Interview: Zum Schutz von Spielerinnen und Spielern von Online-Videospielen bedarf es neuer regulativer Vorgaben.

Das Interview wurde geführt von Robert Hess

(RH). Vergangenes Jahr stellte die CDU/CSU Bundestagsfraktion eine kleine Anfrage zum Thema Games und E-Sports, in der auch das Thema Lootboxen eine Rolle spielte. Wir haben mit dem zuständigen Bundestagsabgeordneten Fabian Gramling gesprochen.

Hess: Die Fraktion der CDU/CSU im Bundestag hat sich in einer Kleinen Anfrage (DRS. 20/4013) umfangreich mit Games und E-Sport beschäftigt. In der Fraktion sind Sie ja die treibende Kraft in diesen Themenfeldern. In zwei Fragen (23 und 24) greifen Sie allerdings auch das Thema Lootboxen auf. Was hat die Fraktion bzw. Sie bewogen, dieses Thema zum Gegenstand der Anfrage zu machen?

Fabian Gramling (Foto: Fabian Beckmann)
Fabian Gramling (Foto: Fabian Beckmann)
Gramling: Mit der Kleinen Anfrage unserer Fraktion zu den Vorhaben der Bundesregierung zu Games und E-Sport haben wir einen ganzheitlichen Fragenkatalog an die Bundesregierung geschickt. Trotz großer Ankündigungen im Bereich Games hat die Bundesregierung bisher wenig vorangebracht. Zur ganzheitlichen Betrachtung von Games gehört auch das Thema Lootboxen. Allein seit 2016 ist der Umsatz mit In-Game-Käufen in Deutschland von 659 Millionen Euro auf 4.239 Milliarden (2021) gestiegen. Dazu gibt es erste wissenschaftliche Studien, die Lootboxen als suchtfördernde Mechanismus belegen und negative Auswirkungen auf Schulerfolg oder den Umgang mit Geld nachweisen. In Sonntagsreden wird gerne häufig über Jugend- und Spielerschutz gesprochen. Umso ernüchternder ist es, dass trotz neuester Erkenntnisse die Bundesregierung kein Problembewusstsein erkennen lässt.

Hess: 20 europäische Verbraucherschutzzentralen haben im letzten Jahr einen vielbeachteten Bericht „Insert Coin“ veröffentlicht und darauf hingewiesen, dass Gaming und Gambling praktisch unkontrolliert verschmelzen und die Programmierer über Lootboxen die Spiele zu regelrechten Online-Casinospielen machen. Fehlt es hier an klaren regulativen Vorgaben?

Gramling: Ja, zum Schutz von Spielerinnen und Spieler von Online-Videospielen bedarf es neuer regulativer Vorgaben. Klar ist, dass sich die Games-Branche und die Spiele in großem Tempo stetig weiterentwickeln. Für die Politik gilt es nun, auf diese Entwicklungen angemessen zu reagieren. Das EU-Parlament hat die Kommission auffordert, strengere Regeln zum Schutz von Spielerinnen und Spieler zu erarbeiten. Ich begrüße diese Initiative sehr, weil ein abgestimmtes Vorhaben in einem großen europäischen Games-Markt von großer Bedeutung ist. Als Union werden wir uns konstruktiv an diesem Vorhaben beteiligen.

Im Hinblick auf neue Regularien ist jedoch entscheidend, dass auf eine angemessene Art und Weise auf Lootboxen und In-Game-Käufe reagiert wird und diese auch der heutigen Ausgestaltung von Spielen entsprechen. Für mich steht im Zuge neuer Regulierungen vor allem im Fokus, welche technischen Schutzmechanismen im Spiel oder auf Ebene der Konsole eingeführt werden können - so kann ein Schutz von Spielerinnen und Spieler gewährleistet werden, ohne die Innovationskraft von Entwicklerstudios zu hemmen. Technische Schutzmaßnahmen können beispielsweise darin bestehen, dass Eltern die Möglichkeiten erhalten, per Voreinstellung an der Konsole oder in den Spielen, In- Game-Käufe und die Nutzung von Lootboxen zu deaktivieren. Diese Kontrolle kann dabei nicht nur Eltern, sondern auch erwachsene Spielerinnen und Spieler zu Gute kommen, die sich durch unterschiedliche Mechanismus eigene Limits setzen möchten, bspw. wie viel Geld sie ausgeben möchten. Die technische Umsetzung solcher Schutzmechanismus ist heutzutage dabei das geringste Problem. Wichtig ist, dass beschlossene Schutzmechanismen auch europaweit angewendet werden. So schützt man nicht nur Spielerinnen und Spieler, sondern stellt auch zwischen internationalen Spieleentwickler für die Veröffentlichung in Europa eine Wettbewerbsgleichheit sicher, die europäische Spieleentwickler nicht benachteiligt.

