Glücksspielkonferenz in Schleswig-Holstein setzt Maßstäbe in Sachen Transparenz

– Über 200 internationale Gäste diskutieren mit Branchenvertretern, Juristen, Politikern und Suchtexperten über das neue Gesetz – Industrie ist „heiß“ auf den „kühlen“ Norden

von Ansgar Lange +++ Norderstedt, Januar 2012 –
Schleswig-Holstein wird zum Magneten für die internationale Glücksspiel- und Wettanbieterbranche. Diesen Eindruck vermittelte zumindest die Glücksspielrechtskonferenz in Norderstedt bei Hamburg, zu der über 200 Gäste aus dem In- und Ausland angereist waren. „Schleswig-Holstein ist das erste Bundesland, das Online-Glücksspiele zulässt – aber unter strengen Auflagen und Bedingungen“, sagte der internationale Glücksspielrechtsexperte Dr. Wulf Hambach gegenüber der Tagesschau http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video1045290.html.

Sven Stiel, Director North Europe bei Pokerstars.de http://www.pokerstars.de, bezeichnete das nördlichste deutsche Bundesland sogar als „gallisches Dorf“ in Deutschland. Sein Unternehmen freue sich auf den Lizenzierungsprozess in Schleswig-Holstein und sehe der Zukunft optimistisch entgegen.

Matthias Dahms, Geschäftsführer der Jaxx AG http://www.jaxx.com, bestätigte bei der abschließenden Podiumsdiskussion diese Sichtweise. Der „frische Wind aus dem Norden“ führe offenkundig zu „klaren Gedanken“. Sein Unternehmen, das einst quasi aus Schleswig-Holstein aufgrund restriktiver gesetzlicher Bestimmungen „vertrieben“ worden war, werde jedenfalls gern wieder in die alte Heimat zurückkehren. Dahms hofft, dass über das liberale Modell zur Glücksspielregulierung aus Schleswig-Holstein das monopolistische System in den übrigen 15 Bundesländern ausgehebelt werde. Er geht fest davon aus, dass auch eine eventuell neue Landesregierung in Kiel nichts an diesem Rechtsrahmen ändern werde, der „Rechtssicherheit und Rechtsklarheit“ geschaffen habe, so Dr. Wulf Hambach. Hambach, Gründungspartner von Hambach & Hambach in München http://www.timelaw.de war neben Dr. Jörg Hofmann (Melchers Heidelberg) http://www.melchers-law.com einer der Organisatoren der Veranstaltung. Beide zählen zu den wenigen international sehr angesehenen Glücksspielrechtsexperten aus Deutschland, die auch über eine ausgewiesene Marktkenntnis verfügen.

Faire Diskussion setzt Maßstäbe für Deutschland

Dass sich die Branche nach all den Rückschlägen der vergangenen Jahre zuversichtlich zeigte, mag angesichts der frischen Brise aus Schleswig-Holstein vielleicht nicht überraschen. Schließlich hatte der Landtag in Kiel im Alleingang beschlossen, das Glücksspiel zu liberalisieren und zu regulieren, um Schwarzmarkt und Spielsucht wirksamer bekämpfen zu können. Im März 2012 sollen die ersten Lizenzen vergeben werden. Angeblich stehen schon rund 80 Glücksspielanbieter in den Startlöchern und haben Anfragen an das zuständige Innenministerium gestellt. Was vielleicht eher überrascht, ist das durchaus positive erste Medienecho. Laut NDR sind die Wettanbieter „heiß aus Lizenzen“. Und selbst in der kritischen tageszeitung http://www.taz.de/Zockerlizenzen-in-Schleswig-Holstein/!85802/ war ein bemerkenswert fairer Bericht über die Tagung zu lesen. Dass in Norderstedt in deutscher, englischer und italienischer Sprache sehr ernsthaft mit Vertretern der Industrie, der Politik, mit Juristen, Suchtexperten und anderen über das Thema Glücksspiel gesprochen wurde – und zwar ohne ideologische Scheuklappen und sehr transparent – dürfte zumindest in Deutschland Maßstäbe gesetzt haben.

Der ehemalige Leiter des Arbeitsbereiches Verhaltenstherapie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, Professor Dr. Iver Hand, begrüßte ausdrücklich, dass in Norderstedt der erfolgreiche Versuch unternommen wurde, das Thema zu entideologisieren und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. In den anderen Bundesländern, so das Fazit vieler Teilnehmer, wird zwar über die Branche gesprochen – aber nicht mit ihr. Laut Hofmann hat in Schleswig-Holstein insbesondere Regierungsdirektor Guido Schlütz als „Regulator“ Maßstäbe gesetzt, dem im schleswig-holsteinischen Innenministerium die Glücksspielaufsicht obliegt. Schlütz hatte es sich denn auch nicht nehmen lassen, an der gesamten Veranstaltung teilzunehmen und immer wieder geduldig Rede und Antwort zu stehen.

Der „Paradigmenwechsel“ (Wulf Hambach) in Schleswig-Holstein hat bei den Glücksspiel-Anbietern zu einer regelrechten „Goldgräberstimmung“ geführt, so der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag http://www.shz.de. Die Kieler Presse zitiert einen der „Väter“ – neben FDP-Frontmann Wolfgang Kubicki – des neuen Gesetzes, nämlich den stellvertretenden CDU-Landtagsfraktionsvorsitzenden Hans-Jörn Arp. Dieser erwartet für sein Land jährlich 60 Millionen Euro Steuereinnahmen und mehrere hundert Arbeitsplätze.

