Europa hat das letzte Wort

„Gleiches Recht für alle“, so einfach lautet die Forderung des EU-Binnenmarkt Kommissars Charlie McCreevy in einem Interview im Spiegel vom 23. Oktober. „Nach der unerträglichen Selbstgefälligkeit mit der die Ministerpräsidenten in der vergangenen Woche den Entwurf des neuen Lotteriestaatsvertrags nachgebessert und auf den Weg gebracht haben, macht dieser Satz des EU-Kommissars wieder Hoffnung auf europäische Gerechtigkeit“, so Markus Maul, Präsident des Verbandes Europäischer Wettunternehmer (VEWU).

Die Position von Charlie McGreevy ist eindeutig und unmissverständlich. Die restriktiven Regelungen für Glückspielanbieter in Deutschland hält er für unzulässig, weil sie private Wettanbieter vom Markt ausschließen und somit gegen die Dienstleistungsfreiheit im europäischen Binnenmarkt und gegen EU-Recht verstoßen. VEWU begrüßt das konsequente Vorgehen der EU-Kommission und die Absicht, das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland bis zur letzten Instanz durchziehen zu wollen. „Das wäre eine hochnotpeinliche Situation für Deutschland, das ab 1. Januar 2007 die Ratspräsidentschaft in der EU übernehmen wird. Das Bekenntnis zu einem gemeinsamen und starken Europa einerseits und der Verstoß gegen EU-Recht andererseits führen die Glaubwürdigkeit Deutschlands ad absurdum“, so Markus Maul.

Vor diesem Hintergrund dürfte das europarechtswidrige Vorgehen der Ministerpräsidenten auch der Bundeskanzlerin nicht sonderlich gefallen. Bei der Gestaltung des neuen Lotteriestaatsvertrags agieren die Länder indes selbstherrlich und gestalten ihre Gesetze so wie sie ihnen am besten nutzen. Wer kontrolliert eigentlich die Länder und die staatlichen Lottogesellschaften, ob sie die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in ihrem Staatsvertrag und anschließend in der Praxis korrekt umsetzen? Wie kann es sein, dass auf der Sitzung der Länderchefs in der vergangenen Woche der Vertragsentwurf dahingehend korrigiert wurde, dass die Ziehung der Lottozahlen im Fernsehen nun als redaktioneller Beitrag gewertet und somit vom geplanten TV-Verbot ausgenommen wurde? Warum fallen Sendungen zu Lotterien wie z.B. Glücksspirale oder Klassenlotterien, nun plötzlich doch nicht unter das ursprünglich geplante TV-Werbeverbot?

Wer soll der Argumentation der Regierungschefs noch glauben, es ginge ihnen beim Lotteriestaatsvertrag ausschließlich um die Eindämmung der Spielsucht? Charlie McCreevy glaubt es jedenfalls nicht und bringt es im Spiegel-Interview auf den Punkt: Den Staatslotterien geht es um den Profit und um nichts anderes. „Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber diese Regeln müssen für alle gelten. Wir befinden uns mitten in einem Wirtschaftskrieg, über dessen Ausgang Europa und der Europäische Gerichtshof entscheiden werden. Es ist ein Armutszeugnis für die deutsche Politik, dass es ihr an Vernunft und Weitblick fehlt, die Belange ihres Landes selbst in die Hand zu nehmen und zu regeln. Wir setzen nun auf die EU und sind mehr als zuversichtlich, dass Europa den Länderchefs einen Strich durch ihre völlig absurde Rechnung machen wird“, so Markus Maul.

Positive Nachrichten für den Verband Europäischer Wettunternehmer gab es heute nicht nur aus Europa, sondern auch aus Nordrhein-Westfalen. Das OLG Düsseldorf hat mit heutigem Beschluss den Eilantrag des Deutschen Lotto- und Totoblocks gegen die Entscheidung des Bundeskartellamtes zurückgewiesen. Ende August hatte die Wettbewerbsbehörde den staatlichen Lottogesellschaften untersagt, den Markt weiter unter sich aufzuteilen und private Lottofirmen wie Faber, Tipp24, Jaxx oder Fluxx in ihrer Geschäftstätigkeit – dem Verkauf staatlicher Lottoprodukte – zu behindern. Die Richter bestätigten heute den Beschluss des Bundeskartellamtes in allen wesentlichen Punkten. Die Lottogesellschaften sind ab sofort wieder verpflichtet, Spielscheine privater Spielvermittler entgegenzunehmen. Aufgrund der vom Kartellamt festgestellten Wettbewerbswidrigkeit dürfen weder das Regionalitätsprinzip noch Teile des so genannten Regionalisierungsstaatsvertrags weiter angewendet werden.

Besonders erfreulich ist aus Sicht des VEWU die Feststellung des OLG, dass auch der Entwurf des neuen Lotteriestaatsvertrags, der im Dezember von den Ministerpräsidenten der Länder verabschiedet werden soll, an den Maßstäben des europäischen Kartellrechts zu messen ist. Das OLG Düsseldorf weist in seinem Beschluss deutlich darauf hin, dass die Finanzhoheit und europäisches Kartellrechts nebeneinander stehen und dass die Finanzhoheit der Länder ihre Grenzen in den Bestimmungen des europäischen Kartellrechts findet. Hierzu führt das Gericht aus: „Wettbewerbsbeschränkende Absprachen und Verhaltensweisen sind den Ländern nicht deshalb erlaubt, weil sie in Gestalt eines Länder-Finanzausgleichs stattfinden.“

„Die Statements von Herrn McGreevy und die Hinweise des Kartellsenats sind in meinen Augen ein Wink mit dem Zaunpfahl. Die Ministerpräsidenten wären gut beraten, den Beschluss des OLG Düsseldorf zum Anlass zu nehmen, über die Alternative einer Liberalisierung des Wettmarktes doch noch einmal dezidiert nachzudenken, bevor sie juristischen Schiffbruch erleiden; von den wirtschaftlichen Einbußen ganz abgesehen.“ so Markus Maul abschließend.

Kontakt
Verband Europäischer Wettunternehmer (VEWU)