WSOP 2007 Teil 7 – Vom Wortschatz der amerikanischen Sprache!

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Leider musste ich für 2 Tage mein heiß geliebtes „Wynns“ verlassen, da das Hotel am letzten Wochenende komplett ausgebucht war. Notgedrungen habe ich mich also in einem Apartment in der Tropicana Ave. einquartiert, das auf den ersten Blick einen recht freundlichen und sauberen Eindruck machte. Warum der Preis so unverschämt günstig war, wurde mir erst in der Nacht klar, als ich schlafen wollte. Über mir in der Wohnung stritten sich ein Mann und eine Frau in heftigster Art und Weise, wobei mindestens 50 Prozent des verwandten Wortschatzes aus dem berühmten „F-Word“ zu bestehen schien. Anhand der Geräuschkulisse konnte ich mir auch ein sehr präzises Bild darüber machen, wann und wie oft der Typ auf die Frau einprügelte und welche Möbelstücke an welche Hauswand geworfen wurden. Das Ganze startete so gegen 2 Uhr nachts und endete morgens um 7 Uhr. Ich hoffte noch auf einen einmaligen Ausrutscher, aber in der nächsten Nacht wiederholte sich das Drama in allen Einzelheiten nach exakt dem gleichen Drehbuch. Der Typ, ein Mittdreißiger mit verfilzten und verwahrlosten Rasterlocken, dafür aber vollkommen mit billigstem Modeschmuck behangen, erfüllte das typische Klischee eines heruntergekommenen Zuhälters. Ich habe mich nicht mal getraut, die Polizei zu rufen, weil ich mich vor ausgiebigen Racheakten fürchtete. Seit heute bin ich wieder zurück im Wynns…alles wird gut!

Pokertechnisch sollte ich Euch vielleicht noch meine Geschichte vom $ 2.000 Potlimit Hold’em Turnier erzählen.

Wir starteten mit knapp 600 Spielern und schon nach kurzer Zeit setzte ein allgemeines Massensterben ein. Für mich immer wieder erstaunlich, wie schnell sich die Leute aus so einem Turnier verabschieden. Offensichtlich haben die meisten Amerikaner weiterhin gewaltige taktische Probleme mit Potlimit Varianten. Sie können rein technisch nicht einfach so ihre gesamten Chips preflop in die Mitte stellen, sondern müssen sich Flops und Turns ansehen. Und hier geraten sie dann ins Straucheln. Um 2 Uhr nachts waren nur noch 45 Teilnehmer übrig, wir alle waren schon längst „im Geld“ und ich war mit 51.000 Chips auch etwas über Durchschnitt.

Der Restart erfolgte um 14 Uhr am nächsten Tag und innerhalb von einer Stunde konnte ich mich auf 85.000 Chips aufbauen. Bei 33 verbliebenen Spielern foldete jeder vor mir und ich fand am Button ein Paar J-J. Mein Potraise in Höhe von 10,500 wurde vom schwedischen Online-Profi William „El Capitano“ Thorsen mit einem Reraise Pot aus dem Small Blind beantwortet. William hatte nur etwa 50.000 Chips und mir war klar, dass er in dieser Situation nicht irgendeinen Stealversuch auf mich starten würde. Ich hatte keinerlei Druck und überlegte deshalb sorgfältig, ob ich mich auf den unvermeidlichen Showdown einlassen wollte. Ich setzte ihn schließlich all-in. Da ich schon im Geld war, wollte ich mich nicht irgendwie low stacked Richtung Finaltisch durchschlagen. Jetzt war der richtige Zeitpunkt gekommen, um den Chiplead anzustreben. Pocket Asse oder Könige schloss ich bei ihm aus, die hätte William in dieser Phase nur gecallt. Die einzige mögliche Hand, gegen die ich deutlicher Außenseiter war, wäre Q-Q gewesen. Aber es gab auch jede Menge Karten, wie kleinere Paare oder As-J oder schlechterer Kicker, gegen die ich massiver Favorit war. Selbst einen Coinflip wollte ich in dieser speziellen Turniersituation in Kauf nehmen. Gewinne ich das Race, habe ich etwa 135.000 Chips, was mich zu einem deutlichen Favoriten für einen Platz am Finaltisch machen würde. Verliere ich die 50 Prozent Chance, hätte ich aber immer noch ca. 35.000 übrig, genug, um mit etwas Kartenglück wieder ins Spiel zu kommen.

William zeigte schließlich A-K und ein König am Flop ohne weitere Hilfe für mich ließ mich das Rennen verlieren.

Leider blieb dann auch das Kartenglück aus, mit den verbliebenen Chips und einem Big Blind von 4.000 hielt ich mich noch eine Weile und ging schließlich mit K-T suited mit 14.000 all-in. Ich lief in A-Q und musste mich letztlich als 24. aus dem Turnier verabschieden. Auch im Nachhinein bin ich davon überzeugt, dass meine Taktik richtig war, wenn ich um den Sieg und nicht um einen Platz kämpfen wollte. Es gibt Schlüsselpunkte, an denen trotz aller Strategie ein Showdown unvermeidlich ist und dann sprechen eben alleine die Karten.

Bei mir steht jetzt noch das $ 2.000 Limit Omaha Hi/Lo am Mittwoch, das $ 10.000 Potlimit Omaha am kommenden Sonntag, sowie natürlich der Main Event auf dem Programm. Ich halte Euch auf dem Laufenden.

Euer Michael von free-888.com