Kieler Regierungsfraktionen bringen neues Glücksspielrecht auf den Weg

Bundesweite Vorreiterrolle: Kieler Regierungsfraktionen bringen widerspruchsfreies Glücksspielrecht auf den Weg – FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki: Liberalisierung ist alternativlos

von Andreas Schultheis

Kiel, Dezember 2010 –
„Rien ne va plus“ heißt es dieser Tage landauf und landab mit Blick auf die vor den Schneemassen kapitulierenden Busse, Bahnen, Flieger. Während Schulen und Kindergärten den Ferienbeginn vorziehen und ihre Schützlinge der freudigen Erwartung auf das Fest überlassen, hat sich der Kieler Landtag in der letzten Woche aufgemacht, Geschichte zu schreiben. Weil sich die Konferenz der Ministerpräsidenten Tage zuvor nicht auf einen neuen Glücksspielstaatsvertrag einigen konnte und die Entscheidung hierzu in den März 2011 verlegt hat, machten CDU http://www.cdu.ltsh.de und FDP http://www.fdp-sh.de an der Kieler Förde ihre bereits im Koalitionsvertrag fixierte Ankündigung wahr und brachten den im Juni vorgelegten Vorschlag eines Gesetzes zur Neuordnung des Glücksspiels in erster Lesung in den Landtag von Schleswig-Holstein ein.

Monopol gibt keine Garantie für Suchtprävention

Und so könnte dieser 17. Dezember zu einem „historischen Freitag“ werden. Schon im September hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) http://curia.europa.eu/jcms/jcms/Jo2_6999 den noch bis Ende 2011 geltenden deutschen Glücksspielstaatsvertrag, der das staatliche Glücksspielmonopol mit der Suchtbekämpfung begründet, verurteilt und dem deutschen Gesetzgeber eine widerspruchsfreie und vor allem rechtmäßige Glücksspielpolitik verordnet. Zuletzt hatte auch Europas Binnenmarktkommissar Michel Barnier die Bundesländer aufgefordert, die deutsche Regelung mit EU-Recht in Einklang zu bringen.

„Das Urteil war eine schallende Ohrfeige. Suchtprävention taugt nicht als Begründung für das Glücksspielmonopol“, konstatierte dann auch Hans-Jörn Arp, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Kieler Landtag. Die vom EuGH geforderte Kohärenz werde man niemals durch eine Fortschreibung des Monopols erreichen, wie sie von etlichen Landesregierungen und auch weiten Teilen der Kieler Opposition favorisiert werde. Die Sozialdemokraten zeichneten sich dabei durch Doppelmoral aus, wie der Blick nach Rheinland-Pfalz beweise: Während Ministerpräsident Kurt Beck sich unter dem Deckmantel der Suchtprävention an die Spitze der Monopol-Verfechter setze, treibe Lotto Rheinland-Pfalz in den Bundesliga-Stadien in Kaiserslautern und Mainz aggressive Werbung. Bezeichnenderweise hatte das Oberlandesgericht Schleswig der NordwestLotto Schleswig-Holstein GmbH & Co. KG Mitte Dezember die Bewerbung ihrer Lotterieprodukte untersagt, weil das Unternehmen gegen den vom deutschen Lotto- und Totoblock befürworteten Glücksspielstaatsvertrag verstoße.

Nur ein legaler Markt ist kontrollierbar

Durch den Gesetzentwurf von Union und FDP in Schleswig-Holstein, der eine kontrollierte Liberalisierung des Marktes und Lizenzierung privater Anbieter vorsieht, „drängen wir den Schwarzmarkt zurück. Wir erlauben Werbung, was den Anreiz für den Erwerb von Lizenzen sehr stark erhöht. Wir legalisieren das Internetspiel und generieren daraus erstmals Einnahmen für den Staatshaushalt. Wir verbessern auch den Spielerschutz: Nur ein legaler Markt kann wirksam kontrolliert werden. Wir legen den Anbietern Informationspflichten auf, wir verpflichten sie zur Aufklärung über Risiken und zur Erstellung eines Sozialkonzeptes“, so Arp. Mittels zentraler Prüfstelle und Sperrdatei könnte schließlich effektiv gegen Spielsucht vorgegangen werden. „Mit unserem Modell wird es eine kohärente Suchtprävention geben.“

Für FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki ist die Begründung der Suchtbekämpfung für den Erhalt des staatlichen Monopols „längst Schnee von Gestern“ und hat „einen Bart hat, der dem des Weihnachtsmannes alle Ehre macht.“ Mit der Kombination aus staatlichem Lotteriemonopol sowie separaten und eigenständigen Regelungen für die übrigen Glücksspielbereiche „legen wir ein modernes Regulierungskonzept vor, das nicht nur von Sport und Industrie in Deutschland seit langem gefordert wird, sondern auch von anderen europäischen Staaten, zum Beispiel in England, Italien und kürzlich auch in Dänemark, bereits erfolgreich umgesetzt wurde“, unterstrich der Liberale. Dieser Weg sei alternativlos.

