Interviewfragen an Uwe Christiansen (Deutscher Vizepräsident bei Euromat) zur Situation des gewerblichen Geldspiels in Deutschland

Frage: Seit 2011 gibt es in Deutschland einschneidende politische Maßnahmen. Diese sind auf eine Zurückdrängung des gewerblichen Geldspiels gerichtet.
Wie ist aktuell die wirtschaftliche Situation der Automatenwirtschaft in Deutschland?

Uwe Christiansen: Der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist Mitte 2012 in Kraft getreten. Zwischenzeitlich haben auch alle Länder in Deutschland spielhallenbezogene Landesregelungen erlassen, um gewerbliche Spielhallen einzuschränken. Neueröffnungen von Spielhallen sind kaum noch möglich.

Im Jahr 2013 hatten alle drei Wirtschaftsstufen der Automatenwirtschaft ein Umsatzminus von zusammen 2,6 zu verkraften. Der Handel musste ein Minus von 8 und die Industrie ein Minus von 12,7 % hinnehmen. Bezüglich der Aufstellung von Geldspielgeräten gewähren die noch laufenden Übergangsfristen im Glücksspielstaatsvertrag 2012 sowie in den Landesgesetzen einen fünfjährigen Bestandsschutz für bestehende Spielhallen. Daher ging der Umsatz mit Geldspielgeräten nur geringfügig zurück.

Frage: Wegen der gesetzlichen Maßnahmen ist die ursprünglich für Januar 2013 geplante Internationale Fachmesse Unterhaltungs- und Warenautomaten (IMA) abgesagt worden. In diesem Jahr hat die Fachmesse wieder stattgefunden.
Wie haben sich die Geschäfte auf der IMA 2014 entwickelt?

Uwe Christiansen: Die 32. IMA, die vom 14. bis 17. Januar in Düsseldorf stattfand, war trotz der bestehenden gesetzlichen Beschränkungen gut besucht. Mit 9.156 Gästen lag die Besucherzahl knapp unter dem Ergebnis von 2012. Infolge der einschränkenden spielhallenbezogenen Landesregelungen finden Expansionen nicht mehr statt – allenfalls Qualitätssicherung und Ersatzinvestitionen. Die Ordertätigkeit war daher sehr differenziert. Der Trend hin zu Sportwetten war nicht zu übersehen. Die 33. IMA soll vom 13. bis. 16. Januar 2015 in Düsseldorf stattfinden.

Frage: Die spielhallenbezogenen Länderregelungen verbieten sog. Mehrfachkonzessionen und fordern zudem Mindestabstände zwischen Spielhallen.
Wie werten Sie dies?

Uwe Christiansen: Unter Mehrfachkonzessionen wird der Betrieb einer Spielhalle in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex, verstanden. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Jahr 1984 den Betrieb von Mehrfachkonzessionen für zulässig erklärt. Wenn es nach den Ländern geht, soll in Zukunft wegen der angeblich besonderen Anziehungswirkung mehrerer Spielhallen pro Standort nur noch eine Spielhalle betrieben werden dürfen, in der maximal 12 Geldspielgeräte aufstellbar sind.

Das Verbot berücksichtigt nicht, dass größere Spielhallenkomplexe dem Bedürfnis der Bürger nach abwechslungsreicher Freizeitgestaltung entsprechen. In diesen Freizeitangeboten werden die gesetzlichen Vorschriften für das gewerbliche Geldspiel sowie freiwillige Beschränkungen und Vereinbarungen besonders sorgfältig eingehalten. Die Absicht der Länder, die dahinter steht, ist klar: Kleine Spielhallen stellen für die Automatensäle der staatlichen Spielbanken, in denen in der Regel deutlich über 100 Glücksspielautomaten stehen, eine geringere Konkurrenz dar.

Die Frage, die sich für unsere Branche stellt, ist jedoch nicht die Unterscheidung zwischen klein oder groß, sondern zwischen gut oder schlecht. Die Guten werden übrig bleiben! Hierbei soll eine Spielstätten-Zertifizierung helfen, die ein wichtiges Instrument für die Trennung der „Spreu vom Weizen“ sein kann.

Die ebenfalls geforderten Mindestabstände zwischen einzelnen Spielhallen reichen je nach Bundesland von 100m bis 500m. Nach Auffassung vieler Verfassungsrechtler haben die Länder für diese Regelung keine Kompetenz. Die Länder verfolgen auch hiermit nur ihre Ziele: Sicherung des staatlichen Glücksspielmonopols und der finanziellen Einnahmen. Der Spielerschutz ist offensichtlich nur vorgeschoben. Diese bestätigte auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 20. Juni 2013.

Frage: Die Föderalismusreform von 2006 hat die Kompetenzen für das Recht der Spielhallen auf die Länder übertragen.
Was bedeutet das in der Praxis?

