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Diese Regeln sollen künftig für Sportwetten gelten

Wirtschafts- und Finanzredakteur
Fussball 1. Bundesliga Saison 12/13: FEATURE Sportwetten Fussball 1. Bundesliga Saison 12/13: FEATURE Sportwetten
Eine nun gefundene Lösung beendet das seit vielen Jahren anhaltende Hin und Her bei Sportwetten
Quelle: pa/Pessefoto ULM/Pressefoto ULMER/Markus Ulmer
Die Bundesländer wollen die gesetzliche Grundlage für Sportwetten regeln. Damit sollen die Tippspiele zwar aus der Grauzone geholt werden. Allerdings müssen alle Anbieter eine Lizenz beantragen – und einheitliche Regeln befolgen.

Jeder Fußball-Fan kennt den weißen Tipico-Schriftzug auf rotem Grund. Ob auf Banden im Stadion, Gewinnspielkarten oder in den TV-Spots mit Ex-Torwart Oliver Kahn, die Werbung des größten Sportwettenanbieters des Landes erscheint omnipräsent. Und sie zeigt Wirkung: Täglich schließen Kunden bis zu fünf Millionen Wetten auf Sportereignisse ab – zu Hause per Internet oder in einem der bundesweit über 1000 Shops.

Dass sich hinter dem Schriftzug ein Unternehmen mit Sitz auf Malta verbirgt, wissen viele Kunden nicht, und auch nicht, dass sich jeder, der dort einen Tippschein ausfüllt, in einem weitgehend rechtsfreien, unregulierten Raum bewegt. Erlaubt auf dem Markt für Sportwetten ist vieles von dem, was Spaß macht, das gilt seit Jahren für Tipico genauso wie für die anderen privaten Anbieter, ob sie bet365, bwin oder bet-at-home heißen.

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Doch damit soll jetzt Schluss sein. Sportwetten werden reguliert und damit gewissermaßen legalisiert. Darauf haben sich die 16 Bundesländer nach jahrelangem Streit geeinigt. Jeder private Wettanbieter, der Mindeststandards erfüllt, um die Jugend zu schützen und Spielsucht einzudämmen, erhält ab dem 1. Januar 2020 eine bundesweit gültige Lizenz, so steht es im Entwurf zum Dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrag, der WELT AM SONNTAG vorliegt. Der Vertrag soll im Nachgang zur Ministerpräsidentenkonferenz am 21. März unterzeichnet werden. Es ist ein erster Schritt hin zu einer Neuordnung des deutschen Glücksspielmarktes.

Prozess stoppte Lizenzvergabe

Die nun gefundene Lösung beendet das seit vielen Jahren anhaltende Hin und Her bei Sportwetten. 2011 hatten sich die Länder schon einmal darauf geeinigt, Konzessionen an private Anbieter zum Betreiben von Online-Wetten zu vergeben – allerdings gab es eine Obergrenze. Nicht mehr als 20 sollten zugelassen werden. Es bewarben sich allerdings 73, von denen nach einer ersten Vorauswahl 35 übrig blieben. Weiter ging die Auswahl nie. Denn ein Anbieter beschwerte sich über das undurchsichtige Verfahren, zog vor Gericht und bekam recht. Der Prozess wurde gestoppt, bis heute keine Konzession vergeben.

Quelle: Infografik WELT

Den Anbietern von Sportwetten kam die Blockade nicht ungelegen. Zwar blieb dadurch das staatliche Wettmonopol in Form von Oddset bestehen, doch es brachte der Branche gleichzeitig maximale Freiheiten. Derzeit können Anbieter in Deutschland fast alles machen, was sie wollen, sie haben kaum etwas zu befürchten. Die privaten Sportwetten-Unternehmen – oft ausgestattet mit einer europäischen Lizenz – haben sich sogar vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg attestieren lassen, dass niemand ihr Treiben bestrafen darf, da der Staat nicht in der Lage war, ihnen Lizenzen zu geben.

So konnten sich in einem Graubereich viele Wettanbieter etablieren. Dank des Internets und neuer Spielformen steigt der Einsatz seit Jahren. Laut Schätzungen der Glücksspielaufsichtsbehörden setzten Menschen 2017 rund sieben Milliarden Euro auf ihre Favoriten bei Sportereignissen, meistens im Fußball, ein Jahr zuvor waren es erst 5,9 Milliarden Euro. Der staatliche Wettanbieter Oddset spielt im Vergleich zu Tipico und Co. kaum noch eine Rolle.

„Hauptsache, es locken hohe Quoten“

Den privaten Unternehmen ist es dank renommierter Partner wie der Deutschen Fußball Liga (DFL) gelungen, sich ein positives Image zu verpassen. Dass Sportwetten als die harmlose Form des Glückspiels gelten, ärgert Suchtbeauftragte. „Natürlich gibt es Menschen, die mal fünf Euro auf einen Sieg des Lieblingsvereins setzen, doch die relevanten Umsätze kommen von einer kleinen Gruppe“, sagt Ilona Füchtenschnieder von der Landeskoordinierungsstelle Glücksspielsucht Nordrhein-Westfalen. Dieser Gruppe sei es egal, auf welche Sportart, in welcher Liga sie ihr Geld setze. „Hauptsache, es locken hohe Quoten.“ Füchtenschnieder ist nicht generell gegen Sportwetten. Es müsse aber klare Regeln geben.

