Gaming ist kein rechtsfreier Raum

(RH/SR). Unternehmerische Verantwortung übernehmen, bevor der Regulierer kommt. Verband der Games-Branche sagt Teilnahme ab.

Die Diskussion um Lootboxen und mögliche suchtgefährdende Aspekte gerade für Kinder und Jugendliche ist definitiv nicht neu. Aber der politische und gesellschaftliche Diskurs hat in den zurückliegenden Monaten Fahrt aufgenommen.

In einer ersten Online-Veranstaltung im September 2022 von „gluecksspielwesen.de“ machte der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Dr. Frederik Weinert auf wesentliche Fakten des Geschäftsmodells Lootboxen in Games aufmerksam. Gaming von gestern sei heute vielfach auf Gambling ausgelegt. So stiegen, nach seinen Aussagen, die Umsätze von 2008 bis 2021 von 53 Mio. Euro auf 4,239 Milliarden Euro. Daraus schließt er auf einen Trend zur Gewinnmaximierung.

Vor diesem Hintergrund hatte „gluecksspielwesen.de“ zu einer weiteren Online-Veranstaltung unter dem Titel „Schleichender Einstieg ins Glücksspiel oder harmloser Freizeitspaß“ eingeladen. Im virtuellen Podium mit dabei waren Fabian Gramling MdB, CDU/CSU Bundestagsfraktion, Marcel Hafke MdL, Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion NRW und Mitglied in der Kinderschutzkommission des Landes, Dr. Andreas Woerlein, Rechtsanwalt bei Melchers im Bereich eSport- und Glücksspielrecht und Mitbegründer des Kompetenzzentrums eSport an der Leibniz Universität Hannover und Axel Weber, verantwortlich für den Bereich Responsible Gaming bei Westlotto, dem größten Lotterieunternehmen Deutschlands. Leider musste der Europaabgeordnete René Repasi aus privaten Gründen seine Teilnahme absagen. Auch konnte kein Vertreter der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) aus Termingründen teilnehmen. Der Verband der deutschen Games-Branche hatte seine Teilnahme abgesagt, da eine direkte Beteiligung des Bereichs Glücksspiel im virtuellen Podium gegeben sei und „Games haben mit Glücksspiel nichts zu tun“.

In der sachorientierten Diskussion wurde schnell klar, dass es nicht um eine vordergründige apodiktische Verbotsforderung für Lootboxen gehe. Vielmehr seien auch die Unternehmen dafür verantwortlich, dass suchtgefährdende Inhalte, Angebote und Anreize selbstverpflichtend geregelt werden. Gaming sei eben kein rechtsfreier Raum. Für erwachsene Teilnehmer an Glücksspielen gebe es klare Regeln und Vorsorge für Spielerschutz und Verhinderung von möglichen Suchtgefahren. Ähnliche Anreizphänomene gäbe es auch bei Lootboxen. Aber warum ohne Regeln? Gramling sagte dazu, dass der digitale Markt zu lange bei der Gesetzgebung links liegen gelassen wurde. Ein Umstand, der sich ändern muss. Sowohl bei der Förderung als auch beim Spielerschutz. Hafke ergänzte, dass die Politik die rechtsfreien Räume im gesamten online Bereich beseitigen sollte.

Der gemeinsame Diskurs wurde dringend angeraten. Nicht zuletzt, weil das Urteil eines österreichischen Gerichts (Hermagor) einen Präzedenzfall in deutschsprachigem Raum liefert. Zwar beantwortet das Urteil nicht alle juristischen Fragestellungen in Deutschland, es wäre aber dennoch rechtlich möglich, das Urteil nach Deutschland zu transferieren. Eine Klagewelle werde wohl auch im deutschen Raum geben. „Daher sollte man sich schon vor einem Gerichtsverfahren in den Dialog begeben“, erläuterte Woerlein. Bei 4,239 Milliarden-Umsatz darf allerdings eine gewisse Skepsis angebracht sein. Die Umsatzrückgänge für die Unternehmen wären schon gigantisch.

Eins wurde allerdings auch klar: Der Markt für Online-Videospiele wächst. 2020 umfasste er 23,3 Milliarden Euro. Damit ist und bleibt die Branche ein wichtiger Antreiber für Innovation und digitale Transformation, aber die Verbraucher, insbesondere Kinder und Jugendliche, müssen besser zum Bsp. vor der Verwendung manipulativen Inhalte geschützt werden.

„gluecksspielwesen.de“ wird seine Veranstaltungsreihe zu Lootboxen am 28. August 2023 mit einer Online-Veranstaltung zu rechtlichen Fragen einer möglichen Regulierung fortsetzen.