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Läden dicht. Sportwetten laufen derzeit nur online. Wenn überhaupt.

© Team2/Imago

Tipico, Bwin und Co. in Not: Ohne Sport keine Sportwetten

Anbietern von Sportwetten fehlt derzeit das Angebot. Deshalb rückt nun E-Sport stärker ins Programm. Als eine Art letzter Strohhalm.

Ende März, Anfang April, es hätten goldene Tage für Wettanbieter und Sportfans sein sollen, sein können. Da wäre die Länderspielpause mit der Partie Deutschland gegen Spanien gewesen, die Viertelfinal-Hinspiele der Champions League, Mitte April hätten die Play-offs in der nordamerikanischen Basketballprofiliga NBA begonnen. Stattdessen müssen Tipico, Bwin und Co. nun aus der Not heraus Fußball-Freundschaftsspiele in Nicaragua und Liga-Spiele in Weißrussland anbieten.

Eine Halbzeitführung und ein anschließender Heimsieg von Dynamo Minsk gegen Torpedo-BelAZ Zhodino wird derzeit von Bwin mit einer Quote von 3.60 angeboten. Ein Sieg des Basketballteams der Bank of Taiwan gegen die Yulon Luxgen Dinos wird mit einer Quote von 2,40 vergütet. Immerhin. Alternativen gibt es derzeit nicht.

2019 platzierten die Kunden Wetten im Wert von 9,3 Milliarden Euro

„Volleyball auf den Philippinen oder Tischtennis in Russland sind kein Ersatz für die Fußball-Bundesliga oder die Champions League. Entsprechend deutlich sind die Umsatzrückgänge insgesamt“, sagt Mathias Dahms, Präsident des Deutschen Sportwettenverbandes. Das ist ein Problem für die Wettanbieter, ihre Kunden investierten alleine im Jahr 2019 Wetteinsätze in Höhe von 9,3 Milliarden Euro. Fünf Jahre zuvor waren es noch 4,51 Milliarden. Die Wettbranche boomt also – eigentlich.

„Das Geschäft ist quasi auf null runter. Nicht nur in den Wettbüros, die geschlossen bleiben müssen, sondern auch online, weil kaum noch irgendwo etwas stattfindet“, sagt Dahms. Auch die Werte der Aktien der einzelnen Wettanbieter befanden sich zuletzt im freien Fall.

Die Wettanbieter versuchen nun, mit alternativen Angeboten ihre Kunden zu binden. Tipico wirbt auf der eigenen Homepage mit einem großen, prominent platzierten Banner, der per Klick ins Online-Casino weiterleitet. „Im Casino ist immer was los“, heißt es. Es warten „Jackpots in Millionenhöhe“. Die Botschaft ist klar: Auf die Chance auf das große Geld soll trotz der weltweiten Sportflaute niemand verzichten müssen, weder Anbieter noch Abnehmer.

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„Der gesamte Sport leidet unter den aktuellen Spielstreichungen und Absagen. Wir würden es begrüßen, wenn in den Gesprächen zwischen Sport, Politik und Medizinern bald ein gangbarer Weg gefunden würde, um in absehbarer Zeit Spiele in einem sicheren Rahmen zu ermöglichen. Wir glauben, dass selbst ein Rumpfangebot eine willkommene Abwechslung in dieser schwierigen Zeit wäre“, teilt Tipico auf Anfrage des Tagesspiegels mit.

Der einzige Sport, der trotz Kontaktverboten und Sportplatzschließungen größtenteils weiter betrieben werden kann, ist der vor der Konsole. Die Bundesliga veranstaltet derzeit ein großes Turnier mit dem Videospiel Fifa, Profis wie Herthas Maximilian Mittelstädt oder Achraf Hakimi von Borussia Dortmund spielen mit. Der virtuelle Sport ist für viele Sportfans die naheliegendste Alternative, auch die Wettbüros passen sich an.

Allerdings gibt es Auflagen: „Grundsätzlich sind nur anerkannte Sportveranstaltungen, an denen Menschen teilnehmen, für Sportwetten in Deutschland zugelassen“, sagt Dahms. Er würde sich eine Zulassung von E-Sports als Sportart wünschen: „Da dies eine sinnvolle Erweiterung des Sportspektrums ist, insbesondere für junge Menschen.“ Einige Anbieter haben bereits auch Wetten auf E-Sports im Programm, laut Dahms „ein wenig aus Verzweiflung über fehlende Sportangebote. Das ist aus meiner Sicht immer noch besser als Wetten auf Murmelrennen“.

Zuschüsse vom Staat sind kein Thema für die Branche

Trotzdem bleiben Kosten, die laut Dahm laufend gezahlt werden müssten. Gerade jetzt muss die IT funktionieren. Hinzu kommen die Kosten für die Wettbüros, die derzeit geschlossen haben müssen. Zuschüsse vom Staat stehen derzeit nicht im Raum, in Großbritannien wurde die Aufnahme des Wett-Dachverbands in den 350 Milliarden Pfund umfassenden Rettungsfonds bereits abgelehnt. „Staatliche Unterstützung, wie etwa das 300-Millionen-Euro-Paket für die Berliner Flughäfen, ist für uns kein Thema“, teilt Tipico mit.

Die großen Wettanbieter sind außerdem längst prominente Sponsoren im großen Sportgeschäft. Alleine das Unternehmen Sunmaker fungiert als Trikotsponsor von gleich sieben Fußball-Drittligisten. Die Sportwettenbranche gilt hinter der Automobilbranche und der Telekommunikation als einer der größten und aktivsten werbetreibenden Branchen im Profisport. Ob sie das bleiben kann, ist derzeit nicht abzusehen.

Eine baldige Wiederaufnahme des Spielbetriebs, beispielsweise in der Fußball-Bundesliga, wäre also nicht nur für die teilnehmenden Klubs von eminenter Wichtigkeit. Denn: „Die Situation für die Unternehmen ist wirklich dramatisch. Das gilt für Sportwettveranstalter aber auch für die Betreiber von Wettbüros in ganz Deutschland“, sagt Matthias Dahms.

Louis Richter

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