Von Falschspielern und anderem Ungeziefer

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Es geschah im März 2006. Ich saß im Casino Schenefeld in einer ungeheuer actionreichen Potlimit Texas Hold’em Partie mit Blinds von € 10/20. Hauptgrund dieser Action war der Spieler mit Stammplatz auf 1, direkt links vom Dealer. Er schien wie meistens einen ungeheuer guten Lauf zu haben, aber aufgrund seines, positiv formuliert, sehr kreativen und ungewöhnlichen Spielstils wollte ich unbedingt mit dabei sein, wenn er am Tisch saß.

Wie die meisten anderen an unserem Tisch, fast alles langjährige Bekannte, dachte auch ich:

„Irgendwann ist dieser Lauf vorbei und dann wird er mit seiner Spielweise in drei Tagen über einhunderttausend Euro regelrecht verbrennen.“

Irgendwann finde ich in MP1 Pocket Queens und openraise Pot, also 70 €. Zwei Spieler callen mein Raise bis zu besagtem Maniac, der im Small Blind sitzt. Moment, er sitzt gar nicht im Small Blind, sondern steht ungefähr fünf Meter entfernt an einem Roulettetisch, wo er gerade mit dem Bepflastern des Tableaus beschäftigt ist. Aus diesen fünf Metern Entfernung ruft er: „Reraise Pot!“. Das macht dann 370 €. Ich bin mir absolut sicher, dass er bisher noch nicht einmal in seine Karten geschaut hat, er stand die ganze Zeit am Roulettetisch und die Karten lagen immer noch so vor seinem Platz, wie vom Dealer ausgeteilt.

Ich habe etwa 3.500 Euro vor mir stehen und er Lawinen, über 10.000 Euro. Na gut, denke ich mir, ich spiele mit meinen Damen gegen zwei Randomkarten und will möglichst Heads Up mit ihm kommen. Also raise ich noch einmal um den Pot auf 1270 Euro, die beiden anderen folden und während er noch drei Meter entfernt ist, ruft er Call, während er sich langsam zu seinem Platz begibt. Der Dealer dreht :3x :7x :9x und er macht eine potsized Bet von 2.700 Euro. Ich schiebe sofort meine etwa 2.300 Euro Rest in die Mitte. Nicht schlecht, denke ich noch, jetzt sind über 7.000 Euro im Pot und ich gehe wahrscheinlich als massiver Favorit ins Rennen. Aber ich habe meinen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da dreht er schon, bevor der Dealer die Turnkarte ausgibt, Pocket Asse um. Es kommen zwei blanke Karten an Turn und River und der Pot wandert zu ihm. Ich verstehe die Welt nicht mehr!!! Er hat mit Sicherheit preflop keinen Blick in seine Karten werfen können! Ich murmele noch so etwas wie „das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen“, als am Tisch schon allgemeines Gelächter ausbricht und mir die übrigen Mitspieler von ähnlichen Vorkommnissen mit unserem Glückspilz erzählen. Die Geschichte habe ich in den vergangen Jahren mehrfach zu den verschiedensten Gelegenheiten zum Besten gegeben, auch um zu zeigen, das beim Pokern einfach alles vorkommt, wenn man nur genügend Stunden spielt.

Heute, im Nachhinein, weiß ich, dass es tatsächlich nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Gestern wurde der entsprechende Spieler im Casino Bad Zwischenahn als Falschspieler entlarvt. Er ließ mit schöner Regelmäßigkeit Karten aus dem Deck verschwinden, um sie dann bei entsprechendem Flop hervorzuzaubern und die Siegerhand zu präsentieren. Er spielte schon seit geraumer Zeit im Casino Zwischenahn. Daher wusste er auch, dass die Dealer regelmäßig um 22 Uhr und 24 Uhr die Karten des Decks nachzählen. Völlig kalt erwischte es ihn, als der Dealer gestern vollkommen unplanmäßig um 23 Uhr das Deck zählte. Hastig versuchte er noch, die Karten aus seinem Ärmel zum Muck zu befördern, aber einigen aufmerksamen Gästen am Tisch entging der überhastete Versuch dann doch nicht und die Videoaufzeichnung bewies seinen Betrug.

Jetzt bin ich mächtig sauer! Nicht nur auf diese Wanze, die mit kriminellen Machenschaften jahrelang dutzende, vielleicht sogar hunderte seriöse Pokerspieler um ihr Geld betrogen hat. Poker ist ein Geschäft mit schnellen Geld und viel Geld. Natürlich lockt so ein Geschäft auch jede Menge Ungeziefer an, das sich mit schäbigen Tricks auf dreckige Art bereichern will. Ein wenig sauer bin ich auch auf die staatlichen Casinos, die hier ihre Sorgfalts- und Fürsorgepflicht für die Sicherheit der Spieler vernachlässigt haben und durch allzu standardisierte Rituale und festgefahrene Vorgehensweisen raffinierten Betrügern die Schlupflöcher zu groß machen.

Seit mehr als einem Jahr propagiere ich schon die Einführung von Kartenmischmaschinen in deutschen Spielbanken. Mischmaschinen sind schnell, effektiv und entlasten den Dealer. Aber Mischmaschinen sind auch sicherer: Die Elektronik zählt bei jedem Mischvorgang die Anzahl der Karten im Deck nach und gibt Alarm, wenn etwas nicht stimmt. Und Mischmaschinen erschweren ebenfalls Betrugsversuche, die durch die mögliche Zusammenarbeit zwischen einem Dealer und einem Falschspieler am Tisch durchgezogen werden könnten.

Aber am meisten sauer bin ich auf unsere holde Obrigkeit! In dreister Scheinheiligkeit werden die Bewahrer des staatlichen Glücksspielmonopols nicht müde, auf die Gefahren einer Privatisierung der Branche hinzuweisen. Als Argument führen sie gemäß Verfassungsgerichtsurteil vom März 2006 die Bekämpfung der Spielsucht, sowie die staatliche garantierte Sicherheit der Gäste in deutschen Spielbanken an, die angeblich private Anbieter nicht bieten könnten und würden.

Vorfälle wie der hier aufgeführte Falschspieler sind keine Einzelfälle. Sie werden nur in der Regel totgeschwiegen und kommen erst gar nicht an die Öffentlichkeit. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf! Und den Vertretern des Monopols sei wärmstens empfohlen, sich in Zukunft etwas mehr um Zurückhaltung zu bemühen, wenn es um Fingerzeige auf private Anbieter geht. Wer im Glaskasten sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!

Euer Michael von free-888.com