So erlebte ich die World Series of Poker 2005 im Casino Rio in Las Vegas – Teil 3

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Las Vegas ist ein reines Golfparadies

Die letzten zwei Tage habe ich mich etwas ausgeruht, ich wollte ja schließlich in guter Verfassung für mein nächstes Turnier sein, das 2.000 Buy In No Limit Holdem. Und was mache ich am liebsten, wenn ich nicht Poker spiele? Richtig, Golf spielen! Ok, wenn ich mir als Golfer meinen Lebensunterhalt verdienen müsste, wäre ich wahrscheinlich nach 3 Monaten pleite, aber ich liebe dieses Spiel über alles.

Golf Treasure Island Las Vegas Vegas ist ein wahres Golferparadies, über 70 verschiedene Plätze sind innerhalb von 40 Autominuten erreichbar. Wenn man die richtige Auswahl trifft, kann man wunderschön gepflegte Plätze für jeden Schwierigkeitsgrad spielen und das für 35 $ inklusive dem obligatorischen Golfcart.
Warum ist es so preiswert?
Nun, wir haben Mitte Juni und das Thermometer zeigt täglich zwischen 40° und 45° Celsius, in der Sonne fühlt sich das dann wie bei einem Langzeitaufenthalt in einer echten finnischen Sauna an. Also trifft man nur noch wahre Enthusiasten an den Abschlägen und man sollte schon 4 bis 5 Liter auf der Runde trinken, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Zur Anpassung an diese besonderen Umstände habe ich auch meinen Rhythmus etwas verändert. Vor der Golfrunde erst eine Weile am Pool abhängen (natürlich nur im Schatten oder im Wasser) und nicht vor 15 Uhr 30 abschlagen. Man hat dann meist freie Bahn, weil der Platz beinahe leer ist und die Sonne brennt auch nicht mehr so erbarmungslos.

Nach der Runde und einer wirklich ausgiebigen kalten Dusche gehe ich dann ganz gerne in die relativ nah zu meinem Apartment gelegene „Fashion Show Mall“. Nicht, um jeden Tag dem Kaufrausch zu verfallen (so ein Konsumterrorist bin ich auch wieder nicht), aber es gibt im 3. Stock des Komplexes eine Reihe durchaus vernünftiger Restaurants, die verschiedenste Stilrichtungen anbieten: ob Sushi, chinesische Küche, mexikanisch oder italienisch oder natürlich auch die für Amerika obligatorischen Burger, alles findet man hier zu bodenständigen Preisen.

Derart gestärkt geht es dann ins RIO, einige „One Table Satellites“ spielen. Je nach Ausgang und Erfolg falle ich dann zwischen 3 und 5 Uhr morgens mehr oder weniger glücklich und zufrieden in mein Bett.

Der Andrang an den Turnieren riss nicht ab

Am Freitag kam ich pünktlich zum Turnierbeginn ins RIO und wurde schon in den Gängen von Menschenmengen fast überrannt. Ich dachte, der Andrang würde im Laufe der 2. WSOP Woche deutlich abnehmen, aber weit gefehlt: es waren über 1.400 Spieler im Turnier. Glücklicherweise hatte ich mich schon am Abend vorher angemeldet, so dass ich den endlos langen Schlangen an den Registrierungskassen entgehen konnte. Zusätzlich zu den Spielern hatte sich auch wieder eine beträchtliche Anzahl an Fans versammelt, die die Aktion hautnah erleben wollten. Wenn dieser Trend so weitergeht, wird Poker wohl eines Tages an Popularität dem Volkssport Baseball den Rang ablaufen. Zum Thema Trend noch eine lustige Beobachtung: Letztes Jahr begann Daniel Negreanu damit, bei Turnieren diese übergroßen Eishockeyshirts zu tragen, mit seinem Namen in riesengroßen Druckbuchstaben auf dem Rücken. Dieses Jahr sieht man hier mehr als 100 Eishockeyspieler, die sich anscheinend in einen Pokerraum „verirrt“ haben. Oder wollen die etwa nur ihrem Idol nacheifern?

Aber jetzt zum Turnier: Eine meiner Basisstrategien in No Limit Holdem ist, Showdowns zu vermeiden. Es sei denn, ich habe eine wahre „Monsterhand“. Das Losglück bescherte mir einen Tisch, der für diese Taktik wie geschaffen war. Die Mitspieler verhielten sich passiv, zaghaft und sehr vorsichtig.

Poker Chips sauber sortiert Einzig bekanntes Gesicht war Gary Jones, ein Engländer, den ich als sehr guten Omaha Cashgame Spieler schätze und respektiere. Aber Gary hatte wohl nicht gerade seinen besten Tag erwischt…Sehr schnell war ich Chipleader an unserem Tisch und konnte nach und nach meine Position ausbauen. Nach etwa 2 ½ Stunden raiste ich ein Paar 8 vor dem Flop, zwei Leute bezahlten. Der Flop war 778, ich hatte das bestmögliche Fullhouse, die Monsterhand war da. Jetzt wollte ich natürlich unbedingt einen Showdown, mit soviel Chips wie möglich im Pot. Der erste Spieler setzte 200 (450 waren bereits preflop im Pot), der zweite zahlte und ich zahlte auch nur, weil ich niemanden vergraulen wollte. Die nächste Karte war eine 5. Spieler 1 setzte 600 und Spieler 2 gab seine Hand auf. Ich spürte, dass der erste Spieler diesmal keinesfalls den Pot kampflos weggeben wollte und so machte ich ein völlig überdimensioniertes Raise auf 3.500, um ihm zu suggerieren, dass ich den Pot klauen will. Mit den Worten: „Du kannst nicht immer eine Hand haben“, ging er all in. Ich bezahlte die restlichen 400.
Seine nächsten Worte waren dann „oh shit“, als er mein Full House sah. Er zeigte nur ein Paar 9. Nicht so schlecht, ich hatte schließlich 95,3 %, diesen Riesenpot zu gewinnen. Der River schenkte ihm aber dieWunderkarte, er traf seinen „Zweiouter“ und eine 9 erschien. Jetzt hatte er das bessere Full House und ich den größten Teil meiner Chips verloren.

Wie so oft nach solchen „Bad Beats“, bekam ich für einen längeren Zeitraum nur noch schlechte Karten (es gibt dafür auch keine rationale Erklärung), und mit wenigen Chips ist das Thema Pot gewinnen ohne Showdown reines Wunschdenken. Ich musste also auf passable Hände warten. Schließlich ging ich eine Stunde später all in mit As Bube in Pik gegen 89. Natürlich traf mein Mitspieler eine 8, während ich leer ausging und so durfte ich anschließend das weitere Turniergeschehen vom Zuschauerbereich aus verfolgen.

Nach diesem Erlebnis entschied ich mich, auf das 2.000 Pot Limit Holdem zu verzichten und statt dessen das 2.000 Omaha Turnier zu spielen, über das ich im nächsten Teil berichten werde.

Euer Michael