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"Wir brauchen Regeln für das Online-Glücksspiel"

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Daneben darf künftig kein Geldautomat mehr stehen.
Daneben darf künftig kein Geldautomat mehr stehen. © imago

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, spricht im Interview mit der FR über Glücksspiel, Cannabis und Hoffnungen für 2019.

Frau Mortler, rund 500.000 Menschen in Deutschland gelten als spielsüchtig. Doch hierzulande sind Online-Spiele ungeregelt und in den Städten sprießen als Cafés getarnte Spielcasinos aus dem Boden. Deutschland habe sich zu einem Paradies für illegales Glücksspiel entwickelt, sagen Forscher. Warum tun Sie nichts dagegen?
Beim Thema Glücksspiel liegt Vieles im Argen. Ein Problem sind die Zuständigkeiten. Die Regeln für das Glücksspiel werden weitgehend von den Ländern gemacht, und die können sich seit Jahren nicht auf neue Standards verständigen. Als Drogenbeauftragte der Bundesregierung kann ich leider nur die Missstände benennen und an die Länder appellieren, auf einander zuzugehen.

Was muss passieren?
Im Moment ist das Online-Glücksspiel in Deutschland verboten – und doch wird im Netz wie verrückt gespielt, ohne dass irgendjemand etwas dagegen tut. So darf das nicht bleiben! Deswegen sage ich: Wir brauchen Regeln für das Online-Glücksspiel, die eine Grenze zwischen halbwegs sauberem Spiel und den vielen in jeder Hinsicht windigen Angeboten klar und transparent ziehen! Und diese Grenze sollten die Länder mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag ziehen, den wir endlich benötigen.

Bei Spielautomaten kann der Bund aber handeln, schließlich ist er für die sogenannte Spielverordnung zuständig. Warum werden Spielautomaten nicht ganz aus Kneipen und Cafés verbannt, um Grauzonen zu verhindern?
Ginge es nach mir, müsste in Gaststätten oder Kneipen kein einziger Spielautomat stehen. Das Gastronomiespiel hat in Deutschland aber eine lange Tradition. Das muss ich zur Kenntnis nehmen. Umso wichtiger ist es, dass sich Wirte und Aufsteller an die Regeln halten: Die Geräte müssen so gesichert sein, dass niemand ohne Alterskontrolle losspielen kann. Wo ein Spielautomat steht, müssen vernünftige Informationen zu Hilfsangeboten für Spielsüchtige ausliegen. Und natürlich ist es auch die Aufgabe der Wirte, problematische Spieler zu erkennen und anzusprechen.

Appelle dürften aber nicht ausreichen.
Um bei diesen Themen ganz praktisch voranzukommen, habe ich mich für einen Runden Tisch der Automatenindustrie unter Beteiligung des Hotel und Gaststättenverbandes eingesetzt. Ziel der bereits laufenden Gespräche mit dem Gastronomieverband DEHOGA und einen großen Gruppe von Automatenunternehmen ist eine Verbesserung des Spielerschutzes im Rahmen einer Selbstverpflichtung. Und zwar nicht irgendwann. Das sollten Automatenwirtschaft und Gastronomie schon bis Frühjahr fertig haben. Eine klare, geordnete Situation vor Ort kann nur im Interesse der Betreiber und Anbieter gleichermaßen sein. Wer will denn freiwillig in der Schmuddelecke stehen?

Selbstverpflichtungen der Wirtschaft sind in der Regel nicht allzu wirkungsvoll. Warum soll es diesmal besser werden?
Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht. Auf unseren Druck haben sich die Verantwortlichen von Raststätten und Autohöfen gemeinsam mit den Automatenunternehmen im Sommer dazu verpflichtet, endlich für den Spielerschutz zu sorgen. Dort war die Lage schlimm. Wir haben dafür gesorgt, dass die Verpflichtungen auch überprüft werden, und zwar von einem unabhängigen Vertreter der Suchthilfe, der die Spielstätten regelmäßig bereist und uns Bericht erstattet. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass Selbstverpflichtungen dazu beitragen können, eine Branche zu sensibilisieren. Am Ende müssen ja die Wirte und Aufsteller selbst sagen: Ich passe auf, wer meine Automaten benutzt. Ich will mein Geld nicht mit der Not Spielsüchtiger und auf dem Rücken der betroffenen Familien verdienen.

Was hat die erste Überprüfung ergeben?
Es gibt vorsichtige Fortschritte. Nur ein Beispiel: Die Raststätten haben mittlerweile das Gros ihrer Mitarbeiter schulen lassen. Zurzeit werden viele Betriebe umgebaut, weil Spiel- und Geldautomaten in Zukunft nicht mehr nebeneinander stehen dürfen.

Zurück zur digitalen Welt. Bei Jugendschützern sorgen sogenannte Lootboxen für Aufregung. Das sind digitale Wundertüten, die in Computerspielen gekauft werden können. Wenn der Spieler Glück hat, bekommt er zum Beispiel neue Waffen, wenn er Pech hat, bekommt er nichts Brauchbares. Ist das nicht auch ein Glücksspiel?
Lootboxen sind Glücksspiel, ganz klar! Man kauft die Katze im Sack, keiner weiß, was er oder sie für ihr Geld bekommt. Die Spieleanbieter müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und diese Extras zumindest aus den Spielen entfernen, die auch von Jugendlichen benutzt werden dürfen. Glücksspiel ist in Deutschland erst ab 18 erlaubt, dabei bleibt es auch.

Belgien und Holland haben die Lootboxen als illegales Glücksspiel eingestuft und damit verboten. Ein Vorbild für Deutschland?
Lootboxen sind nichts als Abzocke! Wenn der Industrie weiterhin daran gelegen ist, Games mit Lootboxen auf den Markt zu bringen, dann sollte sie uns sehr schnell zeigen, wie sie den Jugendschutz sicherstellen will. Ansonsten muss man sich nicht wundern, wenn wir auch in Deutschland eine Diskussion über ein Verbot bekommen. Da kann man dann nur sagen: Selbst schuld.

Was wünschen Sie sich als Drogenbeauftragte für das neue Jahr?
2019 wollen wir die Cannabisprävention auf eine völlig neue Stufe stellen. Gerade Schulen brauchen bei diesem Thema unsere Unterstützung! Hierfür haben wir kommendes Jahr 500 000 Euro mehr im Budget. Außerdem müssen wir Wege finden, wie wir Menschen mit Suchterkrankungen früher erreichen. Wir haben in Deutschland ausgezeichnete Hilfsangebote, aber die meisten Suchtkranken kommen erst nach acht, neun Jahren in die Beratung. Außerdem hoffe ich sehr, dass wir im Frühjahr das Tabakwerbeverbot über die Bühne bekommen, daran habe ich ja lange gearbeitet. Vielleicht können wir ja bald sagen: Was lange währt, wird endlich gut!

Interview: Timot Szent-Ivanyi

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