Deutscher Lottoverband: Zentrale Aussagen der Europäischen Kommission

in ihrer Stellungnahme im Notifizierungsverfahren vom 22. März 2007 zum Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages sowie in ihrem Schreiben vom März 2007 im Vertragsverletzungsverfahren zu § 284 Abs. 1 StGB i. V. m. LoStV

1. EU stellt fest: Spielsucht ist nicht nachgewiesen

Der Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages stützt sich nicht auf Daten, die eine tatsächliche Gefahr der Spielsucht im Internet in Deutschland belegen. Der Kommission konnten hierzu keine Folgenabschätzungen oder Studien vorgelegt werden. Zur Rechtfertigung der einschränkenden Regelungen des Entwurfes hätte es jedoch solcher Belege bedurft (Stellungnahme im Notifizierungsverfahren S. 3, Ziff. 2.1 der Stellungnahme).

Es gibt keinerlei Nachweise eines echten oder sogar potentiellen Risikos der Spielsucht für 20 Mio. Menschen, die wöchentlich Lotto spielen oder auf Sportwetten setzen (Schreiben im Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 37).

Die Europäische Kommission prüft ausdrücklich auch auf der Grundlage der Sportwetten-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 (Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 31, 43 ff.). Auf dieser Grundlage kommt die Kommission zu vernichtenden Feststellungen für den Lotteriebereich: Deutschland betreibt keine konsistente und systematische Politik zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht (Schreiben im Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 35).

2. EU fordert: Glücksspielangebote müssen nach Gefährdungspotenzial differenziert werden

Es gibt keine Differenzierung zwischen den einzelnen Glücksspielangeboten (Schreiben im Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 37).

3. EU stellt fest: Placanica-Urteil ist auf Deutschland anwendbar

Selbst wenn der Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages den Zielen der Spielsuchtbekämpfung und des Jugendschutzes dienen würde, wären seine Regelungen nicht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH, wie sie zuletzt im Urteil des Gerichtshofs vom 06. März 2007 in der Rs. Placanica bestätigt wurde. Nach der – nach Ansicht der Kommission auch für Deutschland relevanten – Placanica-Entscheidung des EuGH (Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Placanica, Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 49) dürften die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages zur Erreichung dieser Ziele nicht diskriminierend sein (S. 2 der Stellungnahme im Notifizierungsverfahren a.E.).

4. EU mahnt: Staatsvertragsentwurf muss sich mit wirklich suchtgefährdenden Glücksspielen beschäftigen

Der Glücksspielstaatsvertrag eignet sich nicht zur Bekämpfung von Spielsucht und zum Jugendschutz. Dies ergibt sich auch aus dessen Inkonsistenzen. Er findet auf Lotterien und Sportwetten Anwendung, nicht aber auf Glücksspiele, die ein viel höheres Gefährdungspotenzial für Spielsucht aufweisen (S. 3, Ziff. 2.2 der Stellungnahme im Notifizierungsverfahren).

5. EU kritisiert: Die Mittel zur Bekämpfung der Spielsucht und Jugendschutz sind nicht verhältnismäßig

Die im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehenen einschränkenden Maßnahmen sind unverhältnismäßig, weil mildere Mittel zur Bekämpfung der Spielsucht und zum Schutz von Jugendlichen möglich wären, z.B. eine vorherige Registrierung und Identifizierung der Spieler und ihres Alters und die Begrenzung der Spieleinsätze (S. 3, Ziff. 2.3 der Stellungnahme im Notifizierungsverfahren).

Es gibt keine verlässliche Analyse der Zweckmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit des Lottomonopols als Mittel zur Bekämpfung von Spielsucht (Schreiben im Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 37). Nach Schätzungen gibt es in Deutschland 90.000 Spielsüchtige (im Vergleich zu 13,8 Mio. Menschen mit Alkoholproblemen). Ein irrationales Suchtverhalten im Falle von Lotterien ist kaum ermittelbar.

6. EU erklärt: Der Entwurf zum Staatsvertrag enthält deutliche Diskriminierung europäischer Firmen

Eine besonders deutliche Diskriminierung enthält der Entwurf des Glückspielstaatsvertrages in § 25 Abs. 6. Dort regelt er eine übergangsweise Ausnahme vom Internetverbot, die ausschließlich deutschen Vermittlern zugute kommt und de facto Veranstalter und Vermittler aus anderen Mitgliedsstaaten diskriminiert (S. 2, Ziff. 1 der Stellungnahme im Notifizierungsverfahren).

7. EU prüft: Sind neben dem Internetverbot auch andere Einschränkungen gemeinschaftsrechtswidrig?

Die Kommission hat zunächst nur die Rechtswidrigkeit des Internetverbots in § 4 Abs. 4 des Entwurfs dargelegt. Sie äußert aber auch deutliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der übrigen einschränkenden Regelungen des Entwurfs und wird zu einem späteren Zeitpunkt zu deren Verhältnis- bzw. Unverhältnismäßigkeit Stellung beziehen (Abschlussbemerkung der Stellungnahme im Notifizierungsverfahren).

8. EU stellt fest: Lottogesellschaft Rheinland-Pfalz erhielt Lottolizenz ohne öffentliche Ausschreibung

Die Kommission stellt fest, dass in Rheinland-Pfalz ein privates Unternehmen ohne staatliche Beteiligung die Lotterie betreibe. Dies sei diskriminierend, da die Erlaubnis für Lotto Rheinland Pfalz ohne eine öffentliche Ausschreibung erteilt wurde (Schreiben im Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 12).

9. EU offenbart: „Quicky“ und Casinos beweisen inkonsistente Glücksspielpolitik

Das niedersächsische Glücksspiel „Quicky“ beweist die inkonsistente staatliche Glücksspielpolitik (Schreiben im Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 40).

Obwohl Kasinospiele für die Spielsucht gefährlicher sind als Sportwetten, setzen die deutschen Behörden ihre expansive Politik im Bereich der Casinospiel fort (Schreiben im Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 38).

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein starker Hinweis darauf, dass der Lotteriestaatsvertrag mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts unvereinbar sei (Schreiben im Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 42).

10. EU kritisiert: fehlende Spieleinsatzbegrenzung beweist Inkonsistenz in der Spielsuchtbekämpfung

Die Inkonsistenz der Spielsuchtbekämpfung wird auch durch mangelnde Spielkapitalbegrenzung in den Ländern deutlich: manche Länder haben keine Begrenzung, ansonsten beträgt die Spanne zwischen 250 € bis 2.300 € pro Woche. Dies sei keine wirksame Begrenzung (Schreiben im Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 44).

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