilt die Wette als abgegeben. Zwar bietet Betandwin diesen Dienst bisher nur in Österreich, Italien und Spanien an, allerdings gilt etwa in Österreich das ECommerce-Gesetz (ECG), welches eine der deutschen Regelung identische Vorschrift enthält (vgl. § 10 Abs. 1 ECG und § 312e Abs. 1 Nr. 1 BGB).

And the winner is…

Das Modell in Nevada hat sich vom Mobile Gambling allenfalls den Namen geliehen. In Großbritannien hingegen existiert eine nahezu lückenlose Regulierung. Anders Deutschland: hier nehmen es selbst die staatlichen Anbieter mit der Rechtskonformität ihres Angebots nicht sonderlich genau; ein Blick nach Österreich wiederum zeigt, dass es auch anders geht. Es wäre wünschenswert, wenn die in Deutschland zu erwartende Regulierung auf dem Glücksspielsektor den Markt des Mobile Gambling in geordnete Bahnen lenken würde – sowohl für private, als auch für staatliche Anbieter. Was dabei
herauskommt, wenn staatliche Glücksspiel-Anbieter gar nicht überwacht werden, konnte ja am Wettskandal um den Schiedsrichter Robert Hoyzer beobachtet werden:

„Ante Sapina, Hoyzer und Kumpane waren keine Wettmafia, sie ähnelten eher Versicherungsbetrügern, denen es das System allzu leicht gemacht hat.
Ausgerechnet die staatliche Sportwette Oddset, deren Vertreter kürzlich vor dem Bundesverfassungsgericht dafür plädierten, den Spieldrang des Bürgers weiterhin mit Hilfe des Wettmonopols zu „kanalisieren“, hat den Tätern kaum Grenzen gesetzt.“

Tagesspiegel vom 18.11.2005