Kiel und die anderen 15

Von „Erpressung“ sprach die rot-grüne Opposition im Kieler Landtag, als CDU und FDP das neue Glücksspielgesetz verabschiedeten. „Weltmeister nach Gesetzesbruch – oder: Wie dringend brauchen wir einen neuen Glücksspielstaatsvertrag?“, ein sehr interessanter Artikel in einem Online Poker Blog untersucht, was es mit dieser angeblichen „Erpressung“ auf sich hat.

„David gegen Goliath“, möchte man angesichts der Ablehnung des Kieler Modells durch die übrigen 15 Bundesländer meinen. Aber so ist es eben nicht, wurden die doch mit ihren halbherzigen Reformen des deutschen Glücksspielstaatsvertrags immer wieder wegen Verstößen gegen geltendes europäisches Recht gerügt. Tatsächlich hatte sich die schleswig-holsteinische Landesregierung lediglich an die Brüsseler Richtlinien gehalten und ein Glücksspielgesetz formuliert, das Internetwetten oder das Spielen in einem Online Pokerroom künftig gesetzlich regelt. Was daran erpresserisch ist? Vielleicht, dass der unbewegliche Koloss, zu dem das deutsche staatliche Glücksspielmonopol in den letzten Jahrzehnten erstarrt ist, sich nun allmählich in Bewegung setzen und der realen Situation Rechnung tragen muss? Denn an der Auseinandersetzung mit den Realitäten des Glücksspielwesens kommt man eben heutzutage nicht mehr vorbei.
Der nun dankenswerterweise ausgelaufene Glücksspielstaatsvertrag trat 2008 in Kraft. Seitdem sind unter dem Deckmäntelchen der Suchtprävention Internet-Glücksspiele und gewerbliche Spielvermittlung hierzulande verboten. Dem Trend, dass die Einnahmen der staatlichen Soziallotterien dramatisch zurückgehen, wirkte dies nicht entgegen. Das wird fatale Folgen haben, vor allem, wenn der Realitätssinn weiterhin abgeschaltet bleibt. Der Glücksspielmarkt störte sich nämlich wenig am deutschen Verdikt, in Sachen Onlinepoker zum Beispiel liegen wir weltweit ganz vorne. Höchste Zeit, dass der Staat sich hier neu orientiert.
Warum nicht auch bundesweit die Gunst der Stunde nutzen? Das sind doch wunderbare Zeiten, die den ersten Pokerweltmeister aus Deutschland hervorbrachten – und in denen ein kleines Land im Norden dem Rest der Republik schon bald zeigen kann, wo es in Sachen Glücksspiel langgeht. Übrigens: Die Debatte im Kieler Landtag – Stichwort „Erpressung“ – hat wirklich unterhaltsame Qualitäten, unbedingt das dem Artikel angefügte Video gucken!