Die soll es nun geben. Laut dem für die Vergabe zuständigen hessischen Innenministerium werden die Anbieter die gleichen Auflagen erfüllen müssen, die auch schon beim ersten Regelungsversuch galten: Das fängt damit an, dass die Anbieter dafür sorgen, dass sich bei ihnen kein Jugendlicher registriert. Zudem müssen sie Spieler stoppen, sobald sie mehr als 1000 Euro im Monat setzen wollen. Live-Wetten, etwa auf die nächste Gelbe Karte oder den nächsten Einwurf beim Fußball, sind untersagt. Genauso darf es keinen Verweis auf Online-Casinos von der Internetseite des Sportwetten-Anbieters aus geben.

Das Angebot wird sich ändern müssen. Links auf Casino-Angebote sind auf der tipico.de-Seite unübersehbar. Man sei bereit, sich anzupassen, teilte das Unternehmen mit. „Tipico bewirbt sich um eine bundesweite Sportwetten-Konzession. Wie genau sich das Angebot im Falle einer Erteilung verändert, hängt von den Lizenzbedingungen und vom Wettbewerberumfeld ab“, so ein Sprecher. Das gelte auch für die Frage, ob die Werbung mit Oliver Kahn noch in der bisherigen Form möglich sein wird.

Zwei Jahre Experimentierphase

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In der Branche ist man sich bewusst, dass die für alle Anbieter so wunderbare, weil unregulierte Sportwetten-Welt nicht länger aufrechtzuerhalten ist. Große Anbieter begrüßen zwar die nun gefundene Lösung, bringen sich aber schon einmal für die Zeit nach Sommer 2021 in Stellung. Denn nur bis dahin gilt die sogenannte Experimentierphase. Wie es danach weitergeht, wird Inhalt weiterer Gespräche zwischen den Staatskanzleien der 16 Länder sein. Was man ändern möchte, weiß man in der Branche längst. Das Live-Wetten-Verbot beispielsweise. Live-Wetten sind heutzutage ein Geschäft, auf das die Anbieter nur ungern verzichten. Das Verbot stamme noch aus einer Zeit, in der man zum Kiosk gegangen sei, um seinen Tippschein abzugeben und danach das Spiel zu schauen. „Heute lassen sich jederzeit, auch während des Spiels noch, Wetten platzieren“, sagt Luka Andric, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Sportwettenverbands, in dem die großen Anbieter organisiert sind.

In einem Punkt sind sich Kritiker und Anhänger der Sportwette einig: Regulierung ohne Kontrolle bringt nichts. „Wir fordern eine zentrale Aufsicht, die gegen schwarze Schafe durchgreift“, sagt Andric. Bislang gebe es einen Flickenteppich, ein Wettbüro in Freising werde anders kontrolliert als in Buxtehude. Der Föderalismus lässt grüßen.  Bis zum 1. Januar 2020 wird es keine bundesweite Aufsichtsbehörde geben. Sie wird frühestens mit der großen Lösung kommen, die bis Sommer 2021 fertig sein muss. Dann endet nicht nur die Experimentierphase bei Sportwetten, bis dahin müssen sich die Länder auch einigen, ob und wie die bislang verbotenen Online-Casinos reguliert werden sollen. Gegen diese Formen des Glücksspiels sind Sportwetten ein Klacks: nicht sieben, sondern 47 Milliarden Euro haben Spieler dort 2017 gesetzt.

Eine politische Einigung ist hier bislang nicht in Sicht. Während sich Länder wie Schleswig-Holstein, Hessen und Rheinland-Pfalz für eine Legalisierung des Online-Glücksspiels aussprechen (Motto: Wenn der Bereich schon wächst, dann lieber kontrolliert), kämpfen andere wie Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern für die Beibehaltung des Verbots. Das Recht müsse nur endlich durchgesetzt werden.

Und dann gibt es eine Interessengruppe, die befürchtet, bei der Neuordnung des Glücksspielmarktes hinten runterzufallen: die Automatenwirtschaft, deren Geräte in den 9000 Spielhallen im Land stehen. Sie kämpft gegen das Abstandsgebot, das bis Sommer 2021 umgesetzt sein muss. Das sieht vor, dass in der Nähe von Schulen und Jugendeinrichtungen keine Spielhallen stehen dürfen. Tausende Automaten werden verschwinden. „Wir fordern, Spielhallen nach Qualität und nicht mit dem Zollstock zu regulieren“, sagt Georg Stecker, Vorstandssprecher des Branchenverbandes Deutsche Automatenwirtschaft. Sein Problem: Die Politik hat mit Aufsichtsbehörde und Online-Casinos noch genug zu tun – da wird sie bereits Beschlossenes ungern noch einmal anpacken wollen.

Über diesen Tippschein staunt ganz Deutschland

Ein Tipper setzt einen Euro auf einen Bundesliga-Tippschein, der es in sich hat. Er räumt tatsächlich eine Viertelmillion ab - dank eines Tores in der 96. Minute. Das Kuriose dabei: Die Gewinnsumme liegt eigentlich noch viel höher.

Quelle: WELT

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