Lizenzen gefragt: Über 80 Glücksspielanbieter wollen nach Schleswig-Holstein

Neues Gesetz im Norden setzt Benchmarks für die Republik

Ein Artikel von Andreas Schultheis

Düsseldorf, Februar 2012 – Geht es nach Hans-Jörn Arp, entwickelt sich die Umsetzung des neuen Glücksspielgesetzes für Schleswig-Holstein ab dem 1. März zum Konjunkturprogramm par exellence. Während die übrigen 15 Bundesländer mit dem Entwurf eines neuen Glücksspielstaatsvertrages nämlich im europarechtlichen Nebel herumstochern und bis dato nicht einmal wissen, ob die Europäische Kommission ihren so genannten E-15-Entwurf akzeptiert, mehren sich in Kiel die Bewerbungen der Branche um eine Lizenz mit jedem Tag: 86 Bewerbungen seien es aktuell, berichtete Arp (http://www.hans-joern-arp.de), stellvertretender Vorsitzender der CDU im Landtag von Schleswig-Holstein, in einer Diskussionsrunde auf Europas größtem Sportbusiness-Kongress SpoBiS (http://www.spobis.de) in Düsseldorf. Mit dem im September 2011 verabschiedeten Gesetz biete Schleswig-Holstein einen rechtssicheren Rahmen, der auch dem Sportsponsoring neue Möglichkeiten eröffne. In allen anderen Bundesländern müsse man jederzeit damit rechnen, dass Aufsichtsbehörden Steine in den Weg legten. Die Bundesländer wollten ohne solide Begründung zunächst sieben, mittlerweile 20 Lizenzen vergeben. Das Kieler Modell sei von Brüssel goutiert, international wettbewerbsfähig und diene dem erklärten Ziel, mindestens 85 Prozent des bisher illegalen Marktes im Online-Bereich in die Legalität zu führen.

Da man an der Förde gleichsam Pionierarbeit leiste, gelte das Augenmerk der Experten in den Ministerien derzeit der Ausarbeitung der Überwachungsverordnung, nachdem die Zulassungsverordnung mittlerweile bekannt sei. „Ob wir ab dem 2. März erste Lizenzen vergeben können, wissen wir heute noch nicht mit Sicherheit. Sicher ist aber, dass jeder, der eine Lizenz beantragt, diese auch innerhalb des ersten Halbjahres erhält.“ Der Weg sei lang gewesen und noch beim SpoBiS vor zwei Jahren habe mancher das Durchhaltevermögen der schwarz-gelben Koalitionäre in Kiel angezweifelt. Seit der ersten Vorstellung des Gesetzesentwurfs im Juni 2010 in Berlin habe man – ohne erkennbare Resonanz – die übrigen Bundesländer immer wieder eingeladen, mitzumachen. Arp setzt nun auf die normative Kraft des Faktischen: „Wenn die anderen Länder erkennen, dass sich die Unternehmen in Schleswig-Holstein ansiedeln, dass wir höhere Steuereinahmen haben, dann wird sich etwas bewegen.“

Bundesländer ignorieren Spielerwünsche

Die Schwächen des Entwurfs der Bundesländer machte Dirk Quermann, CEO der zur Gauselmann Gruppe gehörenden Merkur Interactive GmbH, noch einmal aus Sicht eines Anbieters deutlich: Einerseits sehe dieser im Bereich der Sportwetten eine Besteuerung von 5 Prozent auf den Einsatz vor, wodurch das Spiel an sich unattraktiv werde. Schleswig-Holstein dagegen plant mit einer attraktiven 20-prozentigen Besteuerung des so genannten Rohertrages. Ein weiteres Problem: Solange man nur ein Teilprodukt freigebe, der Kunde aber ein Gesamtprodukt nachfrage, sei das Gesamtangebot unattraktiv und für den Anbieter kaum darstellbar. Während Schleswig-Holstein nämlich ausdrücklich den wachsenden Markt der Online-Casino- und Pokerangebote berücksichtigt, blendet das E-15-Modell die rund vier Millionen Online-Poker-Spieler komplett aus. Die von den 15 Bundesländern gesetzten Bedingungen, so Quermann, „ignorieren komplett den Wunsch der Spieler.“ Für einen privaten Anbieter mache es wenig Sinn, eine solche Lizenz zu beantragen. Kiel biete mit seinem Modell nun die Möglichkeit, überhaupt mit Online-Angeboten legal in das deutsche Geschäft einzusteigen.

Leider sei man in Deutschland über Jahre hinweg keinen Schritt weiter gekommen. Der Versuch, so Quermann, internationalen Geschäftspartnern die Lage in Deutschland zu erklären, sei zum Scheitern verurteilt. Quermann hofft nun auf eine negative Wertung des E-15-Entwurfs durch die Europäische Kommission, dann werde die Front der Bundesländer aufbrechen. „Irgendwann muss man sich dann fragen, ob man die Strategie beibehalten will, dass man ständig an der Leine herausgeführt wird“, so sein Kommentar mit Blick auf die früheren Brüsseler Bewertungen der deutschen Rechtslage.

