„Poker Matrix“ – Innovation in sechs Teilen

Katja Miss Slick Thater, Thomas Buzzer Bihl, Stephan 5K Kalhamer, Sebastian Luckbox Ruthenberg und Michael The Doc Keiner – nein, hier handelt es sich nicht um die Finalisten der German Stars of Poker, sondern um das Autorenteam des Buches „Poker Matrix“ (Verlag: AniMazing), das für €29,95 neu auf dem Markt erschienen ist.

Mit 653 Seiten hat dieses Werk nicht nur eine Starbesetzung, sondern auch einen Umfang, der schon rein mengenmäßig in einem extrem guten Preis-Leistungs-Verhältnis steht. „Poker Matrix“ ist trotz seiner Fülle jedoch weder als Einsteigerwerk noch als Allround-Beschreibung durch alle Varianten, wie etwa „Super System 2“ von Doyle Brunson zu verstehen.

Jeder der fünf Autoren, die gemeinsam drei WSOP-Bracelets und Kompetenzen auf sehr unterschiedlichen Gebieten vorweisen können, betrachtet einen Aspekt am Pokern, der ihm persönlich wichtig ist. Das von Arnd van Haaren eingebrachte Glossar ist ebenfalls eine nennenswerte Besonderheit der „Poker Matrix“. Mit über 200 Seiten Umfang beinhaltet es wohl das größte deutschsprachige Poker-Lexikon, das bislang in Buchform erschienen ist. Doch nun zu den sechs Abschnitten der „Poker Matrix“.

Pokermatrix

1. Sit-’n‘-Go-Strategien für Gewinner“ von Thomas Bihl

2. „Geschäftsmodell Poker“ von Stephan M. Kalhamer

3. „Die Psychologie des Pokerspiels“ von Michael Keiner

4. „Multi Table Tournaments“ von Sebastian Ruthenberg

5. „Das Cashgame – Bread & Butter“ von Katja Thater

6. „Glossar“ von Arnd van Haaren

1. „Sit-’n-‚Go-Strategien für Gewinner“ von Thomas Bihl

Thomas Bihl beschreibt in seinem Teil der „Poker Matrix“ (50 Seiten) Strategien, um ein erfolgreicher Sit-’n‘-Go-Spieler zu werden. Es ist sehr schade, dass Thomas den kürzesten Teil in diesem Buch geschrieben hat, denn mit diesem Thema hätte er problemlos ein eigenes Buch füllen können. Der Frankfurter Profi erklärt dem Leser die Nachteile bei übermäßigem Limitjumping (variieren bei der Höhe der Buy-ins), das Bankroll-Management, Multitabling, die Unterschiedlichkeit des Spiels in den unterschiedlichen Blindlevels und erzählt eine schöne Anekdote über Disconnection (Verbindungsunterbrechungen).

Natürlich fehlen auch nicht die Unterschiede der einzelnen Sit-’n‘Go-Varianten (Shorthanded, Heads-up, Turbo Sit’n’Go, Winner Takes It All) und wie die Spielweise dementsprechend angepasst werden sollte. Das Kapitel hilft dem Leser, Sit’n‘-Go-Turniere als eine eigene Form des Pokersports anzusehen und seinen Vorteil bei diesen schönen Spielvarianten zu erhöhen. Alles in allem ein gelungener Abschnitt, der aber definitiv nach mehr schreit.

2. „Geschäftsmodell Poker“ von Stephan M. Kalhamer

Als Diplommathematiker ist Stephan M. Kalhamer daran gewöhnt, einen Sachverhalt zu strukturieren und zu analysieren. Auf 62 Seiten beschreibt der Pokercoach hier, wie Pokern als Geschäftsmodell verstanden werden kann und wie es umgesetzt werden sollte, wenn man es ernsthaft betreiben möchte. Er gliedert seinen Abschnitt in zwei Teile: Können und Finanzlage. Im ersten Teil empfiehlt er eine sorgfältige Auswahl der Spielvoraussetzungen, wie zum Beispiel der Tischauswahl. Dem Leser, der bereits gutes, geradliniges Poker spielen kann, weist er einen Weg, um das eigene Spiel aufzubessern. In diesem umfangreichsten Teilabschnitt seines Beitrags stehen die Strategien Bluff, Semi-Bluff, Slowplay und Checkraise im Mittelpunkt.

