VEWU: Freispruch im Strafverfahren gegen privaten Wettbürobetreiber durch OLG Stuttgart bestätigt

Bonn/Frankfurt, 27. Juni 2006 – Viereinhalb Jahre musste der 31-jährige Kaufmann aus Heidenheim auf die Entscheidung des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart warten. Gestern wies das OLG Stuttgart die Revision der Staatsanwaltschaft gegen die bereits ergangenen Freisprüche durch das Amtsgericht Heidenheim und das Landgericht Ellwangen zurück und sprach den Betreiber eines privaten Wettbüros frei. (AZ 1 Ss 296/05, Urteil vom 26.06.2006).

Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, „gewerbsmäßig und ohne behördliche Erlaubnis ein Glückspiel veranstaltet zu haben (§ 284 StGB)“, da er seinen Kunden über das Internet die Teilnahme an Sportwetten eines in Österreich konzessionierten Wettbüros ermöglich hat.

Die Richter urteilten, dass der Mann ohne Schuld gehandelt habe. Er habe vom zuständigen Mitarbeiter der Stadt Heidenheim die Aussage erhalten, dass die Vermittlung von Sportwetten an einen in Österreich konzessionierten Veranstalter nicht strafbar sei. Auch habe er sich über die Rechtslage bei einem fachkundigen Anwalt ausreichend informiert. „Das Risiko der extrem unklaren Rechtslage, wie sie hier von Behörden und Gerichten geschaffen worden sei, dürfe nicht einseitig dem einzelnen Bürger aufgebürdet werden. In einem Rechtsstaat dürfe nur ein Verhalten bestraft werden, das vorher für die Betroffenen als strafbares Unrecht erkennbar gewesen sei“, so das Gericht.
In ihrer Urteilsbegründung nahmen die Richter auch Bezug auf geltendes Europarecht: „Der Europäische Gerichtshof habe in zwei Entscheidungen auch erhebliche Zweifel an der Strafbarkeit von Verstößen gegen das staatliche Wettmonopol geäußert“.

Die beiden prozessbevollmächtigten Anwälte, Guido Bongers und Dr. Bernd Müssig, begrüßten das Urteil. Bei allen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 noch anhängigen Strafverfahren in Baden-Württemberg sei die Strafbarkeit praktisch ausgeschlossen und diese Fälle müssten ad-acta gelegt werden. Wir sind froh dass die Kriminalisierung der Branche, insbesondere durch ODDSET, mit diesem Urteilsspruch hoffentlich ein Ende hat“, so die beiden Verteidiger.
RA Guido Bongers zeigte sich insbesondere darüber erfreut, dass die Richter explizit auf das im Strafrecht geltende Bestimmtheitsgebot hingewiesen haben, das auch in der aktuellen Rechtslage zu beachten sei. „Es kann nicht sein, dass die Anwendung einer deutschen Strafnorm von einem nicht zu beeinflussenden Verhalten Dritter – dem Werbe- und Suchtpräventionsverhalten der staatlichen Lotteriegesellschaften – abhängen soll. Das gesetzliche Regulierungsdefizit kann nicht zu Lasten eines einzelnen Bürgers gehen, sodass bis zur Schaffung eines neuen Gesetzes aus einer Sicht eine Strafbarkeit nicht in Betracht kommt“.