WM-Jahr 2006 bringt womöglich den Durchbruch für den M-Commerce und M-Gambling in Deutschland

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Da stellt sich die Frage: Neue Technik, altes Recht?

Ein Bericht von RA Dr. Wulf Hambach und RA Dr. Hendrik Schöttle, Hambach & Hambach

Vor gar nicht allzu langer Zeit eroberte der Handel den Cyberspace. Vor gerade einmal 10 Jahren gingen auch die ersten reinen Glücksspielangebote online. Seit Neuestem formt sich neben dem E-Commerce bzw. dem E-Gaming der M-Commerce bzw. das M-Gambling aus. Mit fortschreitender technologischer Entwicklung mobiler Geräte wie PDAs, Handhelds oder Smartphones scheint der M-Commerce noch einmal eine zweite Chance zu bekommen.

Nachdem sich der Internet- und Mobilfunk-Hype Anfang des Jahrzehnts gelegt hat und einige hochgejubelte Technologien wie WAP oder UMTS sich nicht über einen Nischenmarkt hinaus entwickeln konnten, scheint es jetzt wieder an der Zeit, sich diesen Markt näher anzusehen.
J2ME, die Java-Plattform für mobile Geräte, stellt eine wachsende Basis für Java-Anwendungen auf Handys, PDAs und Smartphones & Co. dar. Symbian OS, ein Betriebssystem für Handys, kann aufgrund seiner modellübergreifenden Verfügbarkeit schon als Standard angesehen werden. Es gibt noch eine Reihe weiterer Entwicklungen, die alle dafür gesorgt haben, dass das Erstellen auch von anspruchsvollen Software-Anwendungen für mobile Geräte nicht mehr allein Sache des Herstellers ist, sondern plattformübergreifend auch durch Externe angeboten werden kann. Die Geräte, die solche Standards unterstützen, sind immer mehr verbreitet, so dass der M-Commerce nicht mehr nur eine Frage technischer Machbarkeit ist, sondern inzwischen als neuer und wachsender Markt darauf wartet, erschlossen zu werden.

Die Vorteile des M-Commerce gegenüber internetgestütztem Handel liegen auf der Hand:

Die Angebote sind überall verfügbar, vor allem dann, wenn gerade kein Internetanschluss in der Nähe ist. Zudem wird das Marktsegment erschlossen, das nicht über einen Internetzugang verfügt, wohl aber über ein Mobiltelefon.

Allerdings: der M-Commerce ist – wie das Internet – kein rechtsfreier Raum. Man mag darüber streiten, ob M-Commerce ein neues Medium ist. Aber wie so oft finden Gesetze Anwendung, die etwas anderes im Visier hatten, als sie erlassen wurden. Denn viele der Regelungen, die für den mobilen Handel gelten, sind auf Internet-Sachverhalte zugeschnitten. Etwa das Fernabsatzrecht oder die Vorschriften über Teledienste (Teledienstegesetz und Teledienstedatenschutzgesetz). Schwierigkeiten bereiten dabei insbesondere die umfangreichen Hinweis- und Informationspflichten. Auf einer normalen
Website lassen sich auch umfangreiche Belehrungen noch übersichtlich darstellen. Einwilligungserklärungen können ohne große zeitliche Verzögerung vom Kunden im Browser abgegeben und per E-Mail bestätigt werden. Aber wie lässt sich eine vollständige Anbieterkennzeichnung in einer SMS unterbringen? Wie kann eine Einwilligungserklärung datenschutzkonform umgesetzt werden? Muss ein Nutzer zur datenschutzrechtlichen Einwilligung eine aufgebaute GSM-Verbindung beenden, auf eine SMS warten und diese beantworten, bevor er ein Angebot nutzen kann? Wie sieht es mit den Anforderungen der Rechtsprechung aus, einen Link zur Anbieterkennzeichnung auf der ersten Bildschirmseite anzuzeigen – gilt dies auch bei einer Bildschirmauflösung von 128×128 Pixeln, wie sie bei Mobiltelefonen üblich ist?