Die Games-Branche ist ein Innovationstreiber, sie sichert Arbeitsplätze und ist in vielen Länder ein bedeutender, dynamischer Wirtschaftsfaktor. Digitale Spiele prägen dabei das alltägliche Leben von Menschen weltweit. Ein generelles Verbot von Spielen mit Lootboxen würde daher einer Branche ein Riegel vorschieben, der in dieser Form nicht notwendig ist. Neben der Initiative des EU-Parlaments hinsichtlich neuer Regularien zu Lootboxen, begrüße ich daher vor allem den Vorstoß auf EU-Ebene gleichzeitig eine einheitliche Strategie zur Entwicklung des Games-Standortes Europa zu entwickeln. Die im vergangenen unionsgeführtem Bundesverkehrsministerium entwickelte und international anerkannte "Strategie für den Games-Standort Deutschland" kann hierbei als Orientierung dienen.

Hess: Ein breiter gesellschaftspolitischer Diskurs aus Politik, Wissenschaft und Industrie zu diesem fließenden Übergang zwischen Gaming und Gambling und der damit verbundenen Suchtgefahren insbesondere für Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren ist bisher Fehlanzeige. Wie können Ihre Aktivitäten mithelfen, einen solchen Diskurs anzustoßen?

Gramling: Mit unserer Kleinen Anfrage zu Games und E-Sport haben wir ein Stück weit die Diskussion bereits angestoßen. Das Inkrafttreten der Novellierung des Jugendschutzgesetzes zum 1. Januar 2023, sowie die jetzige Initiative des EU-Parlaments tragen dazu bei, dass ein gesellschaftlicher Diskurs über Games und Lootboxen entsteht - vor allem in der Branche. Wichtig ist, dass neue Regularien unter Einbeziehung aller Akteure in der Games-Branche getroffen werden und diese im Nachgang Spielerinnen und Spieler sowie Eltern verständlich vermittelt werden. Ich selber stehe im regelmäßigen Austausch mit Akteuren in der Games-Branche und hole mir deren Einschätzungen ein.

Hess: Bisher hat es die Politik vermieden Lootboxen als Glücksspiel einzustufen. Dann wären da die Bundesländer gefordert, da sie für die Glücksspielregulierung zuständig sind. Also bleiben bisher nur das Jugendschutzgesetz und der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. In diesem Kontext kommt der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) eine entscheidende Rolle zu. Sie ist für Prüfkriterien und entsprechende Empfehlungen zuständig. In den neuen USK-Warnhinweisen wird komplett auf den Hinweis Lootboxen verzichtet, statt dessen wird von „In-Game-Käufe und zufällige Objekte“ gesprochen. Hat die USK da Hemmungen bei klaren Ein- und Zuordnungen?

Gramling: Teil der Diskussion zwischen Politik, Wissenschaft und Industrie muss auch die Rolle und die Kompetenzen der USK sein. Die neuen Warnhinweise der USK, aufgrund der Änderungen im Jugendschutzgesetz, sind ein erster Schritt. Die zusätzlichen Hinweise begründen die Einstufung und geben Verbrauchern mehr Orientierung. In einem nächsten Schritt muss nun untersucht werden, ob der USK noch weitere Kompetenzen eingeräumt werden können, um Einstufungen auch aufgrund anderer Kriterien vorzunehmen. Auch hier können vom Spieleentwickler bereitgestellte Schutzmaßnahmen im Spiel ein entscheidendes Kriterium sein.

Hess: Muss nicht die Politik (Bund oder/und Länder) eingreifen, wie z.Bsp. in Belgien oder den Niederlanden und zumindest der Prävention und digitalen Bildung bei diesem Thema einen höheren Stellenwert einräumen?

Gramling: Die digitale Bildung ist für mich von großer Bedeutung. Im Fokus steht für mich dabei der Umgang mit den digitalen Medien. Kinder und Jugendliche wachsen mit einem immensen Grad an Digitalisierung auf und nehmen diese selbstverständlicher an als ältere Generationen. Bei der digitalen Bildung muss daher vor allem die Vermittlung von Gefahren sowie die Sensibilisierung junger Spielerinnen und Spieler in ihrer Rolle als Konsumenten im Fokus stehen.

Über Fabian Gramling

Fabian Gramling, geboren 1987 in Stuttgart, ist verheiratet und direktgewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Neckar-Zaber (Baden-Württemberg).

In seiner Heimatstadt Besigheim machte er 2004 die Mittlere Reife und absolvierte im Anschluss eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Kreissparkasse Ludwigsburg. Über den zweiten Bildungsweg erlangte er die Allgemeine Hochschulreife und studierte im Anschluss Accounting & Controlling an der DHBW Stuttgart in Kooperation mit der PwC GmbH. Bis 2016 war er Prüfungsleiter in der Wirtschaftsprüfung bei PwC GmbH, zeitgleich schloss er ein nebenberufliches Masterstudium im Studiengang Auditing, Business and Law an der Hochschule in Pforzheim ab.

Seit 2013 gehört Fabian Gramling dem Kreisvorstand der CDU im Landkreis Ludwigsburg an, seit 2017 auch dem Landesvorstand der CDU Baden-Württemberg. Von 2016 bis 2021 war er Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg. Bei der Bundestagswahl 2021 erlangte Fabian Gramling das Direktmandat in seinem Heimatwahlkreis Neckar-Zaber. Im Deutschen Bundestag ist er ordentliches Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, dazu stellvertretendes Mitglied im Wirtschaftsausschuss sowie im Umweltausschuss.