Behörden in Russland wollen Auswüchse auf dem Glücksspielmarkt stoppen

Die russische Hauptstadt wird sich in Kürze offenbar vom Ruf als Kasino-Mekka verabschieden müssen. Bis 2007 sollen in Moskau nur noch 540 von den heutigen 855 Spielhäusern bleiben, teilte der stellvertretende Oberbürgermeister Iossif Ordschonikidse mit.

„Am 01. Januar 2006 gab es in Moskau 2770 Spielbanken“, teilte Ordschonikidse mit. „Von Januar bis August ging ihre Anzahl um 69 Prozent zurück. Bis Jahresende sollen 315 Kasinos aus der Stadt verbannt werden. Die restlichen werden dem geltenden Glückspielgesetz voll und ganz entsprechen.“

Wie eine Studie der Firma Ritzio ergab, besuchen vier Prozent der Moskauer regelmäßig Kasinos. Die Staatsduma (Unterhaus des russischen Parlaments) behandelt derzeit einen Gesetzentwurf für Kasinos, der Moskau, Sankt Petersburg sowie Badeorte wie Sotschi ausschließt. In den drei erwähnten Städten sind gegenwärtig über 80 Prozent der russischen Glücksspielindustrie konzentriert. Dem neuen Gesetzentwurf zufolge dürfen sich die Spielhäuser und Spielautomaten in einer Entfernung von mindestens einem Kilometer von diesen Städten befinden. Die neue Rechtslage tritt voraussichtlich am 01. Januar 2007 in Kraft. Die Chancen für eine Annahme in der Staatsduma sind hoch, so dass der Glückspielsparte, die mehr als eine Milliarde Dollar an Steuern einbringt und 550 000 Menschen beschäftigt, schwere Zeiten bevorstehen.

Die russische Glückspielindustrie erfuhr in den Jahren 2002 bis 2005 eine stürmische Entwicklung. Waren Anfang 2002 lediglich 70 000 Spielautomaten registriert, so stieg ihre Anzahl Ende 2005 auf mehr als 400 000.

Als der Umsatz der Spielautomaten 2005 die Marke von vier Milliarden US-Dollar überschritt, mussten beunruhigte Moskauer Behörden den Steuersatz auf den maximal möglichen Stand (knapp 290 US-Dollar per Automat) erhöhen, viele Regionen führten Einschränkungen ein. In den zurückliegenden sechs Monaten wurden 20 Prozent der Spielhäuser geschlossen.

Eine weitere Gefahr für den Glückspielmarkt stellen die geplanten Quoten dar, wonach auf 200 000 Einwohner höchstens ein Spielhaus entfallen darf. Demnach wird es in Moskau künftig maximal 60 Spielhäuser geben. Außerdem wollen die Abgeordneten Spielautomaten in öffentlichen Einrichtungen verbieten. In diese Kategorie fallen bis zu 80 Prozent der Einrichtungen. Der Staat will offenbar die Glückspielindustrie transformieren und die Unternehmer dazu bewegen, große Glückspielzentren für aktive Spieler statt kleiner Lokale für sich langweilendes Publikum zu bauen.

Während der Markt in Erwartung auf den neuen Gesetzentwurf stagniert, suchen die Unternehmer nach Möglichkeiten, ihr Geschäft zu retten. Laut Prognose der Assoziation „Mir Igr“ (Spielwelt) werden etwa 46 Prozent der Spielbanken fusionieren, wobei 27 Prozent in die Unterhaltungsindustrie oder in die Gastronomiebranche wechseln werden. „Es besteht kein Zweifel, dass der Markt schrumpfen wird“, sagt Igor Ballo, Präsident der Assoziation der Glückspielindustrie. „Die Frage ist, wie stark.“