Wegbereiter für ein widerspruchsfreies Glücksspielgesetz

Dabei wird der Lotteriestaatsvertrag weitgehend übernommen. Der Sportwettenmarkt wird aus der Grauzone herausgeholt – 97,5 Prozent aller Sportwetten werden derzeit bei nicht zugelassenen Anbietern abgeschlossen, lediglich 2,5 Prozent beim staatlichen Anbieter Oddset – und reguliert geöffnet, der Spieltrieb durch ein staatliches Konzessionsmodell kanalisiert, auf Internetsperren wird verzichtet. Durch Einführung einer Glücksspielabgabe, legales und kontrolliertes Internetglücksspiel, die Lockerung der Werbe- und Angebotsrestriktionen für Lotto und die Zulassung von privaten Wettanbietern haben Bund, Länder und Kommunen sowie in der Folge auch die Sportverbände die Möglichkeit, Gelder einzunehmen, die sonst am deutschen Ordnungssystem und am Fiskus vorbei auf einem milliardenschweren Schwarzmarkt bewegt werden.

Trotz vielfältiger und teilweise gehaltloser Oppositions-Kritik wurde der Kieler Gesetzesentwurf einstimmig zur weiteren Beratung in die Ausschüsse verwiesen. Gleichzeitig, so Wolfgang Kubicki im Interview nach der Landtagsdebatte, werde man den Entwurf des Landesgesetzes nun der EU-Kommission zuleiten, um die Konformität mit Europarecht prüfen zu lassen und eventuelle Bedenken aus Brüssel frühzeitig im weiteren Verfahren berücksichtigen zu können. Mit einer Verabschiedung im Juni 2011 verfüge Schleswig-Holstein zum 1. Januar 2012 als erstes Bundesland über ein widerspruchsfreies Glücksspielgesetz, dem sich nach seiner Ansicht weitere Länder anschließen werden. Zudem sei der Entwurf geeignet, für alle Bundesländer als neuer Glücksspielstaatsvertrag zu dienen. Die Signale seien positiv, dennoch müsse weitere Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die Kollegen in den Landesparlamenten würden deshalb kontinuierlich informiert. Neben Schleswig-Holstein rechnet er derzeit mit mindestens fünf weiteren Landesregierungen, die den Weg der kontrollierten Liberalisierung mitgehen. Keinesfalls werde man sich einer Bewegung aus den Ländern, die das Glücksspielmonopol in der jetzigen Form zementieren wollten, anschließen: „Inhaltlich gibt es zu unserem Entwurf keine Alternative“, so Kubicki.

Für den Münchener Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach http://www.timelaw.de, der die Sitzung im Kieler Landtag verfolgt hat, sind viele Argumente der Opposition nicht nachvollziehbar. Wer – wie es der Abgeordnete Andreas Beran für SPD in der Debatte beispielsweise getan hat – immer wieder behauptet, die Wettanbieter würden auch nach einer Liberalisierung vom Ausland aus agieren, „hat die Grundzüge des Gesetzesentwurfs nicht verstanden und argumentiert ohne Substanz. Um in Deutschland Werbeverträge mit den großen Medien zu schließen und das eigene Angebot bewerben zu können, bedarf es der Lizenzierung in Deutschland. Die gibt es nicht für ein Unternehmen, das von einer Steueroase aus operiert“, so Hambach. Die kontrollierte Liberalisierung mit einer Lizenzierung sei der Schlüssel für den deutschen Markt. „Wer keine Lizenz erwirbt und damit die entsprechenden Anforderungen nicht erfüllt, darf auch hier nicht werben.“ Der Spieler indes kenne die etablierten und lizenzierten Anbieter aus den Medien und könne auf deren Seriosität vertrauen. Auch nach Ansicht von Sven Stiel (Pokerstars.de, Isle of Man) sind insbesondere die immer wieder ins Feld geführten Bedenken gegen die Online-Angebote nicht haltbar. „Jeder seriöse Anbieter ist darauf bedacht, dass Spieler sich nicht übernehmen können. Deshalb haben viele Anbieter wie wir bereits Systeme etabliert, die das Spielverhalten beobachten, entsprechende Auffälligkeiten in Echtzeit entdecken und anzeigen können.“ Damit werde man den Anforderungen, die der Gesetzentwurf vorsieht, gerecht und gewährleiste den Spielerschutz.


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