Angekündigte Schließungen von privaten Wettbüros sind juristisches Vabanque-Spiel

Dannenberg, 26. Mai 2006 – Die aktuellen Anweisungen vieler Länderinnenministerien an ihre Ordnungsbehörden, private Wettbüros nun konsequent zu schließen, sind nach Auffassung des Verbandes Europäischer Wettunternehmer ein juristisches Vabanque-Spiel, das die Länder und damit den Steuerzahler möglicherweise teuer zu stehen kommen wird.

„Es ist unglaublich, mit welcher Leichtfertigkeit die Länder geltende EU-Rechtsprechung ignorieren“, kommentiert VEWU-Präsident Markus Maul die Anweisungen der Innenministerien zur Schließung der Wettbüros.

Das BVerfG habe in seinem Urteil vom 28. März 2006 festgestellt, dass das derzeitige staatliche Sportwettmonopol in seiner konkreten Ausgestaltung verfassungswidrig ist. Da das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes als parallel zu den in Deutschland geltenden verfassungsrechtlichen Regelungen angesehen hat, sei damit inzident festgestellt, dass das derzeitige Monopol auch den EG-Vertrag verletze und die Rechtsprechung des EuGH missachte. Die deutschen Behörden und Gerichte hätten den Anwendungsvorrang des EU-Rechts zu beachten. Zeitgleich mit dem Urteil des BVerfG habe die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Am 17. Mai 2006 forderte der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof, dass auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts EG-Buchmacherlizenzen in allen Mitgliedsstaaten – auch in Deutschland – anerkannt werden müssen (www.curia.eu.int ).

Einzelne Gerichte haben inzwischen die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen privater Wettvermittlungsbüros gegen Schließungsverfügungen wiederhergestellt. So hat das Verwaltungsgericht Hamburg am 21. April 2006 in seiner Begründung angeführt, dass es zur Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Verfügung mit der die Vermittlung von Sportwetten in das EU-Ausland untersagt wird, wegen erheblicher Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit des § 284 StGB der Benennung von über die Strafbarkeit hinausgehender konkreter Gefahren für das Allgemeinwohl bedarf (VG Hamburg, 16 E 885/06) .

Das Amtsgericht Krefeld hat mit Beschluss vom 4. Mai 2006 den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehls gegen einen Sportwettvermittler abgelehnt. In seiner Begründung führt das Gericht aus, dass die in einem anderen europäischen Mitgliedsstaat ansässige Veranstalterin der Wetten eine nach dortigem Recht wirksame Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten besitze. Zwar gehe die herrschende Meinung davon aus, dass nur eine aufgrund der Sportwettgesetze der Länder erteilte inländische Genehmigung die Veranstaltung zu einer i.S.d. § 284 StGB erlaubten macht. Nach anderer Ansicht kann dagegen aufgrund europarechtlicher Vorgaben für die Vermittlung in Deutschland keine zusätzliche Genehmigung verlangt werden, wenn das Ausstellungsland der EU angehört. Der Beschuldigte sei nur Betreiber eines Vermittlungsbüros. Ein hinreichender Verdacht, verbotene Glücksspiele selbst zu halten, sei nicht feststellbar (AG Krefeld, 32 Cs 9 Js 827/05, 32 – 293/06).
Ganz aktuell hat das Verwaltungsgericht Minden mit Beschluss von heute (26. Mai 2006) den Eilanträgen von Sportwettvermittlern gegen die Untersagung ihrer gewerblichen Betätigung durch Städte und Gemeinden stattgegeben. In seiner Begründung führt das Gericht auf, dass sich Oddset bisher noch nicht in der gebotenen Weise an das Werbeverbot halte und die Spielsucht nicht in ausreichendem Maße bekämpfe. Darüber hinaus verstoße das staatliche Monopol für Sportwetten gegen die durch europäisches Recht garantierte Niederlassungsfreiheit und gegen die Dienstleistungsfreiheit (VG Minden, 3 L 241/06).

In seinem Gutachten zur Frage der Staatshaftung für Verletzungen der Dienstleistungsfreiheit aufgrund des Sportwetten-Monopols der deutschen Bundesländer hat RA Dr. Ulrich Karpenstein festgestellt, dass die in ihrer Dienstleistungsfreiheit verletzten Anbieter und Vermittler von Sportwetten für entstehende Schäden und Gewinnausfälle Schadensersatzansprüche an die Länder geltend machen können. Dies könnte die Länder und damit die Steuerzahler sehr teuer zu stehen kommen.

„Deutschland zählt zu den stärksten Verfechtern eines gemeinsamen Europas und das Bekenntnis zu Europa hat bei allen Politikern oberste Priorität. Vor diesem Hintergrund ist das so vehemente Ignorieren des EU-Vertrages in Sachen Sportwetten durch die Bundesländer nicht logisch zu erklären“, so Markus Maul.

Bei all den juristischen Auseinandersetzungen dürften aber auch die wirtschaftlichen Folgen der angedrohten Schließungen der privaten Wettvermittlungsbüros in Deutschland nicht vergessen werden. An den ca. 2.500 Vermittlungsbüros hingen 10.000 Existenzen, die kurzfristig gefährdet seien. Man frage sich, warum manche Bundesländer, obwohl über die Alternativen, vor die das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber gestellt hat, noch nicht entschieden ist, entgegen der Rechtsprechung des EuGH handeln und womit sie ein solches Risiko rechtfertigen können. Viele der Betreiber von Wettvermittlungsbüros haben in den vergangen Jahren viel Geld in ihre Unternehmen investiert und seriöse Arbeit geleistet. Sie sollen nun mit einem Schlag in den Ruin getrieben werden. Dies sei angesichts der angespannten Arbeitsmarktlage in Deutschland unverantwortlich, so Maul weiter.

Ein Vergleich mit europäischen Nachbarländern wie z.B. England und Österreich zeige, dass Sportwetten dort längst zu einer gesellschaftsfähigen Freizeitbeschäftigung geworden sind, ohne dass große Teile der Gesellschaft der Spielsucht verfallen seien. Keiner der privaten Sportwettanbieter versperre sich strengen Kontrollen und hohen Jugend- und Verbraucherschutzauflagen, die längst von der Branche umgesetzt werden.

Der Verband Europäischer Wettunternehmer fordert ein gleichberechtigtes Nebeneinander von staatlichen und privaten Wettveranstaltern unter gleichen Rahmenbedingungen, wie es in anderen europäischen Ländern bereits der Fall ist. Seine Gesprächsbereitschaft habe der Verband immer signalisiert.

Kontakt;
Verband Europäischer Wettunternehmer (VEWU) www.vewu.com

Ingrid Sebald