Hessisches Ministerium des Innern und für Sport: Hessen macht konkrete Vorschläge für eine moderne Glücksspielregulierung

Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 8. Oktober 2015

Die Hessische Landesregierung hat fünf „Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung in Deutschland“ beschlossen. „Wir machen damit konkrete Vorschläge an die anderen Bundesländer, den Glücksspielstaatsvertrag anzupassen, um seine Ziele zu erreichen“, sagte der Hessische Innenminister Peter Beuth. Die gesetzgeberische Intention, wie Jugendschutz, Bekämpfung der Spielsucht und die Sicherstellung des Verbraucherschutzes der Spieler sei nicht erreicht worden, da mangels Ordnung völliger Wildwuchs entstanden sei.

Beuth spielt damit vor allem auf die bisher gescheiterte Vergabe der Sportwettenkonzessionen an, die zurzeit bei unterschiedlichen Gerichten beklagt wird. Es sei an der Zeit aus der bundesweit unbefriedigenden Situation herauszukommen. Man müsse handeln statt den Ausgang der langwierigen Gerichtsverfahren abzuwarten. „Wir Hessen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass wir eine Neuregelung des bestehenden gesetzlichen Rahmens brauchen: auf der Ebene der Ministerpräsidentenkonferenz, bei der Innenministerkonferenz und in der Öffentlichkeit. Die nun von uns vorgelegten Leitlinien zeigen, was nun praktisch zu tun ist“, betonte Beuth.

Die fünf Leitlinien sähen u.a. die Regulierung von Casino- und Pokerspielen im Internet oder die Aufhebung der Zahl der zu vergebenden Sportwettkonzessionen vor. Zudem würden Vorschläge zu den Anforderungen an die Registrierung im Internet, die Zusammenarbeit der Länder oder zur bundesweiten zentralen Sperrdatei gemacht.

„Eine quantitative Deckelung bei der Konzessionsvergabe im Bereich der Sportwetten führt nicht zu einer Verbesserung der Suchtprävention. Deshalb setzen wir uns für eine qualitative Begrenzung der Konzessionen ein. Sportwettenanbieter, die die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags korrekt umsetzen, sollen auch eine Konzession erhalten können. Die Anzahl spielt dann keine Rolle mehr. Dem tragen wir mit unseren Leitlinien Rechnung. Denn wir wollen, dass die Ziele des Glückspielstaatsvertrags wie Jugendschutz, Bekämpfung der Spielsucht, des Schwarzmarkts und der damit einhergehenden Kriminalität wirksam erreicht werden“, erklärte der Innenminister.

„Unser Ziel ist eindeutig: Der Glücksspielmarkt in Deutschland muss wieder klaren Regeln unterliegen. Es ist im Interesse der Spielerinnen und Spieler, der Anbieter und nicht zuletzt der Steuerzahler, dass die hessischen Vorschläge schnellstmöglich umgesetzt werden, um zu einem geordneten Verfahren zurück zu gelangen“, machte Beuth deutlich.

Im Einzelnen sehen die von der Hessischen Landesregierung beschlossenen Leitlinien folgendes vor:

Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung in Deutschland

Leitlinie 1: Regulierung von Casino- und Pokerspielen im Internet

Aus der Begründung zum Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) ergibt sich, dass es bei dem strikten Verbot von Onlinecasino- und Onlinepokerspielen verbleiben sollte, da der Gesetzgeber von einer hohen Manipulationsanfälligkeit solcher Spiele und einem hohen Suchtpotential ausgegangen ist. Die Nachfrage nach solchen Spielen sollte in den terrestrischen Spielbanken gedeckt werden. Eventuell vorhandene unerlaubte Angebote im Internet sollten mit Nachdruck bekämpft werden, etwa durch Unterbindung der Zahlungsströme. Der Gesetzgeber ging von einem Marktvolumen in 2009 von 0,1 bis 0,3 Mrd. Euro bei Casinospielen aus sowie 0,2 bis 0,3 Mrd. Euro bei Poker im Internet.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht erfüllt.

