Wie die Schmidt-Gruppe vom Spielhallenbetreiber zum McFit-Konkurrenten wurde

Ganz leger, in Jeans und weißem Hemd, führt Arne Schmidt durch sein neuestes Projekt: Arborea heißt das Hotelresort in Neustadt, das nur der Anfang sein soll. Seit 2018 hat es geöffnet, direkt am größten Jachthafen der Ostseeküste. Fast alle 124 Zimmer mit Meer- oder Hafenblick. Am Pier gegenüber wurde die TV-Serie „Küstenwache“ gedreht.

Arne Schmidt zeigt auf ausrangierte Schiffsmasten und -schrauben, die an den Wänden hängen. Es sind diese Details, die ihm besonders gefallen. Auch wenn er sich beim Design komplett rausgehalten habe, wie der 44-Jährige erklärt. Er sei nun mal kein Hotelier. Finanziell aber steckt er voll drin – mit seinem Privatvermögen. Ein Drittel der Hotelmarke gehört Schmidt, der ein Lieblingsgeschäft hat: das Skalieren.

Eigentlich ist Arne Schmidt Mehrheitsgesellschafter und einer von drei Geschäftsführern der Schmidt-Gruppe aus Coesfeld. Ursprung und Kern des Münsterländer Unternehmens: Spielhallen. Vater Ulrich, 1943 geboren, baute das Glücksspielgeschäft Mitte der Achtziger auf. Es wurde immer größer, 2007 kaufte er den Berliner Automatenhersteller Bally Wulff dazu und sanierte ihn. Die Gruppe gehört heute zu den größten Glücksspielanbietern in Deutschland.

Bis dato machen die Spielstationen, wie die 170 Daddelhallen mit der Goldkrone heißen, noch immer gut die Hälfte des Umsatzes aus. Aber seit zehn Jahren stehen die Schmidts auch für ein anderes Geschäft: Fitness. Jacob Fatih, damals Vermieter einer Spielhalle, hatte drei FitX-Studios, als er mit Schmidt über den Einstieg verhandelte. Das war 2009. Heute gehören der Gruppe 80 Prozent der Marke, die so stark wächst wie kaum eine andere im Fitness-Discountbereich.

74 Studios gibt es deutschlandweit. So auffällig die 2.500-Quadratmeter-Hallen mit dem knallorangenen Schriftzug auch sind: Der Firmenboss ist zurückhaltend. Arne Schmidt drängt nicht in die Öffentlichkeit. Er lebt bewusst mit Frau und Kindern in Münster, fährt jeden Morgen die 40 Kilometer nach Coesfeld. Zu diesem Porträt musste er überredet werden.

Dabei ist seine Firmengruppe ein relevanter Player am Markt: 3.300 Mitarbeiter sind hier beschäftigt, der gesamte Umsatz lag 2018 bei mehr als 400 Millionen Euro. Die Spielstationen machen etwa 200 Millionen aus, Bally Wulff und FitX jeweils um die 100 Millionen Euro. Über Gewinne will Schmidt nicht sprechen – alle Bereiche seien aber profitabel.

„Wir sind gut darin, eine große Zahl an Kunden zufriedenzustellen, obwohl der Umsatz pro Gast gering ist“, sagt Schmidt. 20 Euro zahlen FitX-Mitglieder im Monat. Darin sind – anders als bei einigen Konkurrenten – alle Kosten enthalten. Auch für Duschen, Getränke, Kurse, wie bei den teuren Studios. „Wir wollen keine Massen-Muckibude sein, sondern ein Studio, das den Fitnessmarkt revolutioniert und mit weiterentwickelt.“

Angriff auf McFit

Schmidt, groß gewachsen, hohe Stirn, Hornbrille, sieht riesiges Potenzial für seinen Fitnessableger. Langfristig will er unter die Top zwei in Deutschland und Europa kommen und Branchenprimus McFit angreifen. „Natürlich wollen wir irgendwann mal über die Grenze“, sagt er. Noch sei aber nicht entschieden, wohin. Bis dahin baut er den Heimatmarkt aus. Und wie: Allein 2018 kamen 13 Studios hinzu, in diesem Jahr sollen es 18 werden.

Im Fitness-Segment geht Schmidt junior in die volle Expansion. Notgedrungen. Denn sein Kerngeschäft wird immer unsicherer: Seit 2012 hat die Politik ihre Regeln für Spielstätten verschärft, seit 2017 sind diese verpflichtend. Es darf nun keine Standorte mehr geben, in denen mehrere Spielhallen unter einem Dach vereint sind – lange Usus in der Branche.

