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Spielhallenschliessungen

Losentscheid: 160 Verfahren gegen Stadt

UMSTRITTEN: Das Aus für Spielhallen per Losentscheid hat in Niedersachsen zu hunderten von Gerichtsverfahren geführt – und viele gehen für die Kommunen verloren. Das Land wappnet sich für Kostenforderungen.

UMSTRITTEN: Das Aus für Spielhallen per Losentscheid hat in Niedersachsen zu hunderten von Gerichtsverfahren geführt – und viele gehen für die Kommunen verloren. Das Land wappnet sich für Kostenforderungen.

HANNOVER. Im Zuge der Schließung von Spielhallen und den dabei per Los getroffenen Entscheidungen sah sich allein die Stadt Hannover 160 Verfahren gegenüber. Davon seien jetzt 58 beendet, hieß es auf NP-Anfrage. Von den beendeten Verfahren habe die Stadt in 27 Fällen „voll obsiegt“, in 21 „teilweise“ und zehn verloren. Als oberen Richtwert für die Kosten schätzt die Stadt 3000 Euro je Verfahren, je nach Fall und Hallengröße (teils kommt es zu mehreren Verfahren pro Halle). Ob die Kosten beim Land geltend gemacht werden, darüber sei noch nicht entschieden. Es habe jedoch „zwei Musterverfahren eine Verständigung mit dem Land gegeben“, für die die Stadt die Kosten erstattet bekomme, was in einem Fall schon geschehen sei. Aktuell gebe es in der Landeshauptstadt 76 Spielhallen mit einer Erlaubnis bis Mitte 2012 – zudem gab es nach einer Weisung des Wirtschaftsministeriums 15 Erlaubnisse bis Ende 2018 für Spielhallen, die eigentlich nach dem Losentscheid geschlossen hätten bleiben müssen. Zwei weitere Hallen am Steintor seien „geduldet“, bis das Land Niedersachsen das Glücksspielgesetz geändert und einen neuen Auswahlmodus vorgegeben hat.

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Das niedersächsischen Wirtschaftsministerium hat sich nun doch noch auf die NP-Anfrage geäußert und bestätigt, dass 900 000 Euro in den Landeshaushalt eingestellt worden sind, „um mögliche Verfahrenskosten der Kommunen zu erstatten“. Wie hoch die ausfallen werde, könne noch nicht beziffert werden. Klar: Es laufen hunderte Verfahren, keines ist mit einem andern identisch und es ist unklar, wo welche Gerichte zu Gunsten der vom Los getroffenen Spielhallenbetreiber entscheiden werden (es gibt besondere Fälle, wo das Losverfahren vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg als legitim eingestuft wird).

Ob das Land am Ende auch Schadenersatz an benachteiligte Spielhallenbetreiber leisten muss, ist ebenfalls noch offen. Zumindest habe das Ministerium nach dem OVG-Entscheid im September die Weisung erteilt, dass vom Los betroffene und durch diese Gerichtsentscheidung „begünstigte“ Spielhallenbetreiber „wieder öffnen dürfen. Auf diese Weise wurde etwaiger Schaden vermieden“, erklärt der Sprecher.

Florian Heinze, Rechtsanwalt in Hannover und Justiziar der Automatenverbandes Niedersachsen (AVN), sagt, dass von den rund 700 landesweit durch das Glücksspielgesetz zum Schließen gezwungene Hallenbetreiber „mehrere hundert“ vor die Verwaltungsgerichte gezogen seien. Von jenen, die per Los aussortiert waren, hätten „etwa 80 Prozent“ ihre Spielautomaten wieder in Betrieb genommen, seien noch immer damit beschäftigt, „ihre Spielhalle wieder aufzumachen, ins Laufen zu bringen“. Von daher hätten die Unternehmer noch keine Zeit gefunden, sich Gedanken über Schadenersatzforderungen für die (vorübergehende) Schließung gemacht. Doch das sei ein „spannendes Thema, vielleicht kommt das jetzt bald auf die Agenda“.

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(Hinweis: Irrtümlich hatten die Neue Presse geschrieben, das Innenministerium sei für diesen Fall zuständig. Allerdings ist es das Wirtschaftsministerium. Im Text ist es jetzt korrigiert.)

Zitat

„Eine solchen (glücksspielhaften Charakter) erkennt die Landesregierung nicht. (...) Das Losverfahren überzeugt ob seiner Objektivität.“

Das Wirtschaftsministerium im Oktober 2016 auf eine Anfrage, ob der Losentscheid nicht selbst etwas Glücksspielhaftes habe und was die Rechtsgrundlage dafür sei.

Der Hintergrund

Laut dem Glücksspielstaatsvertrag darf es nach dem 1. Juli 2017 keine Mehrfachspielhallen mehr geben und müssen in Niedersachsen mindestens 100 Meter Abstand zwischen Spielhallen liegen - das wurde 2012 vorgegeben. Welche von zu nahe beieinander liegenden Hallen weichen muss, und dass das letztlich von den Kommunen im Zweifel per Los zu entscheiden sei, wurde erst im Jahr 2016 klar – zu spät und nicht verfassungsgemäß, monierte die Automatenwirtschaft, außerdem würde die Härtefallklausel nicht beachtet - und so zogen viele Hallenbetreiber vor Gericht. Niedersachsen ist das einzige Bundesland, dass das Los entscheiden ließ. Das Gesetz soll Glücksspiel- und Wettsucht entgegenwirken.

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Von Ralph Hübner

NP

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