Deutschlandverbot für betandwin.com und Mitwettbewerber – was wirklich hinter dem Urteil des LG Köln vom 2. Februar 2006 steckt

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Anfang Februar 2006 berichtete die Presse, dass das Landgericht Köln unter anderem den Online-Anbietern „betandwin“, „intertops“, „unibet“ und „bet365“ den Vertrieb von Glücksspielen und Sportwetten in Deutschland verboten habe vgl. (www.isa-casinos.de/articels/11282). Diese Meldung hat die Media- und Entertainment-Branche kurzzeitig verunsichert.

Schnell kam jedoch ans Tageslicht, dass diese Meldung so nicht stehen gelassen werden konnte. Zum einen betraf z. B. die Betandwin-Entscheidung lediglich das „.com“-Angebot des österreichischen Sportwettenanbieters und nicht die für Deutschland konzipierte Sportwettenseite www.betandwin.de, die sich bekanntermaßen auf eine sog. DDRSportwettenlizenz berufen kann.

Zwar bejubelt der staatliche Anbieter Westlotto als Chefkläger des Deutschen Lotto- und Toto-Blocks die „konsequente Fortsetzung der Rechtsprechung des LG Köln“. Es steckt jedoch mehr hinter der Entscheidung der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln als nur der Urteilsspruch. Danach wurde es dem österreichischen Glücksspiel- und Wettanbieter Betandwin International Ltd. in erster Instanz untersagt, Glückspiele und/oder Sportwetten in Deutschland über ihre Domain www.betandwin.com anzubieten und/oder zu bewerben (Urteil vom 2.2.2006 – Az. 31 O 605/04). Dieser Jubel ist jedoch unangebracht, da das Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht stichhaltig ist.

Nichtbeachtung der Kölner Rechtsprechung in Strafsachen

Das Landgericht Köln ist – ebenso wie das Landgericht Hamburg – bei Brancheninsidern für seine negative Haltung gegenüber privaten Anbietern von Sportwetten und Casino-Games hinlänglich bekannt. Bei sogenannten Abmahnverfahren, in denen die staatlichen Loto und Totoanbieter den Privaten durch Ihre Angebote regelmäßig Verstöße gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) vorwerfen, bekommen die Staatlichen grundsätzlich Recht. Diese Entscheidungshaltung hat erst kürzlich zu einem peinlichen und rechtsstaatlich sehr bedenklichem Ergebnis geführt. Denn am selben Tage, dem 14.7.2005, kamen die Strafrichter des Landgericht Köln (Az. 105 Qs 80/05) zu einem anderen Ergebnis als die Zivilrichter des Landgerichts Köln (Az. 81 O 30/05), obgleich den jeweiligen Entscheidungen ein vergleichbarer sportwettenrechtlicher Sachverhalt zugrunde lag. So entschied das Kölner Strafgericht, dass § 284 StGB nicht mit europäischem Recht vereinbar sei, während das Kölner Zivilgericht den § 284 StGB für anwendbar gehalten hat und bei der Tätigkeit des in Europa lizenzierten Sportwettenveranstalters daher auf einen Verstoß gegen unlauteren Wettbewerb erkannt hat. Diese unterschiedlichen Ergebnisse trotz gleicher Sachlage (EU-grenzüberschreitendes Angebot von Dienstleistungen aus dem Bereich der Sportwetten) tragen weiter zur Verunsicherung der Rechtsuchenden und zur Unglaubwürdigkeit der Justiz bei, die seit Jahren in diesem Bereich in Deutschland zu beobachten ist.

Weder die für Abmahnungen zuständigen Zivilgerichte in Köln noch die in Hamburg sehen einen Anlass, ihre Ansicht vor dem Hintergrund der allseits bekannten Gambelli-Entscheidung (EuGH, Urteil vom 6. November 2003 – Az.: C-101/01) zu ändern, wie dies inzwischen schon zahlreiche Instanzgerichte getan haben. Trotz dieser bekannten Haltung des Landgerichts Köln in Anbieterkreisen und bei spezialisierten Rechtsanwälten überrascht das aktuelle Betandwin-Urteil jedoch aus drei Gründen:

Kein Abwarten der BVerfG-Entscheidung

Als erstes sah das Landgericht keine Veranlassung, die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Sportwetten abzuwarten. Dies verwundert, denn das Verfahren hat gerade die Vereinbarkeit des § 284 StGB mit der Verfassung zum Inhalt. Zudem hat das BVerfG auch im Vorfeld seiner Entscheidung zahlreiche Ordnungsbehörden angewiesen, Untersagungsverfügungen nicht zu vollstrecken. Auch wenn die Ansicht des Landgerichts Köln zu derartigen Sachverhalten schon seit langem bekannt ist, hätte es dennoch die unmittelbar bevorstehende Entscheidung des BVerfG abwarten müssen. Die Entscheidung wirkt sich nämlich auch auf den vorliegenden Sachverhalt aus, denn das Landgericht hat hier eine unerlaubte Veranstaltung von Glücksspielen und somit eine Verletzung von Vorschriften nach dem UWG angenommen.

