Sportwetten in Europa – Der Fall EU-Recht gegen EU-Politik

Der Geschäftsführer von Stanleybet International, John Whittaker, ist besorgt darüber, dass protektionistisch agierende EU-Mitgliedsstaaten die Europäische Kommission zunehmend an der Umsetzung von EU-Recht in der Glücksspiel- und Wettbranche hindern.

Im Herzen Europas tobt ein erbitterter Kampf, der sich bislang der Aufmerksamkeit der meisten EU-Bürger entzogen hat. Auf der einen Seite steht das Europäische Recht, der Grundpfeiler der Europäischen Union, dessen Gültigkeit für alle Mitgliedsstaaten vom Europäischen Gerichtshof aufrecht erhalten und traditionell von der Europäischen Kommission überwacht wird. Ihm gegenüber steht die Europa-Politik einzelner Mitgliedsstaaten, die zunehmend laut über die Reformierung einiger Grundsäulen des europäischen Rechts nachdenken, wenn diese ihren protektionistischen Ambitionen entgegen stehen. An der Sportwetten-Streitfrage manifestiert sich dieser Kampf vielleicht am deutlichsten.

In den letzten fünf Jahren hat der EuGH standhaft die Bestrebungen einzelner Mitgliedsstaaten verurteilt, die eine restriktive und protektionistische Politik mit dem Ziel betrieben, den nationalen Markt frei zu halten von privaten Sportwettenanbietern aus anderen EU-Ländern. Ein eindeutiges Signal in diese Richtung setzte der EuGH mit den Urteilen Gambelli (2003) und Placania (2007), bei denen Stanleybet International (SBI) jeweils als Hauptakteur auftrat. In beiden Fällen bestätigte der EuGH, dass es durchaus dem europäischen Recht entspricht, wenn ein in einem EU-Land legal lizenzierter Sportwettenanbieter seine Dienste über die nationalen Grenzen hinweg in einem anderen EU-Land anbietet.

Gewiss, die Europäische Kommission legte mit ihren Durchsetzungsbemühungen des EU-Rechts einen beachtlichen Start hin. Um unrechtmäßige Restriktionen in Mitgliedsstaaten zu unterbinden, hatte die Kommission im Jahre 2006 bereits eine ganze Reihe von Vertragsverletzungsverfahren in Gang gebracht. Allerdings stießen die Verfahren auf massive Gegenwehr der Staaten, die am meisten zu verlieren haben, und plötzlich scheint es, als seien die Karten zugunsten der protektionistischen Staaten neu gemischt.

Mögen die jüngsten Vertragsverletzungsverfahren oberflächlich besehen auch die Form unparteiischer Prozesse aufweisen, so besteht jedoch kein Zweifel daran, dass die Endergebnisse durch andere politische Kräfte drastisch beeinflusst werden. Unlängst von der Kommission getroffene Entscheidungen sprechen eine eindeutige Sprache. Sie führten dazu, dass einige Vertragsverletzungsverfahren – wie etwa das gegen Frankreich – blockiert wurden. Entsprechend äußerte sich Tony Barber von der Financial Times in Brüssel: „Lassen Sie es mich so sagen: Die Barroso Kommission wählt sorgfältig aus, mit wem sie sich anlegt.“

Die Gründe dafür liegen offen zutage. Da Frankreich bis zum Ende des Jahres die EU-Präsidentschaft inne hat, ist es eher unwahrscheinlich, dass das französische Vertragsverletzungsverfahren in den nächsten 12 Monaten große Fortschritte machen wird. De facto ist es keinesfalls sicher, dass überhaupt einer der entsprechenden Fälle, die im Augenblick der Kommission zur Untersuchung vorliegen, konsequent weiterverfolgt wird. Wir haben den Verdacht, dass Frankreich, unterstützt von anderen EU-Mitgliedsstaaten, versuchen wird, den EG Vertrag durch einen Szenenwechsel zu umgehen, indem man den Schwerpunkt der Verhandlungen von der Kommission in den EU-Ministerrat verlagert. Denn hier kommt die Politik wieder zum Zug.

Diese Verzögerungstaktiken könnten gravierenden Einfluss auf die Glaubwürdigkeit der Europäischen Kommission und die Anerkennung des EU-Rechts haben. Noch wichtiger für Unternehmen wie das unsere ist aber ferner die Tatsache, dass auf diese Weise die Öffnung nationaler Märkte für lizenzierte Anbieter – für die Stanleybet seit vielen Jahren kämpft – weiter verzögert oder sogar ganz vereitelt wird. Am Ende sind es die Europäischen Verbraucher, die unter dem schlechten Angebot staatlicher Monopole zu leiden haben.

Die Zeit ist reif, dass die Europäische Kommission ihre Stimme für die Rechte von europäischen Verbrauchern und Anbietern erhebt. Sie sollte die Vertragsverletzungsverfahren so schnell und so energisch als möglich vorantreiben. Auch sollte sie sich nicht durch die Versuche protektionistischer Mitgliedsstaaten einschüchtern lassen, die darauf abzielen, in dieser Sache lieber Politik zu spielen, als sich dem Europäischen Recht zu beugen. Sollte sich die Kommission jedoch durchsetzen wollen, findet sie bei uns von Stanleybet vollste Unterstützung.

