Von Süßem und Saurem

Ein Artikel von Rechtsanwalt Boris Hoeller

Schnell hat sich auf der Straße eine Meinung gebildet: Die Einstweilige Verfügung des Landgericht Berlin vom 7.8.2008, mit der Lotto Berlin u.a. verboten worden ist, die Teilnahme am Glücksspiel im Zusammenhang mit beziehungsweise ohne Abtrennung von einem Süßwarenangebot anzubieten, sei „bescheuert“. Der von der Verfügung betroffene staatliche Lotterieveranstalter gibt sich ebenfalls unverständlich, „nicht nachvollziehbar“ heißt es empört (Berliner Morgenpost v. 17.09.2008). Der Boulevard tobt.

„Das Landgericht hat den Glücksspielstaatsvertrag konsequent angewandt“, meint dagegen der Kommentator der taz. Die Folgen des Gerichtsentscheids zeigten bloß „die Doppelzüngigkeit des Staates beim Glücksspiel“ auf, der Lotto zur bösen Sucht erkläre, aber weiterhin die Einnahmen daraus sichern wolle.

Letzteres trifft den Punkt. Als es darum ging, den Glücksspielstaatsvertrag durch die Länderparlamente zur Ratifikation zu treiben, blieben alle Mahnungen, zu welchen Verhältnissen dies führen wird, ungehört. Die Landesparlamentarier haben sie nicht ernst genommen.

Jetzt, da dem Recht auf private Initiative hin zur Geltung verholfen wird, beginnt das Wehklagen derjenigen, die den Glücksspielstaatsvertrag herbeigeredet haben. Bereits das Verwaltungsgericht Berlin hat im Mai 2008 die tatsächlichen Verhältnisse in Berliner Lotto-Annahmestellen kritisiert. Wie solle Jugendschutz gewährleistet werden, wenn diese durch das übrige Warenangebot in die Verkaufsstätte gelockt würden und letztlich das Lottospiel als Gut des täglichen Lebens erlebten, kritisierten die Verwaltungsrichter.

„Irrsinnige Verfügung“ titelt die BILD-Zeitung, aber meint sie damit nicht in Wahrheit „irrsinniges Gesetz“? Dass ein Richter das Gesetz anwendet, ist seine Aufgabe, und wer die Folgen nicht will, muss auf Änderung des Gesetzes hinwirken.

Mit dem Erlass des Glücksspielstaatsvertrages war es den Verantwortlichen klar, dass die Erträge aus dem Glücksspiel zurückgehen würden. Doch die ihnen prognostizierten Gewinneinbußen waren nicht von einer Höhe, die hätte abschrecken können; die Politik spekulierte auf die Monopolrendite. Man weiß: Auch ohne reißerische „LOTTO – Jetzt Du“-Werbung lässt sich der Deutsche von der bloßen Magie der Jackpot-Millionen Zahl einnehmen und trägt sein Geld „fast freiwillig“ in die Annahmestellen. Damit kann man nicht gut, aber jedenfalls noch gut ausreichend leben. Wenn dann noch die private Konkurrenz ausgeschaltet wird, (das Hauptkalkül des Glücksspielstaatsvertrags) werde alles wieder gut. Deren Kunden fänden sich wieder in Annahmestellen ein, versprach man sich in den Ländern, ebenso wie einen „verantwortungsvollen Umgang“ der Glücksspielaufsicht mit dem landeseigenen Glücksspielunternehmen.

Der Kunde wird es nicht merken. Jetzt aber trifft es Lotto an der empfindlichsten Stelle: dem „point-of-sale“.

2008 – das Rekord-Jahr für Wettbewerbswidrigkeiten staatlicher Lotteriegesellschaften. Was Gerichte monieren, bringt die Glücksspielaufsicht nicht in Bewegung. Die ist mit der Vernichtung privater Anbieter ausgelastet. Paradebeispiel Bayern: Die Entscheidung seines höchsten Gerichts zur Jackpotwerbung lässt die Lotterieaufsicht und Lotterieverwaltung offenbar kalt. Die Jackpotaufsteller säumen immer noch die Straßen und locken in die Annahmestelle. Offenbar eine der süßesten Versuchungen der Welt.

Kontakt:
Rechtsanwalt Boris Hoeller

HOELLER RECHTSANWÄLTE
Wittelsbacherring 1
53115 Bonn
Telefon: +49 228 90 820 0
Telefax: +49 228 90 820 999
E-Mail: kanzlei@hoeller.info
Internet: www.hoeller.info