Auch für Hambach ist das Gesetz, das allen qualifizierten Anbietern den Marktzugang eröffnet, „faktisch in trockenen Tüchern“. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes arbeite das schleswig-holsteinische Innenministerium noch an zwei Rechtsverordnungen, die die Zulassung und Überwachung von Glücksspielanbietern konkretisieren.

Professor König: Die L 15 verschließen die Augen vor der Wirklichkeit

Diejenigen Glücksspielanbieter, die in Schleswig-Holstein investieren wollen, bewegen sich jedenfalls auf juristisch sicherem Boden, wie Professor Dr. Christian König http://www.profkoenig.de, Direktor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung, in seinem Eröffnungsvortrag deutlich machte. Sein Fazit „eines nordseefernen Rheinländers“ lautete: Das Kieler Glücksspielgesetz steht – im Gegensatz zu den Vorstellungen der anderen 15 Länder – nach dem bestandenen Kohärenz-TÜV der Kommission „als EU-rechtskonformes Leuchtfeuer auch bei stürmischer Nordsee navigationstauglich und regulatorisch gut da“. Während sich Schleswig-Holstein dem sog. dänischen Regulierungsmodell angeschlossen habe, das die offene Konzessionierung von (Online-) Sportwetten-, Poker- und Online-Casinospielen ohne Bankhalter mit einem Abgabensatz von 20 Prozent auf den Rohertrag belege und beim Spielerschutz regulatorisch ansetzt und sich damit den Gefahren des Grau- bzw. Schwarzmarktes wirksam entgegenstellt, verschlössen die „L 15“ die Augen vor der Wirklichkeit und beabsichtigen bisher – ohne Rücksicht auf das Unionsrecht – weiterhin am Glücksspielmonopol für Sportwetten festzuhalten. Nur das schleswig-holsteinische Modell setze auf den mündigen, nicht auf den bevormundeten Bürger und kanalisiere den Spieltrieb in geordnete Bahnen, ergänzte Rechtsexperte Hambach.

Selbst Kritiker des Glücksspiels, das nun einmal zu unserer Lebenswirklichkeit gehört (schließlich lassen sich auch Alkohol, Tabak etc. nicht einfach „verbieten“), dürfte das von Regierungsdirektor Schlütz vorgestellte Modell eines Safe Server überzeugen. Hierunter versteht man ein technisches Kontrollsystem, eine Art „Fahrtenschreiber“ der Glücksspielanbieter. Auf dem Safe Server – dem „Herzstück der Regulierung“ werden Daten für 36 Monate gesperrt. Diese Daten können im Nachhinein nicht gefälscht werden. Der Server wird in Schleswig-Holstein stehen. Zugriff hat ausschließlich die Aufsichtsbehörde. Dies markiert einen wichtigen Unterschied zum dänischen Modell, denn nach dem Kieler Muster werden die Daten verschlüsselt und können nur von der Glücksspielaufsicht eingesehen werden.

Safe Server: Das „Herzstück“ der Regulierung

Viele Sportwettenanbieter stellen sich trotz der transparenten Art der Information auf der Veranstaltung in der „Tribüne“ Norderstedt die Frage, ob sie nun auch rechtlich nichts mehr zu befürchten haben und auch nach eigenem Gusto werben dürfen. Hierzu erklärte Dr. Hambach gegenüber dem Magazin Sponsors http://www.sponsors.de: „Aus strafrechtlicher Sicht ist nichts zu befürchten. Allerdings kommt es auch immer etwas auf die Einstellung der einzelnen Landesregierungen und Kommunen an. Manche wollen ja scheinbar immer noch nicht wahrhaben, dass eine neue Zeit angebrochen ist. Ich denke aber schon, dass sich die Kommunen wie in Kiel für das Geld entscheiden und den Sportwettenanbietern keine Steine in den Weg legen werden. Darüber hinaus fürchten die Kommunen, wie zuletzt die Stadt Gelsenkirchen bei einem unwiderrechtlich ausgesprochenen Werbeverbot, Schadensersatzforderungen. Auf Schalke hat es deshalb kürzlich eine Werbung für Sportwetten gegeben, die durch die Stadt Gelsenkirchen nicht verboten wurde, obwohl die Bezirksregierung Düsseldorf dies so angeordnet hatte.“

Matthias Dahms von der Jaxx AG äußerte am Ende der Veranstaltung zumindest die Hoffnung, dass sich die anderen Bundesländer ein Vorbild an der Glücksspielrechtskonferenz vom 16. Januar nehmen und gemeinsam mit der Industrie aus dem In- und Ausland, mit Suchtexperten und den Regulierungsbehörden nach dem besten Weg suchen werden. Wer weiß, vielleicht orientieren sich die L 15 dereinst doch an dem schleswig-holsteinischen Modell, wenn dies erste Früchte trägt. Dr. Hambach erinnerte zu Recht daran, dass auch die Kieler Opposition in den diversen Landtagsanhörungen immer wieder davor gewarnt habe, dass die Anbieter nicht aus ihren Steueroasen hervorkommen würden, auch wenn man im Norden im Alleingang liberalisieren würde. „Norderstedt“ sollte die Kritiker des Weges, den von Seiten der Regierungsfraktionen insbesondere die Herren Arp und Kubicki mutig beschritten haben, eines Besseren belehren.

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