EU äußert im Notifizierungsverfahren harsche Kritik am Glücksspielstaatsvertrag

• Verbot von Internetlotto unverhältnismäßig
• EU-Kommisision kündigt weitere Kritik an

Hamburg, 23. März 2007. Die Stellungnahme der EU-Kommission zum Glücksspielstaatsvertrag bedeutet das Ende des geplanten Vertragswerks der Bundesländer. Im Rahmen des so genannten Notifizierungsverfahrens wurde das Verbot des Internetlottos auf seine Vereinbarkeit mit europäischem Recht geprüft. Dabei stellte die Kommission erhebliche Mängel fest, die ein Festhalten am Vertrag unmöglich machen. Darüber hinaus kündigte die Kommission an, dass weitere Regelungen auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Zu einem späteren Zeitpunkt würden hierzu ergänzende kritische Stellungnahmen der Kommission folgen.

Mit Hinweis auf das Placanica-Urteil de Europäischen Gerichtshofes vom 6. März 2007 fordert die Kommission, dass Einschränkungen von Glücksspielangeboten nicht diskriminierend sein dürfen. Mit besonderer Deutlichkeit moniert die Kommission die formellen Fehler des Vertragsentwurfs. Die Bundesländer haben weder Folgenabschätzungen noch Studien vorgelegt, die das Internetverbot rechtfertigen. Zudem haben die Länder versäumt, eine Analyse der Zweckdienlichkeit und der Verhältnismäßigkeit ihres Entwurfs vorzulegen. Es fehlen auch jedwede empirische Aussagen zu einer möglichen Spielsucht durch Lotto und Lotterien. Darüber hinaus seien die Aussagen falsch, dass im Internet die Vermeidung von Glücksspielsucht unmöglich sei. Gerade hier würde Jugendschutz und Spielsuchtprävention bereits erfolgreich praktiziert. „Die EUKommission hat mit ihrer Stellungnahme dem Staatsvertrag eine klare Absage erteilt“, sagt Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbands.

Die EU-Kommission hat ihre erheblichen Bedenken gegen den Glücksspielstaatsvertragsentwurf als so genannte „detailed opinion“ in einer schriftlichen Stellungnahme zusammengefasst. Sie kritisiert darin mit ungewöhnlicher Schärfe insbesondere das generelle Verbot des Vertriebs von Lotto und Lotterien über das Internet. Da eine Suchtgefahr von Lotto nicht belegbar sei, seien solch massiven Eingriffe nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Diese ablehnende Stellungnahme der EU-Kommission führt dazu, dass die Länder der Kommission bis zum 23.04.2007 einen überarbeiteten Glücksspielstaatsvertrag vorlegen müssen, der die Bedenken berücksichtigt. Anderenfalls riskieren die Länder die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland, was mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof enden könnte. „Es ist ganz und gar ausgeschlossen, dass die Länder bis zum 23. April belegen können, was nicht zu belegen ist: Dass Lotto süchtig macht und deshalb im Internet nicht mehr angeboten werden darf“, so Faber. „Die Länder müssen sich endlich ernsthaft mit besseren Alternativen auseinandersetzen. Der Glücksspielstaatsvertrag ist nicht nur verfassungswidrig, sondern auch eine eklatante Verletzung der Dienstleistungsfreiheit. Er gehört, wie es jüngst unter anderem der CDU-Europaabgeordnete Langen gefordert hat, in den Papierkorb.“

Die Prüfung des Staatsvertragsentwurfs durch die Kommission wird sich in den nächsten Wochen noch auf andere, ebenso
gemeinschaftsrechtswidrige Vorschriften des Vertragsentwurfs erstrecken. Die Länder haben jetzt die Chance, die Notbremse zu ziehen und den Vertragsentwurf zurückzuziehen. „Es wird höchste Zeit, dass die Länder endlich auf das duale Staatsvertragssystem umschwenken, das Anfang März von der schleswig-holsteinischen CDU-Fraktion vorgestellt wurde“, so Norman Faber. Demnach würde für Sportwetten ein neuer Staatsvertrag geschlossen, während für Lotto und Lotterien der Lotteriestaatsvertrag von 2004 weiter gelten würde.
Auf dem europäischen Parkett ist der Ausgang des Notifizierungsverfahrens nach der Placanica-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. März bereits die zweite Absage an den Staatsvertrag. Auch die EU-Kommission nahm ausdrücklich Bezug auf die Entscheidung im Fall Placanica. Mehrere Bundesländer – darunter Hamburg, Niedersachsen und Bayern – hatten ihre Vertragsunterschrift von diesen beiden Entscheidungen abhängig gemacht, nachdem es auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 13. Dezember 2006 zu keiner Einigung gekommen war. Der schleswigholsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen verweigerte aufgrund von europa- und verfassungsrechtlichen Bedenken die erforderliche Zustimmung und wird jetzt auf europäischer Ebene bestätigt.

Der Deutsche Lottoverband kämpft für den Erhalt der bewährten Wettbewerbsstrukturen bei der Vermittlung der staatlich veranstalteten Lotterien und fordert die Aufrechterhaltung des geltenden Lotteriestaatsvertrages aus dem Jahr 2004. Mit dem Ausgang des Notifizierungsverfahrens und der jüngsten Entscheidung des EuGH in Sachen Placanica ist die Rettung des deutschen Lottos und der privaten Lottovermittler greifbar geworden.

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