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Wenn das Ordnungsamt zur Kontrolle kommt

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Geräte mit hohem Suchtfaktor. Bis zu 80 Euro kann man an einem Spielautomat pro Stunde verlieren ? sofern sich die Aufsteller an die gesetzlichen Vorgaben halten.
Geräte mit hohem Suchtfaktor. Bis zu 80 Euro kann man an einem Spielautomat pro Stunde verlieren ? sofern sich die Aufsteller an die gesetzlichen Vorgaben halten. © epd

Das Ordnungsamt kontrolliert im Osten Frankfurts Lokale, in denen heftig gezockt wird. Für manchen Wirt wird der Polizeieinsatz teuer.

Die Uhr geht falsch in der kleinen Kneipe. Sie zeigt 21.15 Uhr an, dabei ist es erst Viertel nach acht. Der Inhaber der Gaststätte hat vergessen, sie auf Winterzeit umzustellen. „Machen Sie das doch mal“, sagt Jörg Bannach, der Leiter des Ordnungsamts: „Aber wenn nicht, kostet das auch kein Bußgeld.“ Der Wirt lächelt. Bannach verabschiedet sich. Zumindest hat er versucht, die Kontrolle versöhnlich zu beenden. Eine Kontrolle, die für den Kneipen-Inhaber alles andere als erfreulich verlief und ein teures Nachspiel haben wird.

Montagabend in einer Wohngegend tief im Osten der Stadt. Es ist kalt, es regnet leicht, kaum jemand ist auf der Straße unterwegs. Wohl kaum einer würde das Gebiet, in dem Bannach und ein halbes Dutzend Stadtpolizisten unterwegs sind, mit illegalem Glücksspiel in Verbindung bringen. Aber genau darum geht es im Extremfall.

Das Ordnungsamt kontrolliert an diesem Abend Gaststätten, in denen Spielautomaten stehen – was prinzipiell erlaubt ist, aber an eine Reihe von Vorschriften gebunden ist. Vorschriften, die in keiner der kontrollierten Kneipen in Gänze beachtet werden – das sei an dieser Stelle bereits vorweggenommen.

Schon das erste Lokal ist „ein Treffer“, wie sich Bannach ausdrückt. Einsatzleiter Frank Weber und sein Mitarbeiter Bernd Fuchs, der eigentlich anders heißt, aber als Experte für Glücksspiel im Ordnungsamt seinen echten Namen nicht unbedingt in der Zeitung lesen will, schauen sich sofort die Spielautomaten an. Auf den ersten Blick scheint alles in Ordnung. Drei Geräte stehen nebeneinander – genau so viele Apparate darf der Wirt als „Inhaber einer Schankwirtschaft“, so das Behördendeutsch, auch aufstellen. Doch der kleine Bildschirm, der auf einem Tisch neben den Automaten steht und nicht ans Stromnetz angeschlossen ist, erregt den Verdacht der Kontrolleure. Später stellt sich heraus, dass sich über das Gerät Sportwetten abschließen lassen. Und genau das geht nicht: Zwar ist der Wettmarkt eine rechtliche Grauzone, gegen die Anbieter wird in der Regel nicht vorgegangen. Doch in einem Punkt ist das Gesetz klar: Wer Glücksspielautomaten in seinem Lokal aufstellt, darf nicht gleichzeitig Wetten vermitteln. Damit fangen die Probleme für den Wirt aber erst an. Denn in einem Hinterzimmer, das womöglich als Küche, womöglich aber auch als Abstellkammer dient, steht ein weiteres Spielgerät, das Bernd Fuchs’ Aufmerksamkeit erregt. „Nur zur Unterhaltung“, steht auf einem aufgeklebten Zettel, der deutlich machen soll, dass der Apparat keine Gewinne ausspuckt. Doch die Software, die auf dem Gerät aufgespielt ist, enthält Spiele wie „Book of Fra“, die auch an gewöhnlichen Glücksspielautomaten angeboten werden. Ähnlich wie an einem einarmigen Banditen müssen die Zocker dabei in der Regel darauf hoffen, dass Symbole in einer bestimmten Reihenfolge angezeigt werden. Dann gibt es Geld. Nur an diesem Automaten nicht?