Gerade in den letzten beiden Jahren ist der illegale Onlinecasino- und Pokermarkt weiter gewachsen. Von den etwa 823 deutschsprachigen Internetseiten bieten 394 (48%) ein Casinoangebot und 86 (11%) Pokerspiele an. Im vierten Quartal 2014 betrug der Internetcasinoeinsatz Studien zufolge 5,941 Mrd. Euro (im gesamten Jahr 2014 waren es 18,357 Mrd. Euro) und der Internetpokereinsatz 789 Mio. Euro (im gesamten Jahr 2014 waren es 3,952 Mrd. Euro). Ein legales Angebot, wie etwa ein Angebot der regulierten Spielbanken, existiert nicht. Der Erfolg der vorgesehenen Unterbindung des illegalen Spiels lässt sich an den genannten Zahlen ablesen. Das gesetzlich geregelte Ziel der Schwarzmarktbekämpfung wird in diesem Bereich daher vollkommen außer Acht gelassen. Aber auch der Wille des Gesetzgebers Spieler und Jugendliche zu schützen, kann in einem unregulierten Markt nicht gewährleistet werden. Alle dargestellten Umsätze werden derzeit im Schwarzmarkt generiert. Den Ländern entgehen hierdurch Einnahmen in erheblicher Höhe (ausgehend von einer Besteuerung, die sich an die Regelung in Schleswig Holstein anlehnt, wären dies in 2014 Steuern in Höhe von 230 Mio. Euro gewesen).

Vor diesem Hintergrund sollte zur Bekämpfung des inzwischen größten Schwarzmarkts in Deutschland sowie auch aus Gründen des Spieler- und Jugendschutzes eine Regulierung dieses Marktsegments erfolgen. Eine Erlaubniserteilung für Casino- und Pokerspiele im Internet sollte, ohne quantitative Begrenzung, möglich sein. Überdies sollte ein Steuertatbestand geschaffen werden. Dies hätte unter anderem den Vorteil, dass der Schwarzmarkt effektiv bekämpft werden kann, die manipulationsanfälligen Spiele im Internet einer Kontrolle unterliegen, die Vorgaben des Spieler- und Jugendschutzes auch in diesem Marktsegment Anwendung finden und die hierdurch entstehenden Steuern guten Zwecken zugeführt werden können.

Leitlinie 2: Aufhebung der Zahl der zu vergebenden Sportwettkonzessionen (derzeit Begrenzung auf 20)

Nach dem GlüStV sollte innerhalb des Experimentierzeitraums von sieben Jahren die Kanalisierungswirkung der konzessionierten Öffnung der Sportwetten durch die Lenkung der Nachfrage in rechtmäßige, aber zahlenmäßig beschränkte Bahnen, getestet werden. Eine Expansion des Sportwettmarkts sollte aber nach dem Willen des Gesetzgebers vermieden werden. Der Gesetzgeber ging dabei jedoch von einer „überschaubaren Zahl illegal tätiger Unternehmen“ aus, sodass die Beschränkung der Sportwettkonzessionen auf 20 plausibel erschien.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht erfüllt.

Laut aktueller Studien gibt es in Deutschland derzeit 133 (illegale) Sportwettseiten. Dies entspricht in etwa auch der Zahl der an einer Konzession interessierten Unternehmen. Steuern werden bereits von 39 Unternehmen alleine an das Finanzamt Frankfurt III entrichtet. Die Begrenzung der Anzahl der Konzessionen auf 20 wird dem bestehenden Markt daher nicht gerecht und führt auch nicht etwa zu einem geringeren Angebot. Die quantitative Begrenzung führt lediglich zu Klagewellen der im Konzessionsverfahren unterlegenen Anbieter und hierdurch zum Stillstand in diesem Marktsegment, da die Experimentierphase gar nicht erst zum Tragen kommen kann. Eine Marktregulierung findet ebenfalls nicht statt. Im Übrigen ist eine Begrenzung der Zahl der zu vergebenden Konzessionen auf 20 europarechtlich kaum haltbar.

Vor diesem Hintergrund sollten die Erlaubnisse für Sportwetten ohne quantitative Begrenzung vergeben werden können. Jeder Anbieter, der die ohnehin hohen glücksspielrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, sollte eine Erlaubnis erhalten können. Des Weiteren wäre zu empfehlen, auch die Anforderungen an die Ausgestaltung der Sportwette an die Marktbedürfnisse anzupassen (Beispiel: Verbot der Live-Wette; dies macht jedoch etwa 60 bis 70% des Umsatzes bei den Unternehmen aus).

Leitlinie 3: Internet-Höchsteinsatzgrenze von 1.000 Euro; Anforderungen an die Registrierung im Internet

Nach dem GlüStV soll die Beschränkung des Höchsteinsatzes auf 1.000 Euro je Monat insbesondere dem Spielerschutz und der Suchtprävention dienen. Aus der Begründung zum GlüStV ergibt sich zudem, dass bei der Registrierung der Spieler im Internet die Anforderungen der KJM (Kommission für Jugendmedienschutz)-Standards einzuhalten sind. Dies soll insbesondere dazu dienen, Minderjährige vom Spiel im Internet abzuhalten.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht erfüllt.

Eine Begrenzung des Höchsteinsatzes auf 1.000 Euro je Monat ist weder marktgerecht, noch hilft es dem Spielerschutz oder der Suchtprävention. Bei marktüblichen Gewinnausschüttungen von 95% dürfte demnach bei einem Höchsteinsatz von 1.000 Euro nicht weitergespielt werden, obwohl der Spieler möglicherweise gar nichts verloren hat. Auch Suchtexperten raten eher zu monatlichen Verlustgrenzen. Zudem führt eine starre Regelung dazu, dass die sogenannten „high-roller“ und andere Spieler, die höhere Einsätze spielen wollen, in den Schwarzmarkt abwandern. Das belegen auch Studien in anderen Ländern. Bei den Anforderungen an die Registrierung im Internet sind die Anforderungen der KJM derart hoch, dass der Durchschnittsspieler die Registrierung abbricht und nach einfacheren, meist illegalen Alternativen sucht. Die Abbruchquoten im Registrierungsprozess liegen Studien und Aussagen der Landeslotteriegesellschaften zufolge bei diesen Anforderungen zwischen 50 und 70%.

Vor diesem Hintergrund wäre die Einführung von Selbstlimitierungsmöglichkeiten durch den Spieler sowie die Einführung von Verlustlimits anstelle von Einsatzlimits eine wesentlich geeignetere Möglichkeit. Diese Änderung könnte den gewünschten Spielerschutz erheblich besser gewährleisten, da sich die Sperre an der Höhe der Verluste orientiert. Die Anforderungen an die Registrierung sollten nicht zu hoch sein, da der von Bequemlichkeit geleitete Internetspieler nach einfacheren Alternativen suchen wird. Insbesondere sollten medienbruchfreie Verfahren bevorzugt werden.

Leitlinie 4: Glücksspielkollegium – Zusammenarbeit der Länder; Gründung einer gemeinsamen Anstalt des öffentlichen Rechts

Nach dem GlüStV sollte durch die Schaffung des Glücksspielkollegiums die Zusammenarbeit der Länder fortentwickelt und effektiver gestaltet werden. Für die ländereinheitlich zu führenden Verfahren entscheidet das Kollegium mit einer qualifizierten Mehrheit (Zwei-Drittel-Mehrheit) für die Länder. Diese Entscheidung wird von der Behörde eines Landes mit Wirkung für alle Länder nach außen umgesetzt.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht erfüllt.

Das Verfahren hat sich als wenig effektiv herausgestellt. Zum einen sind durch das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit nur wenige Länder nötig, um positive Entscheidungen zu blockieren. Zum anderen besteht die Problematik, dass eine Einigung häufig nur „auf den geringsten gemeinsamen Nenner“ möglich ist. Das Verfahren führt zum Teil zu untragbaren Konsequenzen für die Länder. So muss ein zentral zuständiges Bundesland wie Hessen im Sportwettkonzessionsverfahren oder bei Pferdewetten Entscheidungen des Glückspielkollegiums umsetzen und entsprechend vor Gericht verteidigen, die es selbst rechtlich für bedenklich hält.

Vor diesem Hintergrund sollte die notwendige Zusammenarbeit der Länder durch Gründung einer gemeinsamen Anstalt des öffentlichen Rechts gewährleistet werden. Der Wunsch nach effektiver Zusammenarbeit könnte besser gewährleistet werden, wenn die Länder eine gemeinsame Anstalt des öffentlichen Rechts ähnlich der BaFin (mit Sitz in Hessen) hätten, die für die bundesweite Erteilung der Interneterlaubnisse, die Aufsicht sowie die Untersagung unerlaubten Glücksspiels und der Werbung hierfür im Internet zuständig wäre. Hier wäre die politische Steuerung der Bundesländer gewährleistet, da die Länder die Anstalt über einen Verwaltungsrat steuern könnten. Zudem wäre Deutschland durch eine solche Regelung auf Augenhöhe mit Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien oder Dänemark, die ebenfalls über eine Aufsichts- und Regulierungsbehörde verfügen.

Leitlinie 5: Bundesweite zentrale Sperrdatei / Hessische Sperrdatei für Spielhallen; Anschluss der Spielhallen an die bundesweite zentrale Sperrdatei

Nach dem GlüStV betreibt das Land Hessen die bundesweite zentrale Sperrdatei, an die u.a. die Landeslotteriegesellschaften, die Spielbanken und die Sportwettkonzessionäre angebunden werden sollen, sowie eine eigene Sperrdatei, an welche die hessischen Spielhallen angeschlossen sind. Die Regelungen dienen dem aktiven Spielerschutz.

Diese gesetzgeberische Intention mit Blick auf die Ziele des GlüStV wurde bis heute nicht vollständig erfüllt.

Ursprünglich war geplant, die hessischen Spielhallen an die bundesweite, zentrale Sperrdatei, anzuschließen, damit Spieler, die sich in einer hessischen Spielhalle sperren lassen, auch an anderen Glücksspielen mit besonderem Gefährdungspotential, wie beispielsweise Glücksspiele in Spielbanken, nicht teilnehmen können. Dies war jedoch mangels Rechtsgrundlage im GlüStV bislang nicht möglich. Der Betrieb zweier Sperrdateien ist zudem aufwändig und überdies sehr kostenintensiv. Mangels Regelung im GlüStV unterscheiden einige Länder bei Glücksspielen im Internet nicht zwischen Spielen mit hohem Gefährdungspotential und Spielen mit geringem Gefährdungspotential, wie es im terrestrischen Bereich der Fall ist. Dies führt zu der Situation, dass bspw. Lotto Hessen keine Abfragepflicht gegen die Sperrdatei für ihr Produkt Lotto „6 aus 49“ auferlegt bekommen hat, andere Länder dies ihren Lottogesellschaften jedoch als Pflicht auferlegen. Das Land Hessen als Betreiber der Sperrdatei überprüft aber nicht die Erlaubnisse anderer Länder, sondern schließt die Verpflichteten entsprechend der jeweiligen Erlaubnis an. Eine Abfragepflicht für das Produkt „6 aus 49“ könnte jedoch zu einer solch enormen Sperrdateiabfrage an Samstagen führen (im millionenfachen Bereich), dass es zu Ausfällen des Sperrsystems mit noch ungeklärten Haftungsfolgen kommen könnte.

Vor diesem Hintergrund sollte eine Rechtsgrundlage im GlüStV zur Ermöglichung des Anschlusses der Spielhallen an die bundesweite zentrale Sperrdatei geschaffen werden. Dies dient zum einen dem Spielerschutz, führt aber auch zur Einsparung erheblicher Kosten, da nur noch eine Sperrdatei betrieben werden müsste. Im Hinblick auf die Abfragepflicht bedarf es einer Klarstellung im GlüStV, dass auch bei Glücksspielen im Internet zwischen Glücksspielen mit hohem Gefährdungspotential und Glücksspielen mit geringerem Gefährdungspotential unterschieden werden sollte.