Uwe Christiansen: Seit Anfang der 50er Jahre arbeitet die Automatenwirtschaft auf gesicherter, vom Bund vorgegebener, bundesweit geltender gewerberechtlicher Grundlage. Durch die Föderalismusreform sollten ortsnahe, sachbezogene Regelungen in verschiedenen Wirtschaftsbereichen erreicht werden – so auch für Spielhallen. Das Ergebnis ist allerdings ein anderes: Durch länderspezifische spielhallenbezogene Regelungen, die beginnend 2011 in Kraft getreten sind, ist das gewerbliche Spielrecht nicht mehr aus einem Guss. Ein Teil der Regelungen wird nunmehr durch die Länder wahrgenommen. Unbefristet erteilte gewerbe- und baurechtliche Erlaubnisse für Spielhallen werden in der Regel fünf Jahre nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages 2012, d.h. Mitte 2017, entwertet und die heutige Spielhallenstruktur z.B. durch das Verbot von Mehrfachkonzessionen zerstört. Das Ziel der Föderalismusreform wurde insoweit verfehlt. In der juristischen Literatur wird sogar von „Kapriolen des Föderalismus“ gesprochen.

Frage: Häufiger ist in juristischen Aufsätzen in deutschen Fachzeitschriften von einem Regelungsgefälle zwischen dem gewerblichen Spiel und den Spielbanken die Rede.
Was ist damit gemeint und was bedeutet dies in der Praxis?

Uwe Christiansen: Staatliche Spielbanken und gewerbliche Spielhallen unterliegen unterschiedlichen Regelungsansätzen. In Spielbanken gibt es generelle Zugangskontrollen. Sind diese überwunden, gelten in den Automatensälen der Spielbanken keine weiteren gerätebezogenen Beschränkungen. In kurzer Zeit können – sprichwörtlich – „Haus und Hof“ verspielt werden.

In Spielhallen gibt es demgegenüber zwar keine generellen Zugangskontrollen. Gemäß dem Jugendschutzgesetz dürfen sich allerdings junge Menschen unter 18 Jahren nicht in Spielhallen aufhalten und nicht an Geldspielgeräten spielen. Die für das gewerbliche Geldspiel maßgebliche, bundesweit geltende Spielverordnung schreibt darüber hinaus sehr enge gerätebezogene Regelungen vor: An Geldspielgeräten ist maximal ein Verlust von 80 Euro in einer einzelnen Stunde erlaubt. Im Durchschnitt ist ein maximaler Spieleraufwand von 33 Euro in einer Stunde zulässig. In der Praxis ergeben sich jedoch nur 5 bis 15 Euro.

Gerade vor dem Hintergrund dieser restriktiven gerätebezogenen Regelungen stellt sich unter anderem die Frage: Kann es richtig sein, dass in vielen Länder noch nicht einmal Kaffeeausschank in Spielhallen erlaubt ist? Dagegen ist der Alkoholausschank in Spielbanken die Regel. Wo bleiben da die Gleichbehandlung und die Kohärenz?

Frage: Wiederkehrend wird in den Medien und in der Politik das pathologische Spielverhalten – auch „Spielsucht“ genannt – thematisiert.
Wo steht Deutschland im europäischen Vergleich und was tut die Deutsche Automatenwirtschaft, um dem Spielerschutz Rechnung zu tragen?

Uwe Christiansen: Nach internationalen wissenschaftlichen Untersuchungen haben 0,2 bis 2 % der erwachsenen Bevölkerung in Europa Probleme mit ihrem Spielverhalten. Davon sind alle Formen des Glücks- und Gewinnspiels betroffen. Deutschland liegt im europäischen Vergleich mit etwa 0,2 bis 0,56 der erwachsenen Bevölkerung am unteren Rande des Spektrums. Das heißt: Über 99  aller Erwachsenen in Deutschland spielen ohne Probleme. Hier funktioniert der Spielerschutz! Ganz offenbar gibt es aber immer einen gewissen Prozentsatz von Menschen, die mit ihrem eigenen Spielverhalten nicht angemessen umgehen können.

Die Deutsche Automatenwirtschaft betreibt seit mehr als 20 Jahren aktiven Spieler- und Jugendschutz und bekennt sich zu ihrer gesellschaftlichen und sozialen Verantwortung. Zum Beispiel wurden Betriebliche Sozialkonzepte erarbeitet. Mit Hilfe u. a. des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin e.V. werden für Mitarbeiter von Spielstätten Personalschulungen durchgeführt. Bundesweite Schulungsstandards wurden entwickelt; sie werden kontinuierlich evaluiert und fortgeschrieben. Ziel ist es, Spieler mit problematischem Spielverhalten zu erkennen. Diese Spielgäste sollen aber nicht ausgesperrt, sondern „an die Hand genommen“ und – wenn erforderlich – einer qualifizierten Beratung zugeführt werden.