Im zweiten Teilabschnitt erläutert der Regensburger die Anwendung wirtschaftlicher Kennzahlen im Poker, wie Stundensatz und ROI, und erklärt, warum ein überlegter Umgang mit der eigenen Bankroll und Risikomanagement so wichtig für einen Pokerspieler sind. Abschließend zieht er eine Reihe von Vergleichen zwischen Poker und der Geschäftswelt. Dieser Abschnitt dürfte für die meisten Leser nichts zum „mal eben wegschmökern“ sein, sondern erfordert eine konzentrierte und lernwillige Herangehensweise. Die daraus gewonnnene Betrachtungsweise des Pokerspiels kann bei konsequenter Anwendung aus den bisherigen unsystematischen Gewinnbestrebungen ein Business machen. Der Leser soll sich quasi als Unternehmer betrachten, der nach dem „Geschäftsmodell“ von Stephan M. Kalhamer sein Geschäft betreibt. Für eine Behandlung der Strategie bis ins letzte Detail reicht dieser Beitrag nicht aus, vermittelt dem Leser aber einen spannenden Denkansatz. Im Anhang zieht der Autor interessante Parallelen zur Geschäftswelt, die den ein oder anderen Aha-Effekt erzielen, jedoch nicht ganz über die Tatsache hinwegtrösten können, dass das vorliegende Material noch einige Fragen offen lässt.

3. „Die Psychologie des Pokerspiels“ von Michael Keiner

Schon der Titel klingt verheißungsvoll. Selten wagt sich ein Autor an diese komplexe, schwer erfassbare Materie der Pokerpsychologie heran. Umso besser, dass er sich auch in der Lage zeigt, kompetente Aussagen zu treffen. Der Arzt Dr. Michael Keiner verfügt über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz aus der Pokerwelt. Seine These: In einer Zeit, in der auf internationalen Turnieren „über 70 % der Spieler technisch gutes bis exzellentes Poker spielen“, kommt der Psychologie, insbesondere der Profilerfassung der Gegner, eine wesentliche Rolle für den eigenen Erfolg zu.

Seine Art der Profilbildung seiner Gegner wirkt erfrischend neu. Das altbekannte Loose-Tight- und Aggressive-Passive-Schema ist bei Michael Keiner einer genaueren und interessanteren Betrachtungsweise gewichen. Er betrachtet lieber Kenntnisstand, Charakter, Motiv zum Pokern und den augenblicklichen emotionalen Zustand seiner Gegner, um daraus ein geeignetes Spiel abzuleiten. Anschließend geht er auch auf die Möglichkeiten der Profilerfassung in einer Onlinepartie ein. Er beschreibt explizit die Einflussfaktoren in speziellen schwierigen Standardsituationen und beschäftigt sich ausführlich mit den Themen Bluff und Manipulation.

Zum Abschluss seines Abschnittes verknüpft der „Doc“ das Pokern mit den Methoden des NLP (Neurolinguistisches Programmieren) und betritt damit eine spannende und in der deutschsprachigen Pokerliteratur bislang unerforschte Ebene. Allein in diesem Abschnitt über die Pokerpsychologie erfährt jeder Pokerspieler, gleich welchen Spielgrades, etwas Neues. Michael Keiner hat sich an eine schwierige Thematik gewagt und diese Aufgabe mit Bravur gemeistert. Sein Beitrag stellt eine große Bereicherung für dieses Buch dar und trägt dazu bei, dass die „Poker Matrix“ das Label: „Wer es nicht gelesen hat, hat etwas verpasst“ trägt. Dieser Beitrag lässt zumindest erahnen, wie tiefgründig und unausgeschöpft sich die Thematik „Pokerpsychologie“ darstellt. Eigentlich wünscht man sich ein umfassendes Buch zu diesem Thema.

4. „Multi Table Tournaments“ von Sebastian Ruthenberg

Das Flagschiff des Pokersports wird in diesem Kapitel (114 Seiten) von dem charismatischen Sebastian Ruthenberg nicht nur sehr ausführlich, sondern auch in einem sehr angenehm zu lesenden Stil präsentiert. Sebastian beschreibt die Unterschiede der einzelnen Multi Table Tournaments (Full Table, Shorthanded, Deep Stack, Turbo, Rebuy und Satellites) und führt uns gleich dreimal durch einen kompletten Wettbewerb. Dabei erläutert er zunächst die Spielweise von Vertretern der „Good Old School“ (wie Dan Harrington), dann die der „Young Guns“ (wie Gus Hansen) und schließlich vereint er diese beiden Spielstile im dritten Turnier. Sehr aufschlussreich sind die genauen Erklärungen der allgemeinen Strategien und der speziellen Moves (Conti Bet, Blocking Bet, Steals und Resteals, Isolation etc.).

Gerade bei den speziellen Moves erklärt Sebastian zunächst den Begriff, danach zeigt er, wann und wie sie gespielt werden sollten und beschreibt, wie der Leser solche Moves erkennen und kontern kann. Zu bemängeln gibt es bei diesem Kapitel nur, dass die Pododds in einigen Beispielen nach dem Flop bis zum River gerechnet wurden, obwohl es noch eine Setzrunde nach dem Turn gibt.