Bernd Fuchs hat Zweifel. Was ist der Sinn an einem Spiel, das zwei Sekunden dauert und zwei Euro kostet, wenn man außer virtuellen Punkten nichts gewinnen kann? Der Stadtpolizist ist sich ziemlich sicher, dass auch an diesem Gerät um Geld gespielt wird. Die Zocker, so der Verdacht, können erworbene Punkte beim Wirt gegen Geld eintauschen. Und das ist illegal, zumal die Einsätze auch viel zu hoch sind. Der maximale Verlust pro Stunde darf an einem Gerät bei 80 Euro liegen, so sagt es das Gesetz. Spielsüchtige Menschen sollen so zumindest ein wenig geschützt werden. Doch angesichts der kurzen Dauer der Spiele an diesem Automaten sind Verluste im vierstelligen Bereich möglich.

Fuchs will sich das Gerät näher ansehen. Sein Kollege holt eine Sackkarre und schiebt den Automaten zum Auto der Stadtpolizei. Im Ordnungsamt wird der Apparat in den kommenden Tagen „bespielt“, wie Fuchs sagt. Das heißt, die Polizisten unternehmen den Praxistest und können nach etwa zwei Stunden sagen, welche Gewinnwahrscheinlichkeit es an dem Gerät gibt.

Und dann ist da noch das Obergeschoss. Eine enge Treppe führt vom Gastraum dorthin. „Da ist nichts“, sagt der Wirt – was nicht stimmt. Dicht an dicht stehen in der ersten Etage Tische nebeneinander, am Kopfende des Raumes steht einer mit grünem Filzbezug. Hinter einer Bar finden die Polizisten jede Menge Spielkarten und Würfelbecher. Manches spricht dafür, dass in dem Raum ein illegales Spielcasino betrieben wird. Doch Jörg Bannach ist vorsichtig. Um diesen Verdacht zu erhärten, hätten die Beamten Spieler auf frischer Tat antreffen müssen. Doch dafür ist es noch zu früh. Man werde die Lokalität im Auge behalten, sagt Bannach.

Eine gute Stunde dauert die Kontrolle allein in diesem Lokal. Es gehe nicht darum, Gastwirte zu drangsalieren oder gegen Zocker vorzugehen, stellt Bannach klar. Für den Schutz der Spieler seien die Kontrollen aber nötig.

Die nächsten beiden Gaststätten, die überprüft werden, liegen nur wenige Meter entfernt. Auch hier werden die Stadtpolizisten fündig. In einem Lokal stehen die erlaubten drei Geräte nebeneinander, doch in erster Linie wird in dem Raum nicht an Automaten gespielt, sondern gewettet. Auf mehreren Fernsehern laufen Fußballspiele, an einem Computer kann man Tipps abgeben. Ein Mann schimpft, weil es beim Spiel Tel Aviv gegen Haifa immer noch 0:0 steht, er aber auf ein Tor in den ersten 15 Minuten gesetzt hat. „Ich Idiot“, nörgelt er. Während die Stadtpolizisten dem Wirt erklärt, dass er zwar Sportwetten, aber nicht gleichzeitig Automatenspiel anbieten darf, platziert der Zocker die nächste Wette. Von dem Polizeieinsatz um sie herum lassen er und seine Freunde sich nicht stören. Vermutlich erleben sie auch nicht zum ersten Mal, wie Beamte einschreiten. „Der Kontrolldruck ist recht hoch“, sagt Bannach.

Schließlich das dritte Lokal. Hier gibt es die wenigsten Beanstandungen, dennoch nehmen die Polizisten ein Gerät vom Netz. Das Prüfzeichen, eine Art TÜV-Plakette für Spielautomaten, ist abgelaufen. An dem Zeichen könnten Spieler erkennen, dass das Gerät technisch einwandfrei funktioniert, sagt Bannach. Der Automat wird versiegelt, an die Einwurfschlitze für Münzen und Scheine kommen Aufkleber mit dem Stempel des Ordnungsamts.

Auf ihrem Weg zurück zum Auto laufen die Stadtpolizisten an der Gaststätte vorbei, die sie zuerst kontrolliert hatten. Sie ist mittlerweile geschlossen. Er müsse jetzt erst einmal überlegen, wie es weitergeht, hatte der Wirt gesagt. Ob er die Uhr noch umgestellt hat, bleibt offen.

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