Anbieter erfüllen strenge Lizenzkriterien

Die Praxistauglichkeit des schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetzes bestätigten in Düsseldorf auch weitere Vertreter der Branche, darunter Sven Stiel, Director Northern Europe bei Pokerstars: „Das Modell Schleswig-Holstein zeigt, was möglich ist: nämlich Spielerschutz und Kanalisierung des Spieltriebs in Einklang zu bringen mit attraktiven Angeboten für Unternehmen, Nutzer und den Staat.“ Pokerstars, neuer Sponsoringpartner des Fußball-Regionalligisten VfB Lübeck, stellt sich nicht nur in Kiel den strengen Lizenzanforderungen, sondern verfügt bereits über Lizenzen in Estland, Italien und Frankreich sowie über die in den letzten drei Monaten erteilten Lizenzen für Dänemark, Belgien und Malta. Mit der zu erwartenden siebten Lizenz in Schleswig-Holstein ist es das Unternehmen mit den meisten EU-Lizenzen.

Dass mit der Schleswig-Holstein-Regelung der Bereich des Spielerschutzes, auch aufgrund der künftigen Überwachungsverordnung, signifikant verbessert wird, unterstrich Arp nochmals: „Wir bzw. die Anbieter können genau kontrollieren, wer spielt, welche Spiele er spielt, wie oft er spielt. Das alles wird derzeit komplett ausgeblendet, in dem man so tut, als gäbe es den Markt nicht. Und dieser Markt wird in Deutschland auf 8 bis 10 Milliarden Euro geschätzt.“ Die 20-prozentige Besteuerung des Rohertrages bringe den Ländern rund 200 Millionen Euro an Steuereinahmen. „Und jeder Finanzminister freut sich über zusätzliche Einnahmen.“ Außerdem beende man die unsichere Rechtslage für viele Sportvereine mit Sponsoringpartnern aus der Branche: „Wir brauchen endlich einen legalen Weg für den Sportverein, der keine Angst mehr haben muss, dass irgendwann ein Amtsdirektor kommt und ihm die Bandenwerbung nimmt.“ Manches könne man den Menschen angesichts der bislang geltenden Rechtslage ohnehin nicht mehr erklären: Während das renommierte ATP-Tennisturnier am Hamburger Rothenbaum beispielsweise zukünftig unter dem Namen des neuen Hauptsponsors „bet-at-home.com Open” firmiert, wurde eine Werbekampagne der Lotto Hamburg GmbH auf Linienbussen gerichtlich verboten. „Das ist doch Irrsinn“, so Arp.

Seine selbstbewusste Prognose für die Entwicklung der nächsten Jahre: „Wer den Markt legalisieren will, der kommt an den von Schleswig-Holstein gesetzten Benchmarks nicht vorbei.“ Investoren, die jetzt eine Lizenz für die nächsten sechs Jahre erhalten, gehören damit zu den Pionieren des neuen deutschen Glücksspielmarktes. Eine rechtssichere Alternative, so Arp, existiere nicht, weshalb er davon ausgeht, dass sich ein zukünftig einheitlicher Markt in Deutschland an den Bedingungen der Kieler Gesetzgebung orientieren wird.

Nur regulierter Markt bekämpft Geldwäsche

In Kiel selbst ist es vor allem Ralf Stegner, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, der die Tauglichkeit des neuen Gesetzes immer wieder in Frage stellt. Unter anderem bemängelt er das im Vergleich zu anderen Angeboten große Suchtpotenzial von Internet-Casinospielen und Online-Poker, so der SPD-Mann gegenüber dem Magazin „Der Freitag“ (http://www.freitag.de). „Teile dieser Angebote stehen international auch im Verdacht, Geldwäsche zu ermöglichen und dafür auch von der organisierten Kriminalität genutzt zu werden“, so Stegner weiter. Er liefert allerdings mehr Fragen als solide Antworten: Warum nämlich scheinbar einzig die SPD die Erkenntnis des erhöhten Suchtpotenzials von Online-Poker für sich als Argumentationslinie in Anspruch nimmt, obwohl das Forschungsinstitut Glücksspiel und Wetten (http://www.forschung-gluecksspiel.de) aus Sankt Augustin im Auftrag der TÜV TRUST IT GmbH nachgewiesen hat, dass dem nicht so ist: „Eine erste quantitative Beurteilung des Online-Pokerspiels Texas Hold’em No-Limit stuft dessen Suchtgefährdungspotential auf einer Fünfer-Skala als mittel ein, was derselben Suchtgefährdungsklasse entsprechen dürfte wie Sportwetten“, schreiben die Professoren Reiner Clement und Franz Peren. Oder die Frage, warum ausgerechnet ein regulierter und kontrollierbarer Markt geeignet sei, der Geldwäsche Tür und Tor zu öffnen. Auch hier kommt die Studie zu einem klaren Ergebnis: Demnach ermöglicht und fördert gerade der nicht kontrollierte Schwarzmarkt und somit der Status quo „die illegale Geldwäsche innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Hierdurch entsteht der Gesellschaft zweifelsfrei ein unmittelbarer wirtschaftlicher Schaden, der aufgrund der unregulierten Marktbedingungen gegenwärtig nicht zu identifizieren ist.“ Und schließlich drängt sich die Frage auf, warum weite Teile Europas sich praxistaugliche Gesetzesmodelle à la Schleswig-Holstein, die den bisherigen Online-Markt kontrollieren statt ihn zu kriminalisieren, längst zu Eigen gemacht haben. Nach Lesart der Stegner-SPD wären diese Länder auf dem Holzweg.