Die Lotto-Brille

Es ist eine Frage der persönlichen Interessen, warum Menschen ein und denselben Sachverhalt unterschiedlich wahrnehmen. Bei keinem anderen Thema wird dies deutlicher als bei Sportwetten. So sind Meldungen der letzten Tage jedenfalls nur zu verstehen, wenn man sie durch die Lotto-Brille betrachtet.

Mit einer Erfolgsmeldung, man habe 2006 nur knapp einen neuen Umsatzrekord verfehlt, startete Lotto Hessen ins neue Jahr. Wovon tausende Unternehmen träumen, Lotto Hessen hat es geschafft: Sie haben 2006 die Werbung drastisch zurückgefahren und dabei die Umsätze gesteigert. Mit einer Ausnahmen: Bei der Sportwette Oddset ging diese Gleichung nicht auf. Hier gab es schmerzliche Umsatzrückgänge, die Lotto Hessen mit der kompletten Einstellung der Werbung für das Produkt der Sportwette Oddset begründete. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass man die harten Auflagen des Bundesverfassungsgerichts ordnungsgemäß umgesetzt habe. Die Kommunikation im gesamten Deutschen Lotto- und Totoblock habe man auf reine Information über das Lotterie- und Wettangebot umgestellt.

Ein Blick ohne Lotto-Brille zeigt einen ganz anderen Sachverhalt. Lotto hat nicht die Werbung zurückgefahren, sondern die Werbestrategie verändert. „Lotto mit neuem, einheitlichen Marktauftritt“ lautete die Überschrift einer Pressemeldung des Deutschen Lotto- und Totoblocks vom 9. März 2006 (vor dem Karlsruher Urteil!). In Zusammenarbeit mit dem renommierten Marketing-Professor Heribert Meffert habe man eine neue Dachmarkenstrategie für LOTTO entwickelt. Kern des neuen Auftritts sei der Schriftzug „LOTTO“ in Verbindung mit dem vorangestellten vierblättrigen Kleeblatt als allgemein anerkanntes Symbol für Glück. In Zukunft wolle man diese starke, positive Markenbild noch mehr vereinheitlichen und für alle angebotenen Produkte nutzen. Die beratende Agentur Lukas Clark – LC Markenberatung in Hamburg formuliert die Idee der Strategie wie folgt: „Die neue Markenstrategie ermöglicht dem DLTB eine effektivere Bündelung seiner Kommunikationsaktivitäten und setzt Synergien frei. Die Neu-Ordnung des Markenportfolios ermöglicht den Transfer zwischen einzelnen Produkten und stärkt den DLTB in seiner Gesamtheit“.

Die Idee der neuen Dachmarkenstrategie von LOTTO war bereits Anfang 2005 geboren. So beauftragte Lotto-Hessen eine Mainzer Kommunikationsagentur mit der Konzeption und Durchführung einer Imagekampagne für die Dachmarke Lotto, unter der verschiedene Lotterie-Produkte vertrieben werden sollen. In einer Presse-Information der Agentur vom 19. Januar 2005 heißt es hier wörtlich: „Aufgabe ist es, Lotto Hessen als Original zu positionieren und von den illegalen Sportwettenanbietern abzugrenzen“.

Fazit: Die Karlsruher Richter haben dem Deutschen Lotto- und Totoblock mit ihrem Urteil unbewusst in die Hände gespielt. Die verordnete Werbebeschränkung für die Sportwette Oddset passte perfekt in die ohnehin geplante Strategie. In der Öffentlichkeit verkauften die staatlichen Lottogesellschaften die Einstellung der Oddset-Werbung jedoch geschickt als gehorsame und einsichtige Reaktion auf das Karlsruher Urteil.

Vor diesem Hintergrund bedauert der Verband Europäischer Wettunternehmer (VEWU) insbesondere den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Januar 2007. Dort bestätigten die Richter Lotto Hessen, das Angebot und die Verfügbarkeit von Sportwetten ebenso wie die Werbung für Sportwetten deutlich reduziert zu haben. Seit dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 seien umfassende Maßnahmen zur Bekämpfung der Wettsucht und zur Suchtprävention getroffen worden.

„Wir wissen, dass die Sportwette Oddset als Marke kaum mehr beworben wird. Dafür ist Lotto in der Öffentlichkeit präsenter denn je. Von verhaltener Werbung keine Spur: Im Hessen Fernsehen gibt es täglich die Keno-Show, das Hessen-Wetter wird präsentiert von LOTTO, die Millionen-Jackpots werden an den vielen Tausenden Lotto-Vertriebsstellen beworben, auf keiner der viel frequentierten Internetseiten fehlt die Lottowerbung. Leider ist Justitia diesbezüglich in vielen Fällen blind. Die meisten Verwaltungsgerichte meinen, dass der inzwischen in Kleinstschrift auf den Spielscheinen angebrachte Hinweis auf Suchtgefahren ausreicht, um ein gemeinschaftsrechtswidriges Wettmonopol zu legitimieren und werden durch das Marketingkonzept von Lotto hinters Licht geführt“, so Markus Maul, Präsident des VEWU.

Der Verband Europäischer Wettunternehmer ist auch weiterhin zuversichtlich, dass der Europäische Gerichtshof nicht durch die Lotto-Brille schauen wird.

Verband Europäischer Wettunternehmer (VEWU) www.vewu.com