Von Sein und Schein in Monaco

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Besucher und Bewohner des Fürstentums Monaco lassen sich grob vereinfacht in zwei Gruppen einteilen. Die erste Gruppe hat sehr viel Geld und zeigt es auch entsprechend. Die zweite Gruppe ist eigentlich nur im Lande, um der ersten das Geld auf die eine oder andere Art und Weise abzunehmen, aber um nicht weiter aufzufallen, tut sie so, als ob sie zur ersten Gruppe gehören würde.

Nun, beim EPT Finale geht es auch nicht viel anders zu. Die erste Gruppe sind hoch bezahlte Superstars der Pokerszene, die mit ihrem Privatvermögen, zusammen gerechnet, den Staatshaushalt des einen oder anderen Schwellenlandes vor Neid erblassen lassen. Die zweite Gruppe sind die zahlreichen Onlinequalifikanten oder wagemutige Amateure und Semiprofis, die mit dem Buy in von immerhin 10.600 € mal einen Schuss auf eine wirklich lebensverändernde Situation versuchen wollen. Das Preisgeld von mehr als 2 Millionen € für den Sieg würde tatsächlich das Leben verändern – jedenfalls bei mehr als 90 Prozent der Teilnehmer.

Als ich an Tag 1 B schließlich antrat, hatte ich alles Mögliche im Kopf, nur nicht die ungeheuren Pay-outs. Ich wollte gut spielen, den Tag 1 zunächst einmal überstehen und dann weiter sehen. Ich hatte mich entsprechend gut vorbereitet. Nach meiner Anreise aus Cardiff einen Erholungstag eingelegt, an dem ich nur ein einziges Sit & Go mit einem Buy in von 1.000 € spielte, das ich schließlich Heads Up mit meinem alten Bekannten Vito Branchiforte aus Bregenz splitten konnte, gut und lange ausgeschlafen und nach einem ausgiebigen Frühstück am Meer tauchte ich bestens gelaunt pünktlich im Sporting Club auf.

Zunächst lief auch alles nach Plan.

Innerhalb der ersten 3 Stunden konnte ich mein Stack von 15.000 auf 30.000 Chips verdoppeln, alles scheibchenweise, ohne auch nur einmal in einem größeren Pot involviert zu sein. Rechts von mir saß ein junger Pole, der mittlerweile in Kanada lebt und sich sein Ticket online erspielt hatte. Von Turnierbeginn an führte er sich als wahrer Maniac auf. Ich hatte den Eindruck, dass er schon „on tilt“ war, bevor die erste Hand ausgegeben wurde. Nach nur 30 Minuten war er auf 2.000 Chips unten, verdoppelte sich zweimal mit echten Suckouts gegen ein paar ungläubig drein schauende Mitspieler und schon ging die Achterbahnfahrt aufs Neue los. Irgendwann war er wieder bei 14.000 Chips angelangt, als ich nach einem seiner beständigen Preflop Raises Pocket Könige fand. Ich wollte ihn isolieren, reraiste sofort und alle anderen foldeten zu ihm. Natürlich callte er ohne Zögern, wie in jedem Spiel vorher, in dem er mit einem Reraise konfrontiert war. Der Flop sah mit :Jx :2x :3x recht harmlos aus, also spielte ich nach seinem Check mit 3.500 Chips ein potsized Bet an. Er ging sofort mit seinen restlichen 12.000 Chips All in. Ich fühlte mich ehrlich gesagt etwas mulmig, brachte es dann aber doch nicht fertig, meine Cowboys zu entsorgen und zahlte nach. Ich hatte mein Geld noch nicht richtig über der Linie, da drehte er auch schon Pocket Asse um. Well played, Sir!

O.K., dachte ich mir, dann starten wir halt von neuem durch, schließlich hatte ich ja nach der Konfrontation immerhin noch meinen Startstack. Aber wie so oft nach derartigen Begegnungen, bekam ich keinen Fuß mehr auf den Boden. Meinen Stack verlor ich schließlich in zwei Portionen. In der ersten Hand raiste ich den dreifachen BB am Cut off mit :Ad :Qd. Der Big Blind zahlte nach und bei einem Flop von :Qh :Tc :4d spielte ich auf sein Check hin mit 2.000 etwa 80 Prozent des Pots an, die sofort bezahlt wurden Die :6d am Turn brachte mir zusätzlich den Flushdraw, also feuerte ich nochmals 5.000 nach. Am River kam mit der :5s eine relative Blank und ich checkte hinter ihm, da ich mit Top Paar Top Kicker ohnehin genug Showdown-Value besaß. In sicherer Erwartung, den Pot einkassieren zu können, drehte ich meine Karten um und schaute doch etwas verblüfft, als er mir seine Hand zeigte: :6c :4h, er hatte am Turn sein zweites Paar getroffen und das Ganze dann noch extrem passiv durchgezogen.

Manche Spielzüge werde ich wohl nie begreifen, ganz egal, wie lange ich auch darüber nachdenke! Die restlichen Chips wanderten eine halbe Stunde später in die Mitte, als ein junger Schwede wieder mal ein Standardraise auf 1.100 machte. Ab Level 5 (Blinds 200/400, Ante 25) hatte er auf einen ziemlich loosen Modus umgeschaltet und so entschied ich mich, mit :Ks :Qs gleich meine restlichen 6.000 Chips in die Mitte zu stellen. Er callte mein Reraise mit :Jh :8h und bei einem blanken Flop und Turn besiegelte eine 8 am River mein Schicksal.

Trotzdem war ich mit meinem Monaco Auftritt insgesamt nicht unzufrieden. Ich spielte noch zwei Sideevents, das 1.000 € und das 2.000 € Nolimit Hold’em und bei allen Turnieren stimmte das Timing und die individuelle Anpassung an den Tisch. Im 1.000 Euro Turnier wurde ich 80. von 390 Teilnehmern, weil ich Pocket Damen gegen Pocket 6 verlor. Im 2.000 Euro Turnier wurde ich 16. von 253, weil mein :Ac :Ks gegen die Pocket Queens meines Gegners den Kürzeren zogen. Es war übrigens der einzige Showdown-Coinflip, den ich im gesamten Turnier nach 14 Stunden Nettospielzeit hatte und bei dem Pot ging es um den Chiplead der verbleibenden Spieler. Die Waffen sind also wieder geschärft und das Problem mit der Varianz wird sich über kurz oder lang auch zu meinen Gunsten auswirken.

Euer Michael von free-888.com