Nichtbeachtung einschlägiger BVerfG-Rechtsprechung und Missachtung von EuGHVorgaben

Bemerkenswert ist auch der Umstand, dass das Landgericht Köln die aus europarechtlicher Sicht streitigen Fragen nicht dem EuGH vorgelegt hat. So hatte beispielsweise erst kürzlich der Erste Senat des BVerfG (2. Kammer – Az. 1 BvR 223/05) in einem vergleichbarem Fall die Berücksichtigung der Gambelli-Rechtsprechung als wesentlich für die Beurteilung des Sachverhalts angesehen und diesbezüglich wie folgt ausgeführt: „Angesichts dieser Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs könnte im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren die Konformität der deutschen Rechtslage mit Gemeinschaftsrecht kaum ohne eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof festgestellt werden. Sie kann daher auch nicht bei der Bewertung des besonderen Vollzugsinteresses im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren als ausreichend sicher behandelt werden.“

Der renommierte Professor Dr. Hans-Detlef Horn wird in diesem Zusammenhang noch deutlicher und führt in einem seiner zahlreichen Fachaufsätze im Gewerbearchiv 2005 unter anderem wie folgt aus: „Solange in diesen Fällen über die Illegalität des privaten Angebots nicht abschließend entschieden ist, kann dessen Bewerbung nicht zum Schutze des staatlichen Angebots über den „Umweg“ des Wettbewerbsrechts verhindert werden.“

Das Urteil verstößt daher wohl eindeutig gegen EU-Recht. Bei der Missachtung des EURechts übergeht das Landgericht zudem klare Vorgaben des BVerfG in dieser Hinsicht.

Landgericht nimmt Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamtes vorweg

Überrascht hat das Urteil des Landgerichts Köln auch im Hinblick auf seine markenrechtlichen Ausführungen. Denn Betandwin wurde untersagt, den Begriff „supertoto“ bzw. „supertoto XXL“ für den „Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen, insbesondere Sportwetten“ weiter zu verwenden. Die Bezeichnungen seien der eingetragenen Marke „TOTO“ der staatlichen Klägerin Westlotto zum Verwechseln ähnlich.

Dabei geht das Gericht in seiner Entscheidungsbegründung davon aus, dass es sich bei dem Begriff „TOTO“ nicht um einen beschreibenden Begriff handelt sondern um einen reinen Phantasiebegriff von Westlotto. Dass der Begriff „TOTO“ offensichtlich eine Abkürzung für die Spielart Totalisateur ist und schon lange nicht mehr nur von Westlotto angeboten wird, hat das Gericht offensichtlich nicht gebührend berücksichtigt. Bei dem Deutschen Patent- und Markenamt läuft bereits ein entsprechendes Löschungsverfahren. Obwohl das Landgericht dies wusste, hat es dies nicht berücksichtigt und die Entscheidung des Bundesamtes vorweg genommen.

Aus unserer Sicht wird das Patent- und Markenamt mit großer Wahrscheinlichkeit zu dem Ergebnis gelangen, dass Westlotto der markenrechtliche Schutz der Marke TOTO aberkannt und die Eintragung zu löschen sein wird. Denn ein praktisch identischer Fall ist bereits vom BGH entschieden worden. So gelangte das höchste deutsche Zivilgericht in seiner Entscheidung vom 19. Januar 2006 (Beschl. v. 19.1.2006 – I ZB 11/04) im Fall der Marke „LOTTO“ zu dem Ergebnis, dass diese gelöscht werden müsse. Nach Ansicht des BGH habe das Bundespatentgericht für die Frage, ob der Gattungsbegriff „Lotto“ sich in einen Hinweis auf den Veranstalter des jeweiligen Lotteriespiels gewandelt habe, zu Recht nicht allein auf das Verständnis der Lottospieler abgestellt, sondern auf alle Verbraucher, an die sich das Angebot derartiger Lotteriespiele richte. Zu berücksichtigen sei auch, dass es sich bei dem Wort „Lotto“ um einen Begriff handele, der die wesentlichen Eigenschaften der beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibe. Bei derartigen Produktbezeichnungen komme eine Verkehrsdurchsetzung als Herkunftshinweis nur in Betracht, wenn überwiegende Teile der angesprochenen Verkehrskreise darin einen Hinweis auf die Herkunft des Spiels von einem bestimmten Veranstalter und nicht auf das veranstaltete Spiel sähen. Auch wenn Verbraucher „Lotto“ mit den staatlichen Lotteriegesellschaften in Verbindung brächten, sei dies noch nicht zwingend ein Beweis für einen Bedeutungswandel von einer beschreibenden Angabe zu einem Herkunftshinweis.

Schlussfolgerung

Alles in allem kann die neue alte UWG-Rechtsprechung in vielerlei Hinsicht nicht überzeugen und wird – wenn auch nicht von einem Kölner Berufungsgericht – doch dann in höherer Instanz wahrscheinlich verworfen werden. Falls das Bundesverfassungsgericht im April sich für eine teilweise Öffnung des deutschen Sportwettenmarktes entscheidet, dann heißt es endlich auch für die Kölner und Hamburger UWG-Richter: Umdenken!