Europäischer Überblick

EU-Rat
Auf Initiative der französischen EU-Präsidentschaft wurde die Glücksspielpolitik mit auf die Tagesordnung der Arbeitsgruppe „Niederlassungen und Dienstleistungen“ des Rates gesetzt, deren erste Sitzung zu diesem Thema am 16. Juli stattfand. Die französische Präsidentschaft hat den Vertretern aller 27 Mitgliedsstaaten auch einen Fragebogen über die Glücksspielpolitik vorgelegt und nimmt die Antworten bis zum 12. September entgegen. Bis zum Jahresende wird die französische Präsidentschaft einen Fortschrittsbericht der Präsidentschaft herausgeben.

Belgien
Am 30. Juni organisierte die belgische Glücksspielkommission (in Zusammenarbeit mit der Katholischen Universität Leuven) ein Seminar über die Zukunft der belgischen Glücksspielpolitik. Justizminister Vandeurzen bestätigte die Schaffung einer neuen Kategorie von Lizenzen für Wettbüros und provisorische Wetteinrichtungen sowie die zukünftigen Aufgaben der Glücksspielkommission. Von der Regierung wird Anfang 2009 die Veröffentlichung eines Gesetzentwurfs erwartet.

Frankreich
Am 26. Juni wurde Haushaltsminister Eric Woerth ein Bericht über „Onlinespiele und kriminelle Bedrohung“ übermittelt. Der von Alain Bauer, dem Vorsitzenden des Orientierungsrats der nationalen französischen Beobachtungsstelle für Kriminalität (OND), verfasste Bericht gibt einen Überblick über alle Betrugsarten, die angeblich im Bereich Online-Glücksspiel vorkommen.

Großbritannien
Am 22. Juli gab die Glücksspielkommission einen Bericht über ihre Aktivitäten in den letzten zwölf Monaten heraus, aus dem sich ergab, dass sie 3.428 Anbietern mit insgesamt 4.199 Anbieterlizenzen eine Genehmigung erteilt hat.

Italien
Die Regierung bestätigte, dass noch ein weiteres Ausschreibungsverfahren zur Vergabe von über 500 Pferdewettlizenzen gestartet wird. Diese Ausschreibung wurde durch ein EuGH-Urteil angestoßen, das besagte, dass Italien im Jahr 2000 illegal 329 Lizenzen an inländische Anbieter erneut vergeben hatte. Ende August wurde ein neues Ausschreibungsverfahren angekündigt, das wahrscheinlich aufgrund zahlreicher rechtlicher Einwände, erhoben von Stanleybet, wieder zurückgezogen wird. Die Einwände basieren primär auf der Tatsache, dass die für die Bewerbung um eine Lizenz erforderlichen Unterlagen den interessierten Anbietern von den Behörden nicht zur Verfügung gestellt wurden.

Portugal
Anstatt wie ursprünglich geplant am 9. September, wird Generalanwalt Yves Bot seine Schlussanträge in der Rechtssache C-42/07 (Vorabentscheidungsverfahren) Liga Portuguesa de Futebol Profissional & Baw International (Bwin) gegen Departamento de Jogos da Santa Casa da Misericordia de Lisbovoraussichtlich am 14. Oktober veröffentlichen.

Niederlande
Im August verwies das höchste Verwaltungsgericht der Niederlande („Raad van State“ – Staatsrat) den Fall Betfair an den EuGH. Es ging um die Frage, ob es rechtmäßig ist, dass ein bereits in einem EU-Mitgliedsstaat lizenzierter Betreiber in einem anderen Mitgliedsstaat über das Internet keine Dienstleistungen mittels eines geschlossenen Lizenzsystems anbieten darf.

Schweden
Finanzminister Anders Borg verlangte strengere Vorschriften für die von Svenska Spel, dem staatlichen Glücksspiel-Monopolisten, veranstalteten Online- Pokerspiele. Des Weiteren forderte der Minister Svenska Spel auf, die Spieler deutlich über ihre Gesamtgewinne und -verluste zu informieren. In dem für Dezember vorgesehenen Schlussbericht von Jan Nyrén, dem Glücksspiel-Ermittler der schwedischen Regierung, ist eine Empfehlung zu erwarten, dass Schweden für Online-Sportwettenanbieter, auch für ausländische Unternehmen, ein Lizenzsystem einführen sollte.

Deutschland
Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass private Glücksspiele in Rheinland-Pfalz erlaubt sind. Die Werbung für Lotto- und Glücksspiel bleibt jedoch verboten. Darüber hinaus unterliegen die Anbieter stichprobenartigen Kontrollen durch die zuständigen Behörden.

Spanien
Die ersten Wettbüros im Baskenland werden voraussichtlich im September 2008 eröffnen, zeitgleich mit der neuen Fußballsaison. Bis zum Jahresende sollen 29 Wettbüros ihren Betrieb aufgenommen haben.