Schluss mit der Lebenslüge Suchtbekämpfung – Experten halten das staatliche Wettmonopol für kontraproduktiv

Ein Artikel von Ansgar Lange

Frankfurt/München, November 2010 – „Wir müssen mit der Lebenslüge aufhören, das Lottomonopol diene der Suchtbekämpfung beim Glücksspiel“, sagt Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Die Sportverbände und Profiligen setzen darauf, dass das staatliche Wettmonopol fällt und private Sportwettenanbieter sich mit einer Lizenz auf dem Markt betätigen können. Das staatliche Lottomonopol soll als eine tragende Säule erhalten bleiben. „Die Öffnung bei den Sportwetten hätte enorme Auswirkungen“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS). „Die Schranken gingen hoch für einen neuen Markt, von heute auf morgen entstünde ein neuer, legaler Wettbewerb zwischen potenten Anbietern. Es gibt Schätzungen, wonach die Profiligen im Fußball, Handball, Basketball und Eishockey davon mit Sponsoringgeldern von insgesamt 200 bis 400 Millionen Euro im Jahr profitieren könnten“.

Doch dies ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite gibt es laut FAS die „hartnäckigen Verfechter des bestehenden Glücksspielstaatsvertrages“. Diese warnten davor, dass eine Aufweichung den gesamten staatlichen Lottoblock mit seinen derzeit sieben Milliarden Euro Umsatz gefährde, weil auch hier in absehbarer Zeit die Barrieren für private Anbieter wohl fielen. Wer den Kampf um das Monopol gewinne, sei offen, schreibt die Sonntagszeitung.

Dabei sprechen gute Gründe für ein Aufbrechen des verkrusteten und ineffektiven Monopols und eine maßvolle Liberalisierung. So hat das Institut „Sport und Markt“ in Köln registriert, wie in Frankreich durch die Liberalisierung des Wettmarktes die Einkünfte im Fußball beim Trikotsponsoring sprunghaft gestiegen sind – um 55 Prozent. Dies gelte ebenso für England, Spanien und Italien. „Die Beispiele aus dem westeuropäischen Ausland beweisen, dass legalisierte Märkte zudem besser kontrollierbar sind. Hier versagt das bisherige Staatsmonopol ja eklatant. Ein staatliches Monopol, so unsere Erfahrung, verringert nicht zwangsläufig Manipulation und Suchtpotenziale“, sagt der Münchner Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach und fordert für den Bereich Online-Glücksspiel eine europäische Lerngemeinschaft, da es bereits gute Modell bei den europäischen Nachbarn gebe. Wer bei den Sportwetten auf Liberalisierung setze, so der Rechtsexperte, müsse konsequenterweise auch für eine Legalisierung von Online-Poker eintreten, damit sich der „rechts-graue“ Raum lichte. Deutschlands Nachbarn Dänemark, Frankreich Italien und neuerdings wohl auch Holland seien diesen Weg gegangen und das auch gutem Grund. So sei der Rohertrag, der bei Online-Poker erzielt werden könne, sogar noch etwas höher als der Rohertrag von Sportwetten, sagt Hambach.

Befürworter des Staatsmonopols führen häufig ins Feld, dass nur ein solches Monopol eine üppige Förderung des Breitensports garantiere. Kritiker halten diese Argumentation für wenig stichhaltig. „Wir sind im Fall einer Öffnung für eine Sportwettenabgabe der privaten Wettanbieter, die auch dem gemeinnützigen Sport zugute käme, nicht jedoch den Profis. Wir stellen uns einen Anteil am Umsatz vor. Er muss spürbar, aber auch marktgerecht sein und liegt unseres Erachtens zwischen drei und zehn Prozent“, so Vesper gegenüber der FAS. Am Ende könnte es nur Gewinner und keine Verlierer geben, denn nach Vespers Vorstellungen könnte der staatliche Lottoblock nach einer „moderaten Liberalisierung und maßvollen Öffnung des Wettmarktes“ (Wulf Hambach) auch selbst wieder offensiver werben können – und zwar ohne das Menetekel der Suchtgefahr, das wohl am ehesten auf Glücksspielautomaten zutrifft.

Der „große Kampf um die Wett-Millionen“ (FAS) geht in eine nächste Runde. Bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 15. Dezember könnte eine Vorentscheidung fallen. Die Arbeitsgruppe „Zukunft des Lotteriemonopols“ soll bis dahin zwei Entwürfe für einen neuen Glücksspielstaatsvertrag ausarbeiten. „Auf den Sieg einer Interessengruppe in diesem Milliardenspiel zu wetten wäre aber derzeit reine Glückssache“, schließt die Zeitung ihren Artikel.