Obendrein gelten je nach Bundesland Abstandsregelungen zu anderen Hallen oder etwa Schulen. Allein in Niedersachsen verlor Schmidt fast drei Viertel seiner Geräte – und damit auch bis zu 75 Prozent Umsatz. Gleichzeitig seien die Betriebskosten nur um etwa 40 Prozent gesunken.

„Wir haben riesige Probleme in der Effizienz einiger Standorte“, gesteht Schmidt ein. Natürlich brauche er auch weniger Personal, die Miete für die leeren Hallen aber bliebe. „Manche Standorte rechnen sich noch, andere nicht.“ 150 Arbeitsplätze sind weggefallen. Kündigen musste er noch niemandem, alles wurde über natürliche Fluktuation abgefedert.

Schmidt ärgert sich über die Kurzsichtigkeit der Politik. „Auch wenn manche Menschen unser Angebot nicht verstehen oder mögen, heißt es nicht, dass es keine Nachfrage gibt.“ Für einen guten Anteil der Gesellschaft sei das Automatenspiel eine „unterhaltsame Freizeitbeschäftigung“. Derzeit werde die Nachfrage von den legalen Angeboten „hin zu illegalen in Hinterhöfen und im Internet weggelenkt“.

Die Spielsucht, das größte Branchenproblem, verschweigt Schmidt nicht. Schon 2007 begann die Gruppe damit, sich systematisch mit Prävention zu beschäftigen. „In der Branche war das damals noch ein Tabuthema, wir wurden dafür geprügelt“, sagt er. „Es gibt aber nun mal Spielsucht – und wir müssen dagegen etwas tun.“ Später gründete er mit anderen Firmen eine Gesellschaft für Spielerschutz und Prävention. Selbst bei der Konkurrenz gelten die Schmidts damit als Vorreiter und Innovator.

Auch Suchtforscher beobachten ein Umdenken in der Branche. Allerdings bezweifeln sie die Wirksamkeit der Maßnahmen. „Wie bei allen Unternehmen gibt es auch bei der Schmidt-Gruppe einen Interessenkonflikt“, meint Gerhard Meyer von der Universität Bremen. „Auf der einen Seite stehen die Vorgaben des Spielerschutzes, auf der anderen Seite die Erträge über süchtige Spieler.“

Zahlenmensch und „Excel-König“

Für Arne Schmidt kam es nie infrage, das Glücksspiel aufzugeben. Aber der Junior stellt sein Erbe auf eine breitere Basis – wie nun mit der Hotellerie. Auch wenn Arborea vorerst nur Schmidts Privatvergnügen ist: Dienstleistungen der Coesfelder Gruppe nimmt die Hotelmarke in Anspruch, etwa im Bereich Controlling, Rechnungswesen oder Fuhrpark. Das zweite Arborea-Resort ist längst in Planung. Es soll in Sankt Gallenkirch stehen, im österreichischen Vorarlberg, direkt an der Skipiste. Geplante Eröffnung: Winter 2020.

Schmidt, der BWL studiert hat und als Zahlenmensch und „Excel-König“ gilt, kennt sein Unternehmen von klein auf: Als die Eltern sich selbstständig machten, musste er das Kinderzimmer für die erste Mitarbeiterin räumen. In den Schulferien ging er nachts in den Spielhallen kassieren. Seit 2003 ist er Vollzeit im Betrieb, war Assistent der Geschäftsführung, baute später den Finanzbereich um.

Von 2001 bis 2005 erfolgte die Übergabe der Gesellschaftsanteile an die zweite Generation. Seitdem hält Schmidt mit seiner Schwester die Mehrheit. Vater Ulrich blieb trotzdem, ist bei Bally Wulff noch operativ tätig. Wie kürzlich bekannt wurde, übernahm der Vater Ende 2018 sogar alle Gesellschaftsanteile des Herstellers. Die Trennung verlief nicht glimpflich, hört man in der Branche. Gar vom Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn ist die Rede.

Arne Schmidt möchte das nicht kommentieren. Aber er hat seine Konsequenzen gezogen. „Ich möchte ein automatisches Ausstiegsdatum von Gesellschaftern aus der operativen Verantwortung im Unternehmen haben“, erklärt er. Er wolle sich schon jetzt so objektiv wie möglich mit seinem Generationswechsel beschäftigen. „Nicht erst dann, wenn es zu spät ist.“