Sondersteuer für die Konkurrenz

Wie die Länder ihr Lotto- und Toto-Imperium schützen wollen

Paul Gauselmann, der größte Hersteller und Betreiber von Spielautomaten im Lande, hatte das Unheil kommen sehen. „Ich bitte Sie eindringlichst, von Ihren Ideen keinen Gebrauch zu machen“, schrieb der Vorstandschef der Gauselmann AG, eines Familienkonzerns mit 700 Millionen Euro Jahresumsatz, vor zwei Jahren einem aufsässigen Kollegen. Der Spielhallen-Betreiber solle auf keinen Fall gegen die Umsatzsteuerpflicht vorgehen. Im Falle eines Erfolges werde der Staat mit einer weiter höheren Sondersteuer für die private Automatensäle kontern, um den „lästigen Wettbewerb“ zu seinen eigenen Glücksspielsangeboten auszuschalten, warnte Gauselmann; freilich vergebens. Einige Außenseiter aus der Zocker-Branche suchten den Streit und hatten vorläufig Erfolg.

Der Fiskus dürfe in den 7000 Spielhallen in Deutschland nicht länger wie bisher Umsatzsteuer kassieren, besagen ein aktueller Entscheid des Bundesfinanzhofes und ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Nun schlägt der Staat zurück, wie vom Branchen-König Gauselmann befürchtet, weil er sich um die Einnahmen sorgt und das eigene Glücksspiel-Imperium bedroht sieht. Das besteht aus Lotto, Toto und Casinos und bringt den Bundesländern fast fünf Milliarden Euro im Jahr. So hoch sind die Abgaben der staatlichen Lotteriegesellschaften. Die wiederum würden wohl am meisten von einem Gesetzentwurf profitieren, der diesen Freitag im Bundesrat behandelt wird. Die Spielhallen sollen höhere Steuern zahlen, fast vier mal so viel wie bisher. Die Interessenverbände der Automatenbranche, einen leitet Gauselmann, schrieben deshalb Protestbriefe an Bayerns Regierungschef Edmund Stoiber und andere Politiker. Es drohe das „Ende fast aller Unternehmen“, warnen sie.

Der Gesetzentwurf ist die Antwort der Länder, angeführt von Niedersachsen, auf einen Vorstoß der Bundesregierung. Finanzminister Hans Eichel bangt nach den Richtersprüchen um die Umsatzsteuer der Spielhallen. 270 Millionen Euro im Jahr sind in Gefahr, keine kleine Summe für einen Kassenwart, der jeden Euro braucht. Um nichts zu verlieren, sieht sich Eichel nun gezwungen, gegen die Bundesländer und deren Casinos vorzugehen. Letztere sollen neben ihren Abgaben an die Länder nun ebenfalls Umsatzsteuer zahlen und so dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes Rechnung tragen. Der hatte es für unzulässig erklärt, dass der deutsche Fiskus diese Steuer nur von den privaten Spielhallen, nicht aber von den meist staatlich betriebenen Spielbanken verlange. Eine verzwickte Geschichte ist das, komplizierter als die Spielregeln bei Roulette und Black Jack.

Der Bundesrat soll nun, auf Betreiben der Länder-Finanzminister, dem Bundestag eine andere Lösung vorlegen: Bei den Spielhallen wird die Umsatzsteuer einfach durch eine (weit höhere) Spieleinsatzsteuer ersetzt. Der Europäische Gerichtshof wäre ausgehebelt. Und Eichel könnte sich nicht an den Casinos vergreifen, von denen die Länder weiterhin alleine profitieren wollen, noch mehr als bisher. Den größten Teil ihrer Erlöse erzielen die Spielbanken mit einarmigen Banditen und anderen Automaten. Wäre die private Konkurrenz der höheren Steuern wegen geschwächt, dann käme das den Casinos zugute, ganz automatisch. Im Gesetzentwurf für den Bundesrat steht das natürlich nicht. Dort heißt es, die Zocker-Maschinen in den Spielhallen seien „gesellschafts- und sozialpolitisch nicht förderungswürdig“.

Die für Sicherheit und Ordnung verantwortlichen Innenminister der Länder konstatieren freilich Nachholbedarf in den Casinos. Dort soll endlich nicht nur beim Roulette, sondern auch an den Automaten die Ausweispflicht gelten, um spielsüchtige Gäste leichter erfassen und zu ihrem eigenen Schutz sperren zu können. Da machen die Finanzminister der Länder nicht mit. Nächste Woche wollen die Innenminister erneut beraten, was zu tun sei. Derweil expandieren die staatlich betriebenen oder konzessionierten Glücksspielgesellschaften, etwa in Niedersachsen mit Lottoautomaten in Gaststätten. Das hatte sich die dortige Lotto-GmbH frühzeitig von Experten empfehlen lassen. Ein Gutachten enthielt sogar den Vorschlag, per Gesetz eine Art Automatenmonopol der niedersächsischen Lotto GmbH einzuführen. Die privaten Spielhallen dürften „bestehen bleiben“, müssten aber die von der Lotto GmbH „vorgegebenen Endgeräte benutzen“.

Nun will Niedersachsen wenigstens eine Sondersteuer für Spielhallen durchsetzen, eine Idee der früheren SPD-Regierung, die unter der CDU-Herrschaft weiter verfolgt wird. Ob Rot oder Schwarz dran ist, das macht nur beim Roulette einen Unterschied.

Klaus Ott

Mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung freigegeben auf ISA-CASINOS durch
Süddeutsche Zeitung, 17.06.2005, Ausgabe Deutschland, S. 26
Ressort: Wirtschaft