Seit August 2008 gibt es eigenständige Ausbildungsberufe in der Automatenwirtschaft. Der Umgang mit problematischen Spielgästen ist auch Inhalt der Ausbildung. Zudem sind Betreiber von Spielstätten gesetzlich verpflichtet, Unterrichtungsnachweise vorzulegen. Sie müssen nachweisen, dass sie mit den wichtigen rechtlichen und gesellschaftspolitischen Grundlagen betreffend das gewerbliche Geldspiel vertraut sind.

Frage: Wie hat sich vor dem Hintergrund der starken Einschränkungen der Automatenwirtschaft die steuerliche Belastung von Geldspielgeräten in den letzten Jahren entwickelt?

Uwe Christiansen: Gewerblich betriebene Geldspielgeräte unterliegen der für alle Wirtschaftsunternehmen anfallenden Ertragsbesteuerung, der Mehrwertsteuer und – als eine besondere kommunale Besteuerungsart – der Vergnügungsteuer. Die Vergnügungsteuerbelastung ist in der jüngeren Vergangenheit massiv angestiegen: Betrug die bundesweite Belastung von Unterhaltungsautomaten mit Vergnügungsteuern im Jahr 2006 noch 201 Mio. Euro, so waren es im Jahr 2010 bereits 376 Mio. Euro und im Jahr 2012 616 Mio. Euro. In 2013 wird die Belastung auf voraussichtlich 700 Mio Euro steigen!

Während in den vergangenen beiden Jahren die Umsätze der Aufstellunternehmen mehr oder weniger stagnierten (2012: +1,0 % und 2013: -0,8 %), stiegen gleichzeitig die Einnahmen der Kommunen aus Vergnügungsteuern weiter kräftig um 28,5 % in 2012 und um 19,5 % in 2013 (jeweils gegenüber dem Vorjahr). Das ist der 3,5-fache Wert der Belastung der Aufstellunternehmer im Jahr 2006! Mit diesem explosionsartigen Anstieg der Vergnügungsteuerbelastung ist die Grenze der wirtschaftlichen Tragfähigkeit erreicht und in einigen Fällen bereits überschritten.

Frage: Wird der Glücksspielstaatsvertrag 2012 dauerhaft Bestand haben?

Uwe Christiansen: Der erste (Lotterie-)Staatsvertrag trat 2004 in Kraft. 2006 wurde er durch das Bundesverfassungsgericht beanstandet. 2008 trat daraufhin der Glücksspielstaatsvertrag in Kraft. Er brachte starke Einschränkungen auch für das staatliche Glücksspiel. Das gewerbliche Geldspiel war nicht betroffen. Die Folge dieses Staatsvertrages war, dass die Einnahmen der Spielbanken und der Oddset-Sportwetten einbrachen. Im September 2010 beurteilte der Europäische Gerichtshof den Glücksspielstaatsvertrag als inkohärent. Wesentlicher Kritikpunkt war die aggressive Werbung der staatlichen Glücksspielanbieter, so auch das Bundesverwaltungsgericht. Am 01. Juli 2012 trat daraufhin der neue Glücksspielstaatsvertrag 2012 in Kraft. Er brachte zwar einige Erleichterungen für das staatliche Glücksspielmonopol, erfasste aber erstmalig auch das gewerbliche Geldspiel mit zahlreichen Restriktionen.

Wir haben Juristen damit beauftragt, den Glücksspielstaatsvertrag 2012 rechtlich zu überprüfen. Das einhellige Ergebnis: Dieser Staatsvertrag verletzt durch die Beschränkungen und Verbote für das gewerbliche Geldspiel elementare Grundsätze des Europarechts und auch des deutschen Verfassungsrechts. Viele Klageverfahren sind anhängig! Die gewerbliche Automatenwirtschaft wehrt sich mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen den Versuch, einen Wirtschaftszweig aus staatlichem Eigeninteresse zurückzudrängen oder weitgehend zu vernichten, der seit Jahrzehnten auf gesicherter gewerberechtlicher Grundlage arbeitet.

In einer Stellungnahme vom März 2012 hat die Europäische Kommission festgestellt, dass sie mangels ausreichender Informationen den Glücksspielstaatsvertrag 2012 noch nicht abschließend beurteilen kann. Dies gilt insbesondere für die wirtschaftliche Umsetzung des zukünftigen Konzessionssystems von Online-Sportwetten. 20 Sportwettkonzessionen sollten gemäß Staatsvertrag an private Anbieter vergeben werden. Bis heute ist dies nicht geschehen. Deutlich wird: Der Glücksspielstaatsvertrag 2012 dient in erster Linie der Absicherung des staatlichen Glücksspielmonopols. Ich bin davon überzeugt, dass die Europäische Kommission, die deutschen Gerichte sowie der Europäische Gerichtshof dies dauerhaft nicht dulden werden!