Es ist klar, dass die Anwendung der genannten Regelungen Probleme mit sich bringt. Manche „best practices“ können aus der Welt des Internetrechts ohne Änderungen übernommen werden; andere Regelungen sind kaum ohne Anpassung denkbar. Noch ist es wohl zu früh, um eine Prognose zu wagen, welche Anforderungen die Rechtsprechung an rechtskonforme Angebote stellen wird. Eines kann allerdings jetzt schon vorhergesagt werden: Mit zunehmender Bedeutung des M-Commerce wird auch der Konkurrenzdruck steigen. Das wiederum wird die (oft nur vermeintlichen) Hüter des Wettbewerbsrechts auf
den Plan rufen; mit anderen Worten: die rechtliche Unbedenklichkeit von E-Commerce- Anwendungen wird nicht nur ein Aushängeschild für den potenziellen Kunden, sondern auch ein Schutzschild gegen unberechtigte und kostspielige Abmahnungen sein.

Der Marktplatz des M-Commerce bietet unter dem Stichwort „mobile gaming“ auch dem Online-Spiele-Markt interessante Perspektiven. Sportwetten lassen sich über mobile Geräte dorthin tragen, wo das Ereignis stattfindet , aber kein Internetanschluss zur Verfügung steht – in Stadien, Kneipen und auch im Wohnzimmer. Es bleibt abzuwarten, wie der Markt – sowohl auf der Seite der Anbieter als auch auf der Nutzerseite – auf diese Möglichkeiten reagiert.

Leider existiert in Deutschland kein einheitliches Regelungswerk, wie etwa die britische Gambling Bill 2005, die dieses Jahr in Kraft getreten ist und die ausführliche Regelungen zum remote gambling enthält. Es wäre verfehlt, an dieser Stelle eine weitere gesetzliche Regelung in Deutschland zu fordern, da das Regelungsdickicht des Verbraucherschutzes im E-Commerce und im M-Commerce bereits hinreichend unübersichtlich ist. Zumindest aber wäre es wünschenswert, wenn die Rechtsprechung eindeutige Anforderungen an Anbieter im M-Commerce herausarbeiten würde – auch wenn dies bei der widersprüchlichen und verworrenen Gesetzeslage alles andere als einfach ist.

Im M-Commerce bzw. M-Gambling Bereich stehen den rechtlichen Unsicherheitsfaktoren klare Wachstumsprognosen gegenüber. Anfang 2005 veröffentlichte das britische Marktforschungsinstitut Juniper Research, dass vor allem der europäische Markt der mobilen Sportwetten sehr stark wachsen wird. So soll der Umsatz von 110 Mio. Dollar im Jahr 2004 auf drei Mrd. Dollar im Jahre 2009 steigen. Weltweit prognostiziert Juniper Research, dass sich die Umsätze mit mobilen Services wie Lotterien, Sportwetten und Casino-Spielen im Vergleich zu 2005 (2 Mrd. Dollar) bis 2009 auf 19,3 Mrd. Dollar fast verzehnfachen. Auch die auf den Sektor neue Medien spezialisierte britische Unternehmensberatung Informa Telecoms & Media (ITM) erklärt den europäischen M-Betting Markt zum Wachstumsmarkt – alleine der europäische mobile Sportwettenmarkt soll jährlich um sage und schreibe 140% wachsen. Im Jahr 2010 sollen etwa 200 Mio. Wettbegeisterte zum Wetten zu Ihrem Handy greifen.

Diese Zahlen kennen offensichtlich auch die staatlichen Glücksspielanbieter in Deutschland:

Am 16. Dezember 2005 lief die Meldung über den Ticker, dass der staatliche Glücksspielanbieter Toto-Lotto Niedersachsen seit neuestem mit dem privaten Anbieter für mobile Mehrwertdienste net mobile AG kooperiert, um „sukzessiv die Angebotspalette mobiler Wetten auszubauen“. Angesichts der möglicherweise bevorstehenden Liberalisierung des deutschen Glücksspielmarktes wollen es sich die staatlichen Glücksspielanbieter offensichtlich nicht nehmen lassen, noch rechtzeitig zukunftsträchtige Marktsegmente zu besetzen.

Fazit: Wer sich auf dem M-Commerce- bzw. M-Gambling-Markt mittelfristige Marktchancen sichern will, sollte dort jetzt bereits Fuß fassen. Er muss sich aber – jetzt, wie später – vor tückischen und letztlich teuren juristischen Fallstricken hüten, die immer dann drohen, wenn das Recht aktuellen technischen Entwicklungen hinterherhinkt.