So erlebte ich die World Series of Poker 2005 im Casino Rio in Las Vegas – Teil 2

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Mein erstes Turnier mit Daniel Negreanu und T.J. Cloutier

Wie ich mir bereits zuhause überlegt habe, werde ich als erstes Turnier das short handed No Limit Holdem mit 2,500 $ buy in spielen. Short handed bedeutet, dass nie mehr als 6 Spieler an einem Tisch sitzen. Es bedeutet auch, dass man wesentlich mehr Hände aktiver spielen muss. Warten auf Asse oder Könige führt hier unweigerlich dazu, dass die eigenen Chips durch die Blinds aufgerieben werden. Insgesamt nehmen 660 Spieler an diesem Turnier teil, dem Gewinner winken 340.000 $.

Ein Pokervideospiel anzupreisen, macht nicht immer Sinn

Daniel Negreanu Wir starten am ersten Tisch zu viert und mit von der Partie sind Daniel Negreanu und T.J. Cloutier. Aufgrund Ihrer ständigen Fernsehpräsenz sind die beiden hier regelrechte Superstars und so wird unser Tisch von einer beträchtlichen Fangemeinde regelrecht belagert. Daniel wird nicht müde, sein neuestes Produkt, ein Pokervideospiel, lauthals anzupreisen, während T.J. sich in charming small talk versucht. Er spielt immer recht konservativ am Anfang, aber Daniel versucht sofort zu zeigen, dass er der Herr im Haus ist. Dies führt allerdings nur zu einer radikalen Dezimierung seiner Chips. Nach einer halben Stunde sind nur noch etwa 1.400 von den 2.500 Startjetons übrig und das Videospiel wird jetzt auch in etwas sanfteren Tönen beworben.

John Juanda, ist meiner Meinung nach derzeit der beste Turnierspieler der Welt

Als unser Tisch nach ca. 1 Stunde aufgelöst wird, habe ich etwas mehr als der Durchschnitt an Chips und bin recht zufrieden und voller Hoffnung, jetzt doch etwas leichtere Gegner zu finden. Zu früh gefreut: Das Losglück bescherte mir einen Tisch mit John Juanda, der bereits völlig die Kontrolle übernommen hatte. John Juanda ist meiner Meinung nach derzeit der beste Turnierspieler der Welt und erstmals spielte ich mit ihm am gleichen Tisch. Für mehr als 4 Stunden hatte ich die Gelegenheit, seine Strategie zu beobachten und ich war wirklich beeindruckt. Im Gegensatz zu Daniel, der hauptsächlich auf reine Aggression aufbaut, bevorzugt John die sanftere Variante, ständig mit kleinen Einsätzen Fragen zu stellen und sich so ein Bild von seinen Mitspielern zu machen. Er findet fast immer genau die richtige Dosis an Chips, um die Hand ohne Showdown zu gewinnen, es sei denn, er möchte den Showdown, weil er seine Hand für unschlagbar hält. Es ist genau die Art von Strategie, welche ich während der letzten Jahre zu entwickeln und zu verbessern versuchte. Nachdem ich John hier studieren konnte, muss ich zugeben, dass noch jede Menge Raum für Verbesserungen bei mir übrig ist.

Weit weg vom Finaltisch

Phil Ivey and John Juanda Zu Beginn an diesem Tisch bekam ich ein paar schöne Hände und konnte innerhalb von 2 Stunden meine Chips verdoppeln und fühlte mich recht gut. Das änderte sich, als ein neuer Spieler zu uns kam, der zwar keinerlei Turniererfahrung besaß, dafür aber um so bessere Karten bekam. Innerhalb kürzester Zeit terrorisierte er den gesamten Tisch inklusive John Juanda, der in einem Spiel mit unserem neuen Häuptling mehr als die Hälfte seiner Chips verlor. Der einzige Weg, diese Art von Spieler zu schlagen, ist in einem Showdown und dafür braucht man bekanntlich gute Karten. Ich hatte bereits 2 kleinere Partien verloren und nur noch etwa halben Chipdurchschnitt, als ich in mittlerer Position As 10 in Herz fand. Ich raiste und er bezahlte am Dealerbutton, ohne auch nur 1 Sekunde zu zögern. Sein Call bedeutete zunächst einmal überhaupt nichts, da er in nahezu jeder 2. Hand den Flop sehen wollte. Wir waren nur noch zu zweit als der Flop mir mit As in Kreuz, 9 Herz und 2 Herz das Top Paar mit dem Flush Draw bescherte. Stark, vielleicht kann ich ihn jetzt erwischen! Ich checkte, er warf 1,200 in die Mitte und ich ging mit meinen 4.000 verbliebenen Chips all in. Ohne zu zögern bezahlte er und zeigte mit seinem breitesten Grinsen As und König. Ich wollte ihm die Falle stellen und nun saß ich selbst drin. Weder eine 10, noch ein Herz kamen an Turn oder River und somit beendete ich das Turnier als 157.

Anstatt den Finaltisch am nächsten Tag zu spielen, werde ich mich also mit einer Runde Golf im Pajute Resort trösten.

Meine nächstes Turnier ist das 2,000 buy in No Limit Holdem, über das ich im folgenden Teil berichten werde.

Euer Michael