Zu guter Letzt erklärt der Autor noch die Spielweise sowie Strategien für die Variante Chinese Poker. Sebastian Ruthenberg bietet allen Spielern, die „Hold’em-müde“ geworden sind, mit dieser Variante eine interessante Abwechslung an. Chinese Poker, das bei vielen Poker-Pros längst zum Standardrepertoire gehört, wird mittlerweile auf fast jedem großen Event in den Hotelzimmern gespielt. Mit seinen Ausführungen trägt Sebastian sicherlich dazu bei, dass diese bislang unterschätzte Variante Einzug in die deutsche Pokercommunity hält.

5. „Das Cash Game – Bread & Butter“ von Katja Thater

Die medienpräsente Katja Thater zeigt auf ihren 110 Seiten der „Poker Matrix“, dass sie über vielseitige Kompetenzen verfügt. Ihre Qualitäten im Turnierspiel dürften für die meisten längst kein Geheimnis mehr sein. In der „Poker Matrix“ offenbart sie jedoch etwas, was die Profis längst wissen. Turnierpoker ist der Luxus, den sich professionelle Pokerspieler leisten, um Spannung, Anerkennung und Medienpräsenz zu erhalten. Ihre Brötchen verdienen sie jedoch mit dem Cashgame. Cashgame ist eben „Bread & Butter“ für die Profis, wie Katja Thater so schön sagt.

Mit ausführlichen Beispielen geht die Razz-Bracelet-Trägerin auf alle wichtigen Konzepte ein, die man zum Cashgame benötigt. Ihre Ausführungen wirken trotz ihrer lockeren Art lehrreich und überzeugend. Mit humorvollen Beispielen schafft es die Hamburgerin, dem Leser selbst schwer verständliche Konzepte problemlos nahe zu bringen. Wer an dieser Stelle jedoch ein klassisches „So spielst du am Flop, am Turn, bzw. am River“-Beitrag erwartet, wird enttäuscht. Die Hamburgerin bleibt mit ihren Ausführungen, bis auf ein paar Ausnahmen, auf der „Metaebene“ und geht nicht auf das konkrete Spiel in bestimmten Pokervarianten ein. Das erschwert es absoluten Anfängern, ihren Ausführungen zu folgen.

Wie das gesamte Buch, richtet sich auch dieser Abschnitt an einen Leser, der bereits Poker spielt und seine Spielweise lukrativer und kalkulierbarer gestalten möchte. Eine nette Ergänzung wäre ein Kapitel über Pokertools (z. B. bestimmte Software) gewesen, deren Hilfe man sich bedienen kann, um die Konzepte umzusetzen. Dennoch ist dieses Kapitel eine absolute Empfehlung und hält, wie beispielsweise mit dem „Personality-Test“ Einiges an Überraschungen für den Leser bereit.

6. „Glossar“ von Arnd van Haaren

Das Glossar (207 Seiten), zusammengestellt von Arndt van Haaren, wirkt auf den ersten Blick wie ein Lexikon. Es ist das wohl umfangreichste Nachschlagewerk über Poker, das es in deutscher Sprache gibt. So erfährt der Leser nicht nur nahezu jeden Begriff aus der Pokerwelt und die Namen der einzelnen Karten und Kartenkombinationen, sondern auch die spannende Geschichte des Pokersports. Wer von uns kann schon behaupten, die knapp 300 Bezeichnungen für die über 200 verschiedenen Pokerspiele von A wie „Acepots“, über M wie „Monkey Love“ bis hin zu Y wie „You Roll Two“ zu kennen. Mit diesem Buch im Schrank aber kein Problem mehr.

Für dieses Buchprojekt haben sich hervorragende Pokerspieler und -experten zusammengefunden. Herausgekommen ist ein Buch, das sich im deutschsprachigen Raum mit Sicherheit zu einem Standardwerk mausern wird. Gut, 653 Seiten sind eine Menge Stoff und €29,95 ein stolzer Preis. Wer sich jedoch ernsthaft vorgenommen hat, erfolgreich am Pokertisch zu sein, der findet hier in komprimierter Form die Tipps und Ratschläge von Spitzenprofis. Es ist ein Lesevergnügen, das sich im wahrsten Sinne des Wortes auszahlen kann. Egal, ob nun fünf Sterne, erhobene Daumen, Kochlöffel oder Asse verteilt werden: „Poker Matrix“ ist ohne Einschränkung empfehlenswert!

Das Buch kann direkt bei AniMazing oder auch bei Amazon bestellt werden.
Quelle: http://www.intellipoker.com/