Totgesagte leben länger!

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Bericht von der deutschen Pokermeisterschaft 2005

Jahrelang war die deutsche Pokermeisterschaft ein traditionsreiches Highlight im Terminkalender. Fast alle großen deutschen Spielbanken beteiligten sich daran und der Austragungsort wechselte quer durch die Republik. Gespielt wurde damals die Variante Seven Card Stud, mit Vorqualifikationen in den beteiligten Casinos, die dann nach einem etwas komplizierten Qualifikationsschlüssel „ihre“ jeweils erfolgreichsten Spieler zum großen Finale senden durften. Nachdem zum einen das Interesse am Seven Card Stud Spiel bei den Gästen merklich zurückging, zum anderen aber auch gewisse Uneinigkeiten zwischen den teilnehmenden Spielbanken und den dahinter stehenden Autoritäten auftraten, schrumpfte die deutsche Meisterschaft von einem nationalen Unterfangen zu einem kaum mehr beachteten Event, an dem sich nur noch 4 Casinos beteiligten, zusammen.

Die deutsche Pokermeisterschaft lag im Sterben.

Bis, ja bis eine junge dynamische Crew im Casino Schenefeld bei Hamburg den Patienten unter ihre Fittiche nahm. Die Mitarbeiter der dortigen Pokerabteilung hatten sich zum Ziel gesetzt, mit intensiven Therapiemaßnahmen dem Totkranken wieder zu jugendlicher Blüte und Leben zu verhelfen. Die Spielvariante wurde auf No Limit Texas Hold´em umgestellt. Trotz der Tatsache, dass die Austragungsgemeinschaft nach wie vor „nur“ aus den 4 Spielbanken Bad Zwischenahn, Berlin, Hamburg und Schenefeld besteht und man kaum eine Vorankündigung zum Event im restlichen Deutschland finden konnte, hatte ich einen diskreten Hinweis erhalten und wollte natürlich unbedingt mit von der Partie sein.

Zugegebenermaßen relativ spät, nämlich Ende November, rief ich dann beim Veranstalter an, um in die Liste der Teilnehmer aufgenommen zu werden. Der Turnierleiter, Herr Jost, teilte mir mit, dass es etwas schwierig werden würde, da sie komplett ausgebucht seien, er aber sein Möglichstes tun werde, um die restlichen Interessenten noch aufzunehmen. Keine 5 Stunden später kam der Rückruf, dass alles organisiert sei, die Kapazitäten wurden kurzfristig erweitert und mein Platz sei mir sicher.

Auf die Frage nach einer geeigneten Übernachtungsmöglichkeit bot er mir auch gleich an, in einem nahe gelegenen Hotel ein Zimmer für mich zu reservieren. Moment mal, wir sprechen hier von dem Angestellten einer deutschen Spielbank und nicht etwa von dem Host eines der großen Hotels am Strip in Vegas. Ich war genauso verblüfft wie positiv überrascht. Sollten hier tatsächlich eindeutige Indizien für modernes, zeitgemäßes und kundenorientiertes Management vorliegen? Gleichermaßen gespannt wie neugierig machte ich mich auf den Weg nach Hamburg/Schenefeld.

Die 2. Überraschung zeichnete sich ab, als ich zum Check in am Freitag gegen 19 Uhr 30 im Casino eintraf; Ausgesucht freundliche und kompetente Mitarbeiter, welche die organisatorische Abwicklung so zügig und professionell durchzogen, dass erst gar keine Warteschlangen entstehen konnten. Der Andrang an Turnierteilnehmern war ja fast schon zu erwarten, womit ich allerdings nicht rechnete, war das hohe Interesse der Medienvertreter. DSF war mit einem eigenen Produktionsteam angereist, der NDR hatte ein Fernsehteam ausgesandt und das Hamburger Abendblatt bemühte sich eifrig, genügend Infos für die Titelstory des kommenden Wochenendmagazins zu sammeln. Der Turnierbereich wurde zum Tummelplatz für Fernsehkameras und das Blitzlichtgewitter der Fotografen erinnerte eher an die Oscarverleihung in Hollywood, als an den Beginn der deutschen Pokermeisterschaft. Wie Ihr seht, der Pokerboom bleibt auch in Deutschland nicht ohne Folgen.

