Bundesregierung sieht Gefahr bei Lootboxen, aber keine Zuständigkeit. Länder sind gefordert.

Ein Artikel von Robert Hess

Die Bundesregierung sieht Gefahren bei Lootboxen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung (Drucksache 20/4533 (bundestag.de)) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (Drucksache 20/4013) hervor. Die Anfragesteller wollten Antworten der Bundesregierung zu Vorhaben zu Games und E-Sport insgesamt. In mehreren Fragen ging es aber auch um Lootboxen und den möglichen Zusammenhängen zwischen Lootboxen in Spielen und Spielsucht.

Robert Hess M.A. war in Politik, Verwaltung und Wirtschaftsunternehmen über viele Jahre in leitenden Funktionen tätig. Heute ist er Inhaber eines Beratungsunternehmens und arbeitet als freier Journalist.
Robert Hess M.A. war in Politik, Verwaltung und Wirtschaftsunternehmen über viele Jahre in leitenden Funktionen tätig. Heute ist er Inhaber eines Beratungsunternehmens und arbeitet als freier Journalist.
Zur Frage nach den Risiken von Lootboxen schreibt die Bundesregierung (Antwort auf die Frage 23):
„In Online-Spielen eingesetzte Kauffunktionen oder glücksspielähnliche Mechanismen wie Lootboxen können je nach Ausgestaltung für Kinder und Jugendliche eine entwicklungsbeeinträchtigende und möglicherweise sogar jugendgefährdende Wirkung entfalten. Sie können zu einem Kontrollverlust über finanzielle Ausgaben führen und die Entwicklung eines exzessiven Spielverhaltens begünstigen. Darüber hinaus können gerade glücksspielähnliche Elemente die Gefahr eines Übergangs zu Online-Glücksspielen und dem damit verbundenen Risiko der Glücksspielsucht bergen.“

Allerdings lägen der Bundesregierung keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, ob ein Zusammenhang zwischen Lootboxen in Spielen und der Entstehung von Spielsucht bestehe. Sie verweist allerdings auf eine britische Studie.

In Gaming_and_Gambling_Report_Final_0.pdf (begambleaware.org) „verweisen die Forschenden allerdings auf eine Reihe von Studien, in denen sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Kauf von Lootboxen und problematischem Glücksspielverhalten zeigt. Auf Basis der bestehenden Forschungslage ist insgesamt davon auszugehen, dass die Nutzung von simuliertem Online-Glücksspiel u. a. mit nachfolgenden Wirkungen einhergehen kann: Hinleitung zum störungsbehafteten Spielen, Prägung positiv gefärbter Glücksspieleinstellungen, Desensibilisierung gegenüber Glücksspielverlusten, kognitive Verzerrungen bezüglich Gewinnchancen und zur Beeinflussbarkeit der Spielverläufe, (schnellerer) Umstieg zum echten Glücksspiel. Dieses Risikopotenzial wird im besonderen Maße gesehen, wenn die Angebote In-Game-Käufe ermöglichen (z. B. durch käuflich erwerbbare Lootboxen) und wenn mit überhöhten Gewinnwahrscheinlichkeiten und -ausschüttungen operiert wird.“

Weiter wird auf eine Studie der Krankenkasse DAK-Gesundheit verwiesen:
Danach „gelten 15,4 Prozent der unter 18-Jährigen als sogenannte Risiko-Gamende, die ein riskantes oder pathologisches Spielverhalten im Sinne einer Spielsucht praktizieren und negative Begleiterscheinungen hinsichtlich Schulerfolg, Kostenkontrolle und Emotionsmanagement zeigen. Dabei werden monetäre Aspekte von Spielen, wie etwa Investitionen in Spielerweiterungen, In-Game-Währungen oder Lootboxen als suchtfördernde Mechanismen bezeichnet, die als Spielelemente des simulierten Glücksspiels aufgefasst werden.“

Erstaunen muss allerdings die Antwort der Bundesregierung, ob ihre Erkenntnisse oder Statistiken darüber vorliegen, wie viele Einnahmen Spieleanbieter über Lootboxen generieren. Lapidare Antwort der Bundesregierung: Ihr lägen keine Erkenntnisse vor. Auf einer Veranstaltung des Behördenspiegel zu Lootboxen (Quelle: gluecksspielwesen.de) hat der Medien- und Kommunikationswissenschaftler und Buchautor Dr. Frederik Weinert eindrucksvolle und offensichtlich belegbare Zahlen/Schätzungen präsentiert. So stiegen die Umsätze der Anbieter zwischen 2008 und 2021 um das Achtfache, von 53 Mio. € auf 4,239 Mio. €. Für ihn ist das rasante Wachstum bei Umsätzen durch In-Game-Käufe klar zu beobachten. Allgemein zugängliche Quellen sollten der Bundesregierung eigentlich bekannt sein. Ok, vielleicht etwas Rechercheaufwand.

Bei der Antwort auf die Frage, ob die Bundesregierung die Notwendigkeit einer Regulierung, auch seitens der Bundesländer, mit Blick auf Glücksspiel sieht, fällt die Antwort der Bundesregierung genauso lapidar wie bei der Frage nach den Einnahmen/Umsätzen der Spieleanbieter über Lootboxen aus:
„Glücksspielrecht im engeren Sinne ist Sache der Länder und wird von dort im Glücksspielstaatsvertrag adressiert.“

So einfach kann man es sich auch machen: Wo bleibt die klare Positionierung des Drogen- und Suchtbeauftragten der Bundesregierung, dass die Entwicklung rund um Lootboxen durchaus brandgefährlich ist? Lootboxen können problematisches Spielverhalten im jugendlichen Alter fördern. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesregierung ihre Chance ergreift, das Thema Lootboxen in den Fokus der gesellschaftspolitischen Debatte zu rücken, auch wenn sie formal nicht für die Glücksspielregulierung zuständig ist.