WSOP Europe – Die Haie sind in der Stadt

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Wie ich Euch bereits in meinem letzten Artikel aus Barcelona angekündigt habe, sitze ich mittlerweile in London, um dabei zu sein, wenn in good old Europe Geschichte geschrieben wird und die ersten Bracelets jenseits amerikanischen Bodens ihre stolzen Besitzer finden werden. Ich gebe offen zu, dass ich die britische Hauptstadt nicht sonderlich mag. Die Innenstadt ist heillos überlaufen und ähnelt einer ständigen Massendemonstration.

Seit die mit Abstand strengsten Antirauchergesetze in Europa in Kraft traten, hat sich das Bild noch etwas verschlimmert. Während die Pubs innen über gähnende Leere klagen, sammeln sich vor der Eingangstür wahre Horden von Menschen an, die mit einer Bier in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand auf der Straße etwas Entspannung suchen oder einfach nur Party machen wollen. Ob sich die Briten mit der Radikalität ihrer Gesetzgebung nicht selbst einen gewaltigen Bärendienst erwiesen haben, wird sich spätestens im Winter zeigen, wenn die Kneipen zwar weiterhin leer und mit sauberer Luft ausgestattet sind, dafür aber die halbe Bevölkerung mit grippeähnlichen Symptomen danieder liegt.

In Spanien hatte man es ja bereits vor einem Jahr ähnlich radikal versucht und hier kippen die strengen Vorschriften bereits wieder. In immer mehr Kneipen und Restaurants findet man das Schild „Espace Fumar“, das darauf hinweist, auch für Raucher abgetrennte Bereiche zur Verfügung zu stellen.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich finde es vollkommen richtig, Nichtraucher vor unfreiwilliger Qualmbelästigung zu schützen, auch durch Gesetzeskraft! Auf der anderen Seite gibt es hier sicher auch vernünftige Mittelwege, diesen Schutz effektiv umzusetzen, ohne die Raucher de facto zu kriminalisieren. Und sei es drum: Wenn ein Staat schon solch radikale Vorschriften erlässt, dann soll er wenigstens so konsequent sein und komplett den Besitz, Handel und das Konsumieren von Tabakwaren verbieten. Aber auf die Milliardeneinnahmen aus der Tabaksteuer wollen die Herren Politiker am Ende dann doch nicht verzichten.

Bevor ich mich hier in weiteren politisch philosophischen Thematiken verliere, komme ich lieber zurück zum Zweck meiner Londonreise; ich bin hier zum Pokern und zwar gegen die besten lebenden Spieler dieser Welt.

Jedenfalls hatte man diesen Eindruck, wenn man sich die Starterliste des Eröffnungsevents, des H.O.R.S.E Turniers anschaut. Mit 105 Teilnehmern war das Feld zwar zahlenmäßig recht klein, dafür waren aber wahrscheinlich niemals mehr Bracelets pro Quadratmeter Gebäudefläche an einem Ort versammelt.

Wo war eigentlich das „Dead Money“ in diesem Turnier?

Ich ging die Starterliste durch und konnte einfach keinen Namen entdecken, der dieses Turnier nicht auch unter realistischen Bedingungen gewinnen könnte. An meinem Tisch fand ich dann Leute wie Eric Seidel oder Patrick Antonius wieder, Niki Jedlicka saß am Nachbartisch zusammen in froher Runde mit Doyle Brunson und Chris Fergusson. Doch, einen „dead Money“ Spot fand ich schließlich noch: Es war Barry Greenstein, der an meinem Tisch hätte sitzen sollen. Aber offensichtlich hatte er seinen Flieger verpasst oder erhebliche Verspätung. Jedenfalls wurde er langsam aber sicher totgeblindet und schied kurz nach der Dinnerpause aus, ohne eine einzige Hand gespielt zu haben. Damit überlebte er allerdings einige große andere Namen wie beispielsweise Phil Helmuth oder Patrick Antonius um Stunden.

Ich selbst hatte bis zur Dinnerpause aus meinem Startstack von 10.000 Chips 28.200 gemacht und war ziemlich gut gelaunt. Doch als wir uns 2 Stunden später wieder versammelten, war der gute Lauf wie abgeschnitten. Zunächst versuchte ich, mit meinem Chipstapel Druck aufzubauen, doch im Gegensatz zu einem „normalen“ Turnier hatte ich bei dem Kaliber meiner Mitspieler keine Chance mit dieser Taktik. Leute, die selbst gewohnheitsmäßig diese Strategie einsetzen, kennen die Tricks und sind deshalb auch ziemlich immun dagegen. Nachdem ich so etwa 3.000 Chips verblasen hatte, schaltete ich wieder um auf eine mehr technisch orientierte Spielweise mit relativ tightem Ansatz. Zum Verhängnis wurden mir schließlich 3 Hände, mit denen ich jedes Mal Pots in der Größenordnung von über 10.000 verlor.

Zweimal konnte der Russe Alex Kravchenko, der sich schon bei der diesjährigen WSOP in Las Vegas bei den Limitturnieren in außergewöhnlich guter Form präsentierte, sich beim Omaha Hi/Lo gegen mein geflopptes Set mit einem geriverten Flush durchsetzen. Den dritten großen Pot verlor ich gegen Eric Seidel, als ich beim Limit Holdem mit :Qs :Ts aus mittlerer Position raiste und er im Big Blind nachbezahlte. Bei einem Flop von :Ks :Td :9s raisen wir uns gegenseitig bis zum Cap, am Turn macht mir die :6s den second nuts Flush, doch am River kommt noch ein viertes Spade ins Board und Eric gewinnt den Pot mit :As :9h. In diesen 3 Händen hatten weder meine Gegner noch ich selbst irgendeinen sichtbaren Fehler gemacht. Zu guter Letzt scheide ich als 56. etwa 19 Minuten vor Ende des ersten Tages aus, als ich beim 7-Card Stud mit einem Paar Könige meine verbliebenen Chips in die Mitte stelle und am Ende gegen eine Straße ausscheide.

Am Samstag geht es dann weiter mit dem Potlimit Omaha und natürlich steht auch für Montag noch das Nolimit Holdem Main Event auf meinem Terminplan. Das Buy-in ist für europäische Verhältnisse mit rund 16.000 € exorbitant hoch und ich bin gespannt, ob tatsächlich (wie von dem Veranstalter erhofft) mehr als 450 Teilnehmer aufkreuzen werden.

Euer Michael von free-888.com