Inmitten des Sturms ein Fels in der Brandung: Herr Jost, wie er ruhig und zielstrebig den unmittelbaren Start des Turniers organisiert, seine Mitarbeiter für die anstehende Schlacht brieft und dabei auch noch ohne sichtbare Anstrengung zahlreiche Gäste persönlich begrüßt. Überhaupt hatte ich während der gesamten Veranstaltung den Eindruck, dass alle Mitarbeiter des Managements ständig den Dialog mit ihren Gästen suchten und jede Anregung und Kritik dankbar entgegennahmen. Die Dealer waren ebenso motiviert und arbeiteten auffallend professionell, konnten selbst um 3 Uhr nachts nach 12 Stunden harter Arbeit ihren Gästen noch das gleiche freundliche Lächeln schenken wie zu Beginn Ihrer Schicht.

Das Turnier wurde im Grand Prix Modus ausgetragen: In der ersten Vorrunde am Freitag um 20 Uhr 30 und in einer second Chance am Samstag um 16 Uhr 30 qualifizierten sich die jeweils 15 erfolgreichsten Spieler für das Endfinale das dann am Samstag gegen 22 Uhr 30 gestartet wurde. Das Buy in für´s Turnier betrug 440 €, während der ersten 60 Minuten konnte man einen Rebuy und im Anschluss daran noch einen Add on à 200.- € wahrnehmen. Die Chips, die man in dieser Vorrunde erspielte, dienten auch als Ausgangsbasis für das Finale.

Und hier komme ich auch gleich zu einem wesentlichen Kritikpunkt:
Die Zeitstruktur war mit 20 Minuten Levels und sehr straffen Limiterhöhungen einfach viel zu hart angesetzt. Texas Hold´em ist per se ein Geschicklichkeitsspiel, aber wenn die Struktur wie in diesem Turnier aufgebaut wird, übernimmt der Glücksfaktor die Regie. Dies ist für ein kleines regionales Turnier sicher tolerabel, aber bei einer so prestigeträchtigen Angelegenheit wie der deutschen Pokermeisterschaft sollten doch bessere Timetables zugrunde gelegt werden.

Meine persönliche Performance knüpfte nahtlos an die Serie des letzten halben Jahres an. Obwohl ich äußerst konzentriert und motiviert zur Sache ging, schaffte ich nicht mal den Cut. An Tag 1 brachte ich zwar all meine Chips als deutlicher Favorit mit einer 72 % Chance in den Pot, konnte das Spiel aber trotzdem nicht gewinnen. Ich verlor mal wieder AsKönig gegen KönigDame.

Am 2. Tag wurde mir die Hälfte meiner Jetons von einer jungen Spielerin mit 3 Königen herausoperiert, gegen die ich ziemlich chancenlos mit 2 Paar antrat. Die 2. Hälfte meines Tablestakes verballerte ich dann mit einem Bluffversuch, den ich leider zum falschen Zeitpunkt gegen den falschen Mann ansetzte. So ganz ohne Erfolgserlebnis wollte ich mich doch nicht aus Schenefeld verabschieden, also wand ich meine Aufmerksamkeit den Cash Games zu. Hier standen bis zu 6 vollbesetzte Tische zur Auswahl, an einem davon wurde Pot Limit Omaha gespielt und glücklicherweise gab es auch noch ein Plätzchen für mich. Tja, die Partie war einfach Klasse und so konnte ich den Misserfolg im Turnier mehr als ausgleichen.

Insgesamt war die deutsche Pokermeisterschaft 2005 ein riesiger Erfolg. Ich habe, abgesehen von der Zeitstruktur des Turniers, nur positives Feedback bekommen. Der Veranstalter hat eine überzeugende Vorstellung geboten und sollte den breiten Zuspruch vielleicht zum Anlass nehmen, dieses Event im nächsten Jahr auf 5 bis 6 Tage auszudehnen, die Teilnehmerzahl wird sich vermutlich verdoppeln.

Euer Michael