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Fragwürdiges Gewinnspiel Die Supermarkt-Flatrate - oder doch nicht?

Nie mehr für Lebensmittel bezahlen! Das verspricht das Gewinnspiel einer Supermarktkette. Wer nachrechnet, merkt jedoch schnell, dass der Hauptgewinn wahrscheinlich niemals ausgezahlt wird.
Voller Einkaufswagen

Voller Einkaufswagen

Foto: Gyorgy Varga/ AP

Mit Gewinnspielen werden wir alle massenweise konfrontiert und meist erkennt man schnell, dass die vermeintlichen Hauptgewinne doch nicht überzeugend sind oder die Gewinnchancen vermutlich so niedrig sind, dass eine Teilnahme nicht lohnt.

Für einiges Aufsehen sorgt gerade das Gewinnspiel einer norddeutschen Supermarktkette. Es handelt sich dabei um das sogenannte Lebensmittel-Lotto . Wer für mindestens zehn Euro in einer Filiale einkauft, bekommt kostenlos einen Teilnahmecoupon, um im Internet an dem Gewinnspiel teilzunehmen.

Neben kleineren Gewinnen, die unter allen Teilnehmern ausgelost werden, wird dabei als Hauptgewinn ein lebenslanges kostenfreies Einkaufen bis zu einem Maximalbetrag von 150.000 Euro ausgelobt, ein Gewinn also, der durchaus attraktiv erscheint. Doch kaum ein Kunde dürfte realisieren, dass der Hauptgewinn zumeist gar nicht ausgezahlt werden muss.

Kalkulation wie bei 6 aus 49

Um an dem Gewinnspiel teilzunehmen, muss man aus 49 Produkten sechs auswählen und zusätzlich ein siebtes Lieblingsprodukt angeben. Die Ähnlichkeiten zum Lotto sind beabsichtigt. Um zu gewinnen, müssen zuerst die sechs ausgewählten Produkte bei der Ziehung gezogen werden. Stimmt dann auch noch das in einer siebten Ziehung gezogene Lieblingsprodukt mit der eigenen Wahl überein, winkt der Hauptgewinn.

Aber besteht überhaupt eine realistische Chance auf einen Gewinn? Die Wahrscheinlichkeit hierfür lässt sich auch ohne tiefgehende Statistikkenntnisse leicht ausrechnen. Der Anfang ist dabei wie beim viel diskutierten Lotto: Wir nehmen an, die sechs Gewinnerprodukte plus das Lieblingsprodukt stehen schon fest, aber niemand kennt sie.

1 zu 600 Millionen

Beim Auswählen des ersten Produkts hat der Spieler dann genau 6 aus 49 Möglichkeiten, denn es ist ja egal, welches der sechs Gewinnerprodukte er zieht.

Für das zweite Produkt bleiben dann 5 aus 48 Möglichkeiten. Dieses Prozedere wiederholt sich, bis man das sechste Produkte mit einer einzigen aus 44 Möglichkeiten zieht. Insgesamt erhält man dann eine Wahrscheinlichkeit von

6/49 * 5/48 * 4/47 * 3/46 * 2/45 * 1/44 = 1/13.983.816,

die in keinem Bericht über das Standard-Lotto fehlen darf.

Nun muss der Spieler aber auch noch das korrekte Lieblingsprodukt aus den verbleibenden 43 Produkten wählen, was einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 43 entspricht. Damit reduziert sich die Wahrscheinlichkeit auf den Hauptgewinn also auf etwa 1 zu 600 Millionen. Selbst ein Sechser mit Zusatzzahl beim Lotto 6 aus 49 ist damit noch über viermal wahrscheinlicher.

Da Lotto 6 aus 49 jede Woche millionenfach gespielt wird, gibt es auch regelmäßig Spieler, die den Jackpot tatsächlich knacken. Muss also auch der Handelskonzern damit rechnen, den Hauptgewinn tatsächlich auszahlen zu müssen?

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Das hängt natürlich stark davon ab, wie viele Kunden sich tatsächlich mit dem Teilnahmecoupon im Internet anmelden und die Produkte auszuwählen, um am Lebensmittel-Lotto teilzunehmen.

Wir haben zwei Märkte befragt, wie viele Coupons sie pro Tag an Kunden herausgeben. Die Angaben lagen bei 300 und 500. Gehen wir einmal davon aus, dass in jedem der rund 700 Märkte des Handelsunternehmens an jedem der elf Werktage, die das Gewinnspiel lief, im Mittel 500 Teilnahmecoupons ausgegeben wurden. Die Supermarktkette Edeka Nord wollte keine Angaben zur Zahl der ausgegebenen Coupons machen.

Bleiben wir also bei unserer Schätzung von 500 Coupons je Markt und Tag. Wenn wir annehmen, dass sich jeder 20. Kunde die Mühe gemacht hat, am Gewinnspiel teilzunehmen, so wären dies nicht einmal 200.000 Teilnehmer. Dies würde aber bedeuten, dass die Chance auf einen Hauptgewinner gerade einmal bei 1 zu 3000 liegt.

Wahrscheinlichkeit verschwindend gering

Wenn die Supermarktkette diese Lotterie also die kommenden 3000 Jahre jährlich einmal fortsetzt, ist statistisch gesehen ein einziger Hauptgewinner zu erwarten. Selbst wenn alle erwachsenen Einwohner des Handelsgebiets der Kette an dem Gewinnspiel teilnehmen würden, könnte dieses etwa 100 Jahre gespielt werden bei nur einem zu erwartenden Hauptgewinn.

Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass es in der jetzt laufenden Runde tatsächlich einen glücklichen Gewinner gibt. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist jedoch verschwindend gering.

Genau dies ist offenbar auch das Prinzip dieser Art Gewinnspiele, wie sich leicht auf der Webseite einer Promotionagentur  nachlesen lässt, die solche Aktionen betreut. So wird dort ausgeführt, dass das Risiko eines Hauptgewinns nur zu einem Bruchteil des Werts des Hauptgewinns versichert wird. Bei der verschwindend geringen Wahrscheinlichkeit ist dies aber natürlich auch nicht erstaunlich.

Die Agenturen bewerben die Gewinnspiele für den Handel deshalb auch mit den Vorteilen, dass die Kunden mit dem attraktiven und vom Lotto vertrauten Hauptgewinn zur Teilnahme animiert werden, gleichzeitig aber der Hauptgewinn kaum je ausgezahlt werden muss, sodass das Gewinnspiel für den Handel sehr kostengünstig ist - siehe Infobroschüre Seite elf .

So wundert es kaum, dass man im Internet keine Hinweise darauf findet, dass bei einem der Gewinnspiele dieser Art je ein Hauptgewinner bekannt gegeben wurde. Für viele Verbraucher ist dieser clevere Schachzug der Werbetreibenden allerdings nur schwer zu erkennen.

Edeka Nord erklärte dazu: Bei der Lotterie handle es sich um "eine Aktion, die wir unseren Kunden kostenlos als Dank für ihren Einkauf anbieten". Neben dem Hauptgewinn gebe es viele weitere Gewinne wie Smartphones oder Präsentkisten. Ob es bei einer ganz ähnlichen Lotterie zuvor einen Gewinner gab, wollte das Unternehmen nicht verraten.


Trau keiner Statistik, die du nicht verstanden hast: Die Brüder Björn und Sören Christensen hinterfragen Umfragen und Studien, denen wir täglich begegnen. Mehr Kolumnen finden Sie auf der Themenseite "Angezählt - die Statistikkolumne".

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