Europa stoppt den Glücksspieländerungsstaatsvertrag

– EU-Kommission verweigert „abschließend positive Stellungnahme“ und fordert erneut Nachbesserungen

– Ratifizierung in den Parlamenten vor dem Aus

Hamburg 20.03.2012 – Die EU-Kommission erneuert ihre europarechtlichen Bedenken gegen den auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember von 15 Länderchefs unterzeichneten Glücksspieländerungsstaatsvertrag. „Wenn die Politiker nicht ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen wollen, müssen sie den Ratifizierungsprozess stoppen“ so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes.

Bereits am im Juli 2011 hatte die EU-Kommission einen Vorentwurf des neuen Staatsvertrages in zahlreichen zentralen Punkten beanstandet. In ihrem heute übersandten Schreiben an die Bundesregierung erneuert die EU-Kommission ihre Kritik. So fragt die Kommission u.a. erneut, warum private Vermittler staatlicher Lotterien 32 Einzelerlaubnisse einholen müssen, Klassenlotterieeinnehmer oder Sportwettenanbieter nur eine einzige.

Im Protokoll der Ministerpräsidentenkonferenz erklärten die 15 Länder, den Änderungsstaatsvertrag „erst nach Vorliegen einer abschließend positiven Stellungnahme von der EU-Kommission den Landtagen zur Ratifikation zuzuleiten“. Spätestens seit heute ist klar, dass die Kommission eine solche „abschließend positive Stellungnahme“ zu einem europarechtswidrigen Vertragsentwurf trotz massiver Interventionen deutscher Landespolitiker in Brüssel nicht abgeben wird. Das aktuelle Schreiben der Kommission ist eine diplomatisch formulierte Ohrfeige für die Verfasser dieses Vertrages. Deutliche Nachbesserungen sind jetzt gefordert.

Zwei Vertragsverletzungsverfahren in Sachen Glücksspielrecht führt die EU-Kommission bereits gegen Deutschland; falls die Länderparlamente den neuen Vertrag ratifizieren, droht ein drittes Verfahren und das Rechts-Chaos der vergangenen Jahre wird vor den Gerichten fortgeführt.

Namhafte Verfassungs- und Europarechtsexperten wie Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier (Universität München), Prof. Dr. Christoph Degenhart (Universität Leipzig) und Prof. Dr. Bernd Greszick (Universität Heidelberg) hatten den Glücksspieländerungsstaatsvertrag bereits in den vergangenen Wochen als verfassungs- und europarechtswidrig kritisiert. Im Vergleich zu dem von der Kommission vielfach beanstandeten Entwurf hätten die Länder mit der Novelle lediglich kosmetische Korrekturen vorgenommen oder sind auf alte, inkohärente Positionen zurückgefallen.

Schwerpunkt der Kritik ist der nach wie vor inkohärente und unsystematische Regelungsansatz, weil gefährliche Glücksspiele liberalisiert werden, während hingegen das harmloseste Glücksspiel, Lotto, weiterhin erheblich beschränkt wird. Als Begründung dient die Scheinargumentation, Lotto mache süchtig, mit der die Länder ihr lukratives Lotterieveranstaltungsmonopol sichern wollen. „Zudem werden gewerbliche Spielvermittler unverhältnismäßig stark diskriminiert“, so Norman Faber. „Sie müssen in 15 Bundesländern sage und schreibe 32 unterschiedliche Erlaubnisse einholen; klare und objektive Kriterien gibt es dafür ebenso wenig wie einen Rechtsanspruch. Der Willkür sind damit Tor und Tür geöffnet.“

Allein Schleswig-Holstein befindet sich mit seinem neuen Glücksspielgesetz, das am 1.1.2012 in Kraft getreten ist, auf einem rechtssicheren Kurs. Viele Unternehmen der Branche bereiten derzeit Lizenzanträge vor und planen ihren Firmensitz in das nördlichste Bundesland zu verlegen.

Faber: „Die 15 Länder müssen das Rad nicht neu erfinden. Das Glücksspielgesetz aus Schleswig-Holstein wurde von der Kommission im Notifizierungsverfahren als europarechtskonform gebilligt. Es ist jetzt der geeignete Kompromiss für eine bundesweite, europarechtskonforme Regelung.“