EU-Kommission prüft Liberalisierung von Lotto & Co.

Die einen beschwören die Gefahren hemmungsloser Spielsucht und unkontrollierbarer Geldwäsche herauf, die anderen geißeln die staatlichen Monopole bei Wett- und Lotteriespiel als „Anachronismus“. Der seit Jahren schwelende Streit über die mögliche Liberalisierung von Glücksspielen in der EU ist neu entbrannt und dürfte demnächst noch an Schärfe gewinnen. Dabei geht es auch um die Frage, ob der lukrative Markt mit dem Zocken unter die heftig umstrittene Dienstleistungs-Richtlinie fallen soll, deren Beratung im Europa-Parlament nun in die heiße Phase geht.

Studie prüft Öffnung des Glücksspielmarktes

In wenigen Wochen soll das Ergebnis einer Studie vorliegen, die der irische EU-Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy in Auftrag gegeben hat. Ziel ist es, die gegenwärtigen Glücksspielsysteme in den 25 EU-Staaten zu vergleichen und Möglichkeiten einer Öffnung des Marktes zu prüfen. Die Kommission werde vor allem von den auf Liberalisierung drängenden Buchmachern regelrecht mit Beschwerden bombardiert, sagt der Sprecher für Binnenmarktfragen, Oliver Drewes. Mehrere EU-Staaten seien zudem mit Klagen gegen die Monopole konfrontiert. Daher gebe es für das Brüsseler Exekutivorgan durchaus „Handlungsbedarf“.

Wettbewerb werde zu „Grauzonen“ führen

Vertreter der Branche sehen dies freilich ganz anders. Bei einer Aufhebung der Monopole werde der dann entstehende Wettbewerbsdruck unweigerlich zu „Grauzonen“ führen, warnt etwa der Geschäftsführer der deutschen Gesellschaft Westlotto und amtierende Vorsitzende der Vereinigung Europäischer Lotterien, Winfried Wortmann. Dies sei angesichts der auf dem Spiel stehenden Milliardensummen „gefährlich“.

Geld würde in „dunklen Kanälen versickern“

Ohne staatliche Kontrolle würden die Gelder in „dunklen Kanälen versickern“, sagt auch der Sprecher der Nordwestdeutschen Klassenlotterie (NKL), Ingo Mehner. Unkontrollierte Glücksspiele wären ein „idealer Tummelplatz für Geldwäscher und organisiertes Verbrechen“. Ähnlich argumentiert der Geschäftsführer des französischen Glücksspiel-Monopolisten „Française des Jeux“, Christophe Blanchard-Dignac. Spiele seien keine „wirtschaftliche Branche wie jede andere“. Monopole trügen dazu bei, Exzesse zu verhindern – die Zunahme von Spielsüchtigen etwa und die damit einhergehen „sozialen Folgekosten“.

Öffentliche Finanzen würden schwer beschädigt

Unisono verweisen die Befürworter staatlich kontrollierter Spiele auf die Folgen eines Endes der Monopole für die öffentlichen Finanzen. In Deutschland werden die Überschüsse aus den Glücksspielen zweckgebunden an die Länder abgeführt, die dadurch „dauerhafte Einnahmen“ hätten, wie Alexander Mallwitz vom Deutschen Lotto- und Totoblock betont. Gut vier Milliarden Euro gelangten auf diese Weise in die Säckel der Bundesländer. In anderen EU-Staaten, etwa in Skandinavien oder in Portugal, fließe das Geld in die öffentlichen Sozialsysteme.

Monopole seien nicht mehr zeitgemäß

Für den Euro-Parlamentarier Joachim Würmeling (CSU) sind solche Argumente „an den Haaren herbeigezogen“. Die Monopole im Glücksspielbereich seien nicht mehr zeitgemäß. Von einem freien Wettbewerb würden die Bürger profitieren, weil sie sich EU-weit die Spiele mit den besten Gewinnquoten aussuchen könnten. Notwendig sei allerdings eine Harmonisierung der Vorschriften, etwa zum Jugendschutz oder zur Werbung.

Liberalisierung wäre eine „Katastrophe“

Die Mehrheit im Europaparlament teilt diese Meinung allerdings nicht. Eine Liberalisierung der Glücksspiele, wie sie im Kommissionsentwurf für das Jahr 2010 geplant sei, wäre eine „Katastrophe“ für die öffentlichen Haushalte, meint die SPD-Europa-Abgeordnete Evelyne Gebhardt, Berichterstatterin der umstrittenen Dienstleistungsrichtlinie. Im Europaparlament gebe es „fraktionsübergreifend Widerstände“ gegen einen freien Markt für Glücksspiele. Sie rechnet damit, dass sich der Binnenmarktausschuss bei der Abstimmung am 22. November klar gegen solche Pläne aussprechen wird. Auch die auf ihre Einnahmen bedachten EU-Finanzminister dürften mehrheitlich auf den Erhalt der Monopole bestehen.