Wird der Wettmarkt nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgeteilt?

Von: Sebastian Paulke

Der deutsche Wettmarkt wächst und wächst – laut Institut Sport+Markt sollen bereits 6,9 Millionen Deutsche aktiv Sportwetten tippen und über 10,4 Millionen ein Interesse an Sportwetten zeigen. Die Einsätze für Sportwetten liegen nach MECN im weltweiten Vergleich bei nur USD 33 pro Jahr gegenüber USD 151 in Österreich oder USD 626 in UK. Die Umsätze in Deutschland werden zum größten Teil allerdings nicht von Deutschen, sondern von in Deutschland lebenden Ausländern erzielt. Die Deutschen selber sind eher Lotto-affin und beginnen sich erst jetzt mit niedrigen Einsätzen für Sportwetten zu interessieren. Zugleich ist nach MECN der an Sportwetten Interessierte jünger als der durchschnittliche Lottospieler.

Nach dem Wetten-Report von Leinert Consult beträgt der gesamte Wett-Umsatz in Deutschland in 2005 knapp EUR 33 Mrd., was einem durchschnittlichen Wetteinsatz von EUR 380,- pro Bürger entspricht. Der Bereich Sportwetten umfasst mit EUR 2,7 Mrd. etwa 10 Prozent des gesamten Wettmarktes, wächst aber als einziger Bereich mit jährlichen Wachstumsraten von über 25 Prozent überproportional. Der deutsche Gesamt-Sportwettenmarkt gliedert sich wie folgt:

Staatliche Sportwettanbieter, Oddset: EUR 482 Mio.
Private Sportwettanbieter (Internet): EUR 820 Mio., davon BetandWin ca. EUR 400 Mio. alleine in Deutschland
Private Wettshops: EUR 500 Mio.

Bisher war die profitable Wettbranche fest in staatlicher Hand. Mittlerweile sind jedoch auch bei privaten Anbietern entsprechende Begehrlichkeiten entstanden und eingeklagt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat daher festgelegt, dass der Gesetzgeber sich für eine der beiden folgenden Regulierungen entscheiden muss:

Beibehaltung des Staatliches Monopols mit einem strengen Werbeverbot zur Bekämpfung der Spielsucht oder Marktliberalisierung mit Regeln und Bestimmungen, die für alle Marktteilnehmer gleich gelten.

Bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ging es darum, dass eine Münchner Buchmacherin zusätzlich zu Pferdewetten auch eine Buchmacherkonzession für Sportwetten erlangen wollte. Neben dieser Konzessionsbeantragung gibt es in Europa aber bereits zahlreiche Unternehmen mit einer solchen Konzession, die im Rahmen der europäischen Dienstleistungsfreiheit auch in Deutschland Sportwetten anbieten wollen. Diese EU-Dienstleistungsrichtlinie wurde bisher für den Bereich Wetten in Deutschland noch nicht umgesetzt. Dies führte zu einer Klage des europäischen Gerichtshofes gegen Deutschland und bietet den privaten Wettshop-Betreibern guten Grund, von einer künftigen Liberalisierung des Marktes auszugehen.

Oddset vor der Entscheidung: „do or die!“

Der staatliche Wettanbieter muss sich jetzt entscheiden, welchen Weg er favorisiert: Um das staatliche Monopol zu erhalten, müsste das Werbeverbot umgehend umgesetzt werden, wie es in Bayern sowie beim staatlichen Anbieter Oddset bereits geschieht. Dies hat Konsequenzen nicht nur für den nationalen Förderer der Fußball-Weltmeisterschaft, den öffentlich-rechtlichen Sportwettenanbieter Oddset, der bereits seine Werbestrategie anpasst, sondern eigentlich auch für das Bewerben der anderen Wett-Produkte wie z.B. Lotto. Denn das Lotto mit seinem jährlichen Umsatz von über EUR 5 Mrd. hat eine viel größere Bedeutung als die Sportwette. Einen weitaus größeren Anteil am Wettmarkt haben auch die Spielbanken (über EUR 10 Mrd.), Spielautomaten (über EUR 5 Mrd.) oder die Staatslotterien NKL und SKL mit einem Umsatz von fast €1,4 Mrd.

Wettexperte Jens Leinert, Leinert Consult, ist sich sicher: „Der staatliche Wettanbieter wird vermutlich dem Beispiel Österreichs folgen und eine Liberalisierung des Sportwettmarktes bei gleichzeitigem Verbleib des Lottos im staatlichen Monopol durchführen.“

Damit wird der Streit zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privaten Anbietern allerdings in die nächste Runde gehen: Warum sollen die unterschiedlichen Wettformen wie Sportwetten, Lotto, Poker oder Casinos unterschiedlich behandelt werden? Warum sollten deutsche Wettshops nicht auch Lottoscheine für die europäischen Lotterien Euromillions oder die Liechtensteiner Lotterie lotto.li an die entsprechenden Bertreiber vermitteln dürfen?

Gewinner dieser unklaren Rechtssituation sind zur Zeit neben den privaten Wettshops mit einer alten DDR-Lizenz die internationalen Anbieter von „eingedeutschten“ Wettseiten im Internet oder per Handy. Diese Wettformen lassen sich nur sehr schwer in nationalen Grenzen begrenzen. Wie der Branchendienst Casinocity aufführt, gibt es aktuell in deutscher Sprache 210 Internet-Casinos, 26 Pokerseiten und 75 Sportwettenseiten. Darüber hinaus gibt es unzählige deutschsprachige Wettinformationsseiten wie z.B. Mr-Bet.net oder Mr-Poker.net, die Spiel-Anleitungen, Bonusprogramme oder Bewertungen der Angebote anbieten.

Der Anteil von Wetten über das Internet macht nach der Studie von Goldmedia für das Jahr 2005 knapp EUR 3,3 Mrd. aus bei einem durchschnittlichen Spieleinsatz von jährlich knapp EUR 40. Etwa 81 Prozent der Umsätze gehen dabei an private Wettanbieter im Ausland und somit am deutschen Fiskus vorbei. Das Wachstum des deutschen Online-Wettmarktes beträgt jährlich bis zu 25% Prozent; es wird vorwiegend durch eine jüngere Zielgruppe verursacht.

„Für den lukrativen deutschen Wachstumsmarkt interessieren sich jedoch auch zahlreiche Unternehmen, die mit der entsprechenden Lobbyarbeit dafür sorgen werden, dass der Wettmarkt liberalisiert wird,“ weiss Unternehmensberater Leinert: „Nach der Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts bestärkte der Deutsche Fußball Bund (DFB) seine Absicht, nach der WM weiterhin eine eigene Sportwette anzubieten. Ebenso werden die TV-Sender wie Premiere, RTL oder DSF ihre Pläne für eigene Wettkanäle nach dem Vorbild der englischen BBC weiterverfolgen. Dafür haben sie die Arbeitsgruppe ‚Wetten’ gebildet. Auch Unternehmen wie Bertelsmann, Burda und die deutsche Telekom werden die geplanten Wettangebote weiter umsetzen wollen – und selbst der honorigen Deutschen Börse sind die Ähnlichkeiten einer Aktienbörse mit einer Sportwettenbörse wie z.B. Betfair nicht entgangen“.

Diese namhaften Anbieter hätten ein wirtschaftliches Interesse daran, dass die Landes-Lotteriegesetze im Sinne einer Zulassung privater Anbietern geändert werden. Leinert: „Sie werden sich mit Lobbyarbeit in Berlin und Brüssel dafür einsetzen, dass ihre Interessen durchgesetzt werden. Dabei dürfte es interessant werden zu sehen, was passiert, wenn es z.B. in Bayern bei der Beibehaltung des Monopols bleibt, was sich in der Ankündigung eines Werbeverbots und der Kritik der Staatsregierung an dem Trikotdeal zwischen Betandwin und 1860 München bereits abzeichnet, in Hessen private Anbieter aber zugelassen werden.“

Diese Rechtsunsicherheit in Verbindung mit einem boomenden Markt nutzen zunächst allerdings ersteinmal internationale Anbieter: Aufgrund der Einschränkungen nicht nur im deutschen Offline-Markt suchen sich deutsche Spieler ihr Angebot im Internet – für internationale Anbieter wird es noch lohnenswerter, ihre Internet-Angebote für den deutschen Markt anzupassen.

Für Leinert ist klar: „Bleibt die rechtliche Situation weiterhin diffus und unklar, so können engagierte Internet-Anbieter sich in einem der interessantesten europäischen Wachstumsmärkte einen erheblichen Wettbewerbsvorsprung sichern, Arbeitsplätze, die die Wettbranche auch hierzulande schaffen könnte, verbleiben im Ausland, von Steuern und Beiträgen für die Suchtprävention ganz abgesehen“, so der Wettfachmann. Er prognostiziert, dass die in den Markt drängenden nationalen Anbieter wie die TV-Sender oder der DFB eine politische Diskussion anstoßen werden, die zu einer Liberalisierung des Marktes führen muss. Leinert: „Auch der Deutsche Lotto-Toto-Block muss letztlich einen liberalisierten Sportwettenmarkt befürworten, um sein Monopol auf das lukrativere Lotto zu behalten: Lockende Mehreinnahmen aus einer Wettsteuer für alle Anbieter werden nämlich bald auch die Politiker auf den Plan rufen. Denn auch die wissen,“ so Leinerts Analyse, „dass das Argument, der Staat müsse Anbieter von Sportwetten sein, um die Spielsucht zu verhindern, ebenso absurd ist, wie wenn der Staat den Anspruch erheben würde, alleiniger Betreiber von Kneipen und Bars zu sein, um die Alkoholsucht einzudämmen.“

Quellen:
MECN – Der deutsche Wettmarkt im Umbruch, Sep. 2005, Autor: Martin Oelbermann
Leinert Consult – Wetten-Report, Juni 2005, Autor: Jens Leinert
Sport+Markt –
Goldmedia – Online Betting & Gambling 2010, Autor: Michael Schmid
LRP Research – Markt für Sportwetten, Autor: Alwin Vester